Bielefelder Tageblatt (BW) / Neue Westfälische ,
05.11.2005 :
(Bielefeld) Der letzte Mohikaner / Hannes Heer diskutierte über sein Buch "Hitler war's"
Von Eva Britsch
Bielefeld. "Das, was Bernd Eichinger im 'Untergang' gemacht hat, nenne ich kriminell" – Hannes Heer, Autor des jüngst erschienenen Buches "Hitler war's", wird deutlich, wenn es um Bernd Eichinger, Guido Knopp oder Joachim Fest geht. Irgendwie befreiend, was Hannes Heer in der Buchhandlung Eulenspiegel mit Verve in die informierten Publikumsreihen posaunt. Alle, die bisher ein undefiniertes Unbehagen beim Medienkonsum à la Knopp und Eichinger befallen hat, bekommen mit Hannes Heers Buch Argumente zur Seite gestellt.
Denn Hitler, hochpoliert im Führerbunker, wie es im Kino zu sehen war, gefilmt aus der naiven Schlüssellochperspektive, durch die Welt und Wirklichkeit im pittoresken Nazi-Grusel versuppen, das mag unterhalten, das mag Quote bringen, aber ob es historisch redlich ist, den Zuschauern zu suggerieren, "so war's, so war Hitler", ist zumindest fraglich. Gefallen tut's nicht allen. Um so mehr stört es Heer, der 1968 sein Studium der Geschichte und Literaturwissenschaft beendete, seitdem etliche Bücher zu Nazideutschland veröffentlichte und Leiter des Ausstellungsprojektes "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" am Hamburger Institut für Sozialforschung war, dass sich deutsche Historiker weitestgehend aus der medialen Aufbereitung der Geschichte heraushalten.
Ein verkürzter und letztlich entlastender Eindruck
Kaum ein Historiker lässt sich herab, sachlich Stellung zu dem zu nehmen, was Millionen von Menschen abends über die deutsche Geschichte erfahren. Warum? Alles, was nicht Wissenschaft ist, interessiert Historiker nicht. Und was Guido Knopp vermarktet, ist eben nicht Wissenschaft, sondern Unterhaltung. Fatal, meint Heer, denn schließlich würde durch die "gesellschaftliche Standardisierung" der Geschichte auf einen begrenzten Bild- und Informationskanon, wie ihn Knopp propagiere, ein verkürzter und letztlich entlastender Eindruck der Vergangenheit entstehen.
Das ist Hannes Heers Diktum und so ist er einer der ganz wenigen, der den öffentlichen Diskurs um diese notwendige Kritik an Geschichtserzählung "light" und holzschnittartiger Darstellung der Nazi-Charaktere bereichert; dass Knopp und Co. nun – bewusst oder unbewusst – Hitler zum alleinigen Sündenbock stilisieren, der sein Unwesen flankiert von 80 Millionen "Marionetten" treiben durfte, ist erst einmal eine gewagte These: "Hitler war's", so war's leider nicht.
Hannes Heer: "Hitler war's – Die Befreiung der Deutschen von ihrer Vergangenheit". Erschienen im Aufbau-Verlag. 19,90 Euro.
05./06.11.2005
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