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Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische , 01.11.2005 :

(Herford) Auf weitere hundert Jahre / Junge Linke feierte ihr fünfjähriges Bestehen mit Workshops und Konzert

Von Ralf Bittner

Herford. Ob Protest gegen die Castor-Transporte, Abschiebungen von Asylbewerbern oder Demonstrationen gegen das rechte Bildungszentrum "Collegium Humanum" in Vlotho – wenn der Protest gegen die gesellschaftlichen Zustände außerparlamentarisch wurde, war die Junge Linke Herford (JL) in den vergangenen Jahren fast immer dabei. Aus Anlass ihres fünfjährigen Bestehens wandte sich die Gruppe den Themen Nationalismus in Pop und öffentlichem Diskurs zu.

Mit jeweils 30 bis 40 Zuhörern bei den Vorträgen zum Thema "Kapitalismus und neue deutsche Härte im Hip Hop" sowie "Nationalismus im Pop, im öffentlichen Diskurs und den Medien" seien die Veranstalter durchaus zufrieden gewesen, so Daniel Krenz-Dewe vom Kreisverband der JL.

Die Referenten der Bielefelder Gruppe "Aggro Beat Reader" zeigten Beispiele kaum noch verschleierter Sprachbilder im Popdiskurs auf, etwa bei Heppner, Fler oder bei der Band Mia. Besonders ihr Lied "Was es ist" bietet seit 2003 Anlass zur Diskussion. Kaum noch lyrisch verkleidet werden Kaffee (schwarz), Mund (rot) und Sonne (gelb) zur Liebeserklärung an das neue Deutschland, der unbefleckte Strand, über den im Text spaziert wird, zur rein gewaschenen deutschen Geschichte.

Für die Referenten ist der scheinbar unbedarfte Umgang mit der Geschichte das Neue im nationalen Diskurs. Die Tatsache, dass Deutschland sich mit der NS-Vergangenheit auseinander gesetzt habe, mache inzwischen einen neuen Nationalismus möglich.

So sei eine Medienkampagne wie "Du bist Deutschland" noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Am Beispiel dieser Kampagne zeigten sie die Doppelfunktion eines modernen Nationalbewusstseins auf: Es wird Einsatz für das Gemeinwesen gefordert und den Individuen gleichzeitig die Schuld für wirtschaftliche Probleme und am individuellen Scheitern zugeschrieben.

Gefeiert wurde natürlich auch: mit "Der Tante Renate", "Räuberhöhle" und "Ender Error" waren der Projekte aus der Untergrund-Elektro-Szene live auf der Bühne im Jugendzentrum FlaFla zu sehen. Das Bielefelder Ein-Mann-Projekt "Ender Error" konstruiert Collagen aus Schrott. Aus alten Synthesizern, Uralt-Computern wie dem Amiga und unglaublichen Mengen Elektroschrotts entsteht ein eigenartiges Musikinstrument, hinter dem der Mensch nur mal kurz hervorschaut, um sich für die langen Ladezeiten zu entschuldigen und Textfetzen ins Mikro zu brüllen. Was rauskommt, ist eine Collage aus zuvor ungehörten Tönen und verfremdeten Geräuschen – mit Spaßfaktor und politischem Anspruch. Wenn so etwas, wie eine Dekonstruktion herrschender Normen in der Kultur überhaupt geben kann, müsste sie wohl so klingen.

Die Junge Linke Herford trifft sich sonntags um 16 Uhr, im Café des FlaFla, Mindener Straße 33. Interessenten sind willkommen. Kontakt: junge-linke-herford@gmx.net


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