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Lese- und Antifa-Café in der alten Pauline , 02.11.2005 :

(Detmold) Das Vernichtungslager Sobibor / Veranstaltung zur Reichspogromnacht

Mittwoch, den 9. November um 20.00 Uhr


Veranstaltungsort:

Autonomes Kultur-
und Kommunikationszentrum
alte Pauline
Bielefelder Straße 3
32756 Detmold

Telefon: (05231) 20 101

www.alte-pauline.de
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Am 9. November 1938 war die Reichspogromnacht. Es fanden organisierte, aber auch spontane Angriffe auf Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland statt. Viele Menschen wurden brutal zusammengeschlagen, gedemütigt, es gab Mordopfer. Heute wissen wir, dass kaum jemand den JüdInnen schützend zur Seite stand. Stattdessen bereicherten sich nicht wenige ganz normale Deutsche am Hab und Gut ihrer jüdischen Nachbarschaft. In der Folge der Reichspogromnacht wurden jüdische Menschen in KZs deportiert, was für die meisten von ihnen den Tod bedeutete. Auch die Arisierung jüdischen Eigentums zur Bereicherung der deutschen Regierung wurde verstärkt vorangetrieben, der Vertreibungsdruck auf die jüdischen Menschen wurde massiv. Die Reichspogromnacht bedeutete eine brutale Wende im Umgang mit der jüdischen Bevölkerung, eine Wende, die zur so genannten "Endlösung", der Vernichtung der europäischen JüdInnen führte.

In den immer noch eher unbekannten Vernichtungslagern der "Aktion Reinhardt", Belcez, Sobibor und Treblinka, wurden 1942 und 1943 ca. 1,7 Millionen Jüdinnen aus Polen, aber auch aus anderen europäischen Ländern direkt in den Gaskammern ermordet. Sobibor war ein Vernichtungslager in Polen östlich von Lublin. Von Mai 1942 bis Oktober 1943 wurden dort 250.000 Menschen ermordet, fast ausschließlich Jüdinnen und Juden. Neben Belcez und Treblinka war Sobibor das dritte Vernichtungslager der "Aktion Reinhardt". "Aktion Reinhardt" war der Tarnname der Nazis für die Ermordung der JüdInnen aus dem Generalgouvernement und später auch aus anderen Teilen Europas. In den Gaskammern der "Aktion Reinhardt" wurden 1.750.000 Menschen ermordet.

Am 14.10.1943 wagten die Arbeitshäftlinge in Sobibor einen organisierten und akribisch vorbereiteten Aufstand, der erfolgreich verlief: Ca. 350 Häftlinge konnten aufgrund des Aufstandes fliehen, mehr als 50 von ihnen erlebten das Ende das Krieges. Das Vernichtungslager Sobibor wurde nach dem Aufstand aufgelöst. Es fanden keine Deportationen jüdischer Menschen nach Sobibor mehr statt, in den Gaskammern wurde nicht mehr gemordet.

Mehrere Besuche führten uns mittlerweile nach Sobibor, wir kennen persönlich zwei der wenigen Überlebenden: Thomas Blatt und Jules Schelvis. U.a. dank ihrer Berichte ist die Absicht der Nazis, die Spuren der Vernichtungslager vollständig auszulöschen nicht aufgegangen.

Zum 60 Jahrestag des Häftlingsaufstandes wurde 2003 eine Gedenkallee eingeweiht. Diese Gedenkallee verläuft auf dem letzten Weg der Jüdinnen und Juden, die nach Sobibor deportiert wurden, er verläuft von der Rampe bis zur Gaskammer. Entlang dieses Weges werden Bäume gepflanzt und Steine mit den Namen Ermordeter gesetzt. Auch für JüdInnen aus Ostwestfalen-Lippe sind dort einige Steine gesetzt. Seit Herbst dieses Jahres ergänzt eine Archivraum im Museum die Gedenkallee, es sind dort u.a. Fotos und fragmentarische Lebensläufe der Opfer einsehbar. Die einzelnen Menschen mit ihren unterschiedlichen Lebenswegen können so der Anonymität der großen Zahl entrissen werden.

Wir, die Initiative gegen Ausgrenzung aus Bielefeld, haben die Aufgabe übernommen diesen Raum in Absprache mit der Gedenkstätte zu gestalten und zu pflegen. Für uns bedeutet das eine Möglichkeit auszudrücken, dass es uns keinesfalls egal ist, was in Sobibor statt fand. Wir fühlen uns nach wie vor verantwortlich für die mörderische Politik des nationalsozialistischen Deutschlands und die unzureichende Aufarbeitung dieser Verbrechen durch die BRD, deutlich wird dies z.B. an der mangelhaften juristischen Verfolgung der Täter. Deutlich wird dies an der rechten Alt- und Neonazi-Szene, die mittlerweile überall öffentlich auftreten darf, abgesegnet vom Bundesverfassungsgericht.



