Tageblatt für Enger und Spenge / Neue Westfälische ,
07.11.2005 :
Wenn Musik zur Gefahr für Kinder wird / Info-Abend in der Bünder Realschule
Von Heiko Link
Kreis Herford. Immer wieder machen rechtsradikale Gruppen Schlagzeilen, weil sie Musik mit rassistischem Inhalt kostenlos an Schülerinnen und Schüler verteilen. Auch Schulen im Kreis Herford sind dieser Gefahr ausgesetzt. Nicht zuletzt, um davor zu warnen, gab es zum Thema Rechtsradikalismus an der Realschule Bünde-Mitte einen Informationsabend mit vielen Experten.
Das wichtigste Werkzeug der rechten Szene, um weiteren Nachwuchs zu gewinnen, ist Musik, so die Beamten des Bielefelder Staatsschutzes. Im Zeitalter von MP3 (Musikdateien auf dem Computer) und Internet sei es einerseits schwer, die Verbreitung rechter Musik zu stoppen. Andererseits veröffentliche die Szene gezielt Lieder, die vom Staat nicht verboten werden können.
Doch selbst wenn Titel verboten worden sind, finden sie ihren Weg zum Kunden. Eine CD der Gruppe "Zillertaler Türkenjäger" erzielt auf dem Schwarzmarkt Preise bis zu 80 Euro pro Stück. "Wenn Sie eine solche CD besitzen und sie 20 Mal kopieren, um diese Kopien dann auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen, ist das ein guter Grund, sich auch weiterhin in der Szene aufzuhalten", erläutert Hermann Schulze vom Staatsschutz aus Bielefeld. Gewisse Nazi-Gruppen versehen Lieder wie "An der Nordseeküste" und "Sonderzug nach Pankow" mit ausländerfeindlichen Texten wie zum Beispiel "Sonderzug nach Mekka". "90 Prozent Ihrer Kinder kennen das", sagte Hermann Schulze den erstaunten Eltern an diesem Abend. Diese Musik kann schnell leiser gestellt werden, wenn ein Lehrer oder Elternteil den Raum betritt.
Musik ist ein Medium, mit dem Emotionen transportiert werden können und damit ein ganz wichtiger Faktor. Verdeutlicht wurde dies von Hermann Schulze am Beispiel Martin Luther. "Hätte er seine heimlichen Lieder nicht weiter gegeben, dann hätte die Reformation nicht statt gefunden."
Eine Mutter berichtete, dass sie aus dem Haus eines Nachbarn schon solche Lieder gehört habe. Die Polizei forderte die Bürgerinnen und Bürger daraufhin auf, in solchen Fällen Anzeige zu erstatten: "Wir machen dann Hausbesuche", so Polizist Schulze. Schulleiter Horst Selle ergänzte, dass ihm an der Realschule Bünde-Mitte bisher kein Fall von kostenloser Nazi-Musik bekannt geworden sei. "Wenn wir davon erfahren, dass eine solche Aktion geplant ist, stellen wir uns vor der Schule auf", bekräftigt Hauptkommissar Dirk Hüsemann konsequent die Einsatzbereitschaft der Bünder Polizei.
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