Die Glocke ,
08.11.2005 :
(Dolberg) Buchautor Franz Haurenherm / Erinnerungen an einen vergessenen Krieg
Von Marion Blum
Dolberg (at). 50 Jahre war Franz Haurenherm der Überzeugung, dass Deutschland sich nie mehr ohne Zwang an militärischen Auseinandersetzungen beteiligen würde. Er hatte als junger Soldat den Zweiten Weltkrieg auf dem Balkan überlebt.
"Mit dem Krieg im Kosovo Anfang der 90er Jahre brach für mich eine Welt zusammen", beschreibt der 84-Jährige seine Gefühle rückblickend. Er konnte nicht nachvollziehen, dass Deutschland wieder Krieg in einem Land führte, in dem er als junger Mann die Grausamkeit militärischer Auseinandersetzungen am eigenen Leib miterlebt hatte. Wie ein Film liefen die schon fast vergessen geglaubten Bilder vom Krieg vor ihm ab.
"Ich hatte keine andere Wahl, als die Geschichte, an die ich wieder erinnert wurde, aufzuschreiben," so der Dolberger. Nicht zuletzt seine Tochter Gerhild, die das Vorwort verfasst hat, ermunterte ihren Vater dazu, das Erlebte aufzuschreiben. Fast ein Jahr lang widmete der Dolberger sich seinem Vorhaben. Ganz ohne Aufzeichnungen, nur aus der Erinnerung heraus. Entstanden ist das knapp 170 Seiten umfassende Buch "Der vergessene Krieg auf dem Balkan", das im Abera Verlag mit Sitz in Hamburg erschienen ist. Das Werk verfügt zudem über Schwarz-Weiß-Fotos von Albanien, Montenegro, Bosnien, Serbien und Kroatien.
Der gebürtige Heessener wurde als 19-Jähriger eingezogen, verbrachte zunächst zwei Jahre in Norwegen, bevor er 1943 auf den Balkan verlegt wurde. Damals ahnte er noch nicht, dass er dort fünf Lebensjahre verbringen würde. Denn nach Kriegsende geriet er in die Gefangenschaft jugoslawischer Partisanen. Erst 1948 kehrte er in seine Heimat zurück.
Wer das Buch liest, erfährt viel über die Gräueltaten des Krieges, den täglichen Kampf ums Überleben und den unmenschlichen Druck, der Tag für Tag auf den Soldaten lastete. Denn viele seiner ehemaligen Kameraden hat Franz Haurenherm damals sterben sehen.
Haurenherms persönlichen Schilderungen gewähren dem Leser Einblick in Lebensbedingungen, die der Nachkriegsgeneration die Sinnlosigkeit von Kriegen vor Augen führt. "Wie soll jemand, der diesen Krieg erlebt hat, verstehen, dass es deutschen Politikern noch einmal gelingen würde, Soldaten auf den Balkan zu schicken?", schildert der Autor sein Entsetzen darüber, wie die Politik in den 90er-Jahren mit der Vergangenheit umging. Sein Ziel bestand deshalb vor allem darin, eine Brücke zur Gegenwart zu bauen.
Gerne würde Haurenherm, der die meisten Berufsjahre bei der bei der Märkischen Steinkohlengewerkschaft und später als Leiter der EDV-Organisation in der Hauptverwaltung der Bergbau AG Westfalen verbrachte, seine Kriegserlebnisse den nachfolgenden Generationen näher bringen. Zu einer Lesung in Ahlen wäre er deshalb bereit. Weil die Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen wohl noch lange nicht vorbei sein wird, verfügt dieses Thema auch 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch über traurige Aktualität.
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