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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 07.11.2005 :

Zeichen wider das Vergessen gesetzt / Israel AG gestaltet Davidstern / Würdevolle Gedenkstunde auf dem alten jüdischen Friedhof in Rheda

Von Wilhelm Dick

Rheda-Wiedenbrück. "Tote sind erst dann wirklich tot, wenn man sie vergisst." So die Vorsteherin der jüdischen Gemeinde Bielefeld, Irith Michelsohn, gestern Morgen auf dem alten jüdischen Friedhof in Rheda. Die große Zahl an Bürgern, die dem städtischen Aufruf zur Gedenk-Veranstaltung für die Opfer der Pogromnacht von 1938 gefolgt waren, zeigte, dass die über sechs Millionen jüdischen Opfer des Nazi-Terrors unvergessen bleiben.

Über 8.000 Geschäfte in ganz Deutschland wurden geplündert, über 2.000 Synagogen standen in Flammen in jener Nacht auf den 9. November 1938, die die Nationalsozialisten später ebenso zynisch wie verharmlosend "Reichskristallnacht" nannten. Irith Michelsohn erinnerte daran, dass bereits in dieser Nacht über 100 deutsche Juden ihr Leben lassen mussten, dass weit mehr noch verhaftet und drangsaliert wurden. Die Pogromnacht von 1938 sei die "Initialzündung" für den folgenden Völkermord gewesen.

In eindrucksvoller Weise gestaltete die wieder zum Leben erwachte Israel AG des Einstein Gymnasiums die würdevolle Feierstunde mit. Die jungen Leute formten aus blauen und weißen Lichtern (den Farben der Flagge Israels) zu Füßen der Gedenk-Stele einen Davidstern und verbanden dies mit einer Reihe eindringlicher Mahnungen.

"Die Mehrheit sah damals tatenlos zu, wie eine Minderheit gejagt wurde", wünschten sich die jungen Leute, dass für alle Zukunft Menschenwürde und Menschenrechte beachtet werden. "Heute sind wir froh, dass so viele verschiedene Minderheiten unter uns leben", hieß es weiter, "denn durch sie wird unsere Gesellschaft viel lebendiger".

In diese Richtung dachte auch Irith Mendelsohn, als sie die Umstehenden dazu aufrief, "dem Vergessen die Hoffnung entgegen zu setzen, dass es unter allen Menschen immer mehr Gemeinsames als Trennendes geben möge".

Bevor Bürgermeister Bernd Jostkleigrewe einen Kranz an der Gedenk-Stele niederlegte, hatte er an das Jahr 1980 erinnert, als an der Schloßstraße der "Synagogen-Gedenkstein" errichtet worden war. Anfangs war dies der Ort des Gedenkens an die Pogromnacht von 1938 gewesen. Als 1997 einige Gräber auf dem alten Friedhof an der Woeste geschändet wurden, so das Stadtoberhaupt, habe man sich entschlossen, hier diese Gedenkfeier auszurichten, um ein Zeichen gegen solche Barbarei zu setzen. "Wir haben dieses Zeichen wahrhaft gesetzt", so Jostkleigrewe mit Blick auf die Tatsache, dass der alljährliche Gang zum alten jüdischen Friedhof für immer mehr Bürger eine Sache der Überzeugung geworden ist.

Der Bürgermeister freute sich besonders über die Aktion der Israel AG: "Diese Generation wird ihre eigenen Wege finden, die Erinnerung an die Verbrechen der Nazizeit wach zu halten." Dazu zählte er auch die Reihe der Veranstaltungen, die der Jugendkulturring im Monat November noch zum Thema "Erinnerungs-Kultur" anbietet.

Mit Gebeten in hebräischer Sprache, gesprochen von Pfarrer i.R. Ernst Otto Meinhardt und Paul Yuval Adam (Bielefeld) klang die Feierstunde aus.


lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de

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