250.000 Leben – eine Allee für die Opfer von Sobibor

250.000 Menschen, fast ausschließlich Juden und Jüdinnen aus Europa, wurden in dem Vernichtungslager Sobibor der "Aktion Reinhard“ in dem kurzen Zeitraum zwischen Juni 1942 und Oktober 1943 unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Gaskammer ermordet. Am 14.Oktober 1943 führten die Häftlinge einen erfolgreichen Aufstand gegen die übermächtige Bewachung durch, das Vernichtungslager Sobibor wurde geschlossen, das Morden dort gestoppt. Das Kriegsende erlebten allerdings leider nur ca. 50 der ehemaligen Häftlinge Sobibors. Um die Spuren ihres Verbrechens zu beseitigen, planierten die Nationalsozialisten das Gelände und errichteten einen Bauernhof.

Die Täter zogen es vor zu schweigen, doch dank der Berichte der Überlebenden Sobibors, wissen wir heute von dem mörderischen Geschehen, es ist nicht vergessen. Auch wenn es immer wieder schmerzhaft ist und Wunden aufreißt, die Überlebenden fühlten sich gegenüber den Ermordeten moralisch verpflichtet, Zeugnis abzulegen.

Heute erinnert auf dem ehemaligen Lagergelände eine kleine Gedenkstätte an die Geschehnisse in Sobibor, in der sich Besucher und Besucherinnen über die Ereignisse in Sobibor informieren können. Die Gedenkstätte ist dem regionalem Heimatmuseum in Wlodawa angeschlossen. Der Aschehügel der Ermordeten ist als stetiges Mahnmal sichtbar, zudem errichtete der polnische Staat eine Skulptur, mit der an die Opfer erinnert wird. Bis auf eine Gedenktafel gibt es trotz deutscher Verantwortung für die Verbrechen keinerlei offizielle Unterstützung durch die bundesdeutsche Seite.

14. Oktober 2003 – 60. Jahrestag des Häftlingsaufstandes

Aus Anlass des 60. Jahrestages des Häftlingsaufstandes wurde auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslager eine Gedenkallee eingerichtet. Diese Allee markiert den letzten Weg der Deportierten von der Rampe bis zur Gaskammer. Bäume wurden gepflanzt und Gedenksteine mit Namen einzelner Opfer oder Gruppen gesetzt. Für BesucherInnen wird die Topographie des bewaldeten Geländes sichtbar und nachvollziehbar. Zudem werden die Opfer der Anonymität der "großen Zahl" entrissen und als einzelne Personen sichtbar.

Jeder Name eine Geschichte

Zum Konzept der Gedenkallee gehört die Einrichtung eines Archivraums im Museum. Dieses Archiv bietet die Möglichkeit, den Ermordeten nicht nur ihren Namen sondern auch Fragmente ihrer abgebrochenen Leben zuzuordnen: Jede und jeder Ermordete war ein Mensch mit einer ganz persönlichen Geschichte, diese Menschen wurden aufgrund einer menschenverachtenden rassistischen und antisemitischen Ideologie der Fortführung und Gestaltung ihres Lebens beraubt.

In Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk Stanislaw Hantz aus Kassel, der Stichting Sobibor aus den Niederlanden mit dem Überlebenden Jules Schelvis und nicht zuletzt der Gedenkstätte und dem Heimatmuseum in Wlodawa übernahmen wir, die Initiative gegen Ausgrenzung, ehrenamtlich die Gestaltung dieses Raumes. Angesichts der mörderischen nazistischen Vergangenheit Deutschlands fühlen wir uns verpflichtet, dieser verantwortungsvollen Aufgabe so gut wie möglich gerecht zu werden. Gleichzeitig bedeutet die Auseinandersetzung mit dem Vernichtungslager Sobibor gerade durch den persönlichen Kontakt mit den Überlebenden Jules Schelvis und Thomas Blatt, aber auch den anderen diesem Projekt verbundenen Menschen und Gruppen, eine Bereicherung.

Unsere Aufgabe im Rahmen des Projektes Gedenkallee beinhaltet zum einen die Einrichtung und Gestaltung eines Archivraumes im Museum, ein praktikables Konzept haben wir bereits entwickelt.

Zum anderen erstellen wir durch Rückfragen an Einzelpersonen oder Gruppen, die Steine für die Gedenkallee spenden, eine Art kurzes Dossier über die ermordeten Menschen: die uns bekannten Fragmente ihres Lebens (Wohnort; Beruf, Familie, Außergewöhnliches, ... ) werden schriftlich festgehalten, falls vorhanden werden Fotos, persönliche Briefe, etc. diesen Dossiers zugefügt und den BesucherInnen der Gedenkstätte zugänglich gemacht. Die Dossiers sollen in der Muttersprache des Opfers, in polnisch, englisch und deutsch lesbar sein.

Unsere Arbeit erfolgt ehrenamtlich und ohne finanzielles Budget. Das Museum in Wlodawa unterstützt uns logistisch, verfügt aber über kein finanzielles Budget, so dass wir auf Spenden angewiesen sind..

Wir unterstützen das Projekt "250.000 Leben – eine Allee für die Oper von Sobibor". Aufgrund erster Recherche und Zusammenarbeit mit lokalen Gruppen wurden für Menschen aus Ostwestfalen-Lippe erste Bäume gepflanzt und Steine gesetzt:

Frida Hecht, geb. 23.07.1888 in Herford, ermordet 28.05.1943 in Sobibor
Inge Dreyer, geb. 09.09.1926 in Bielefeld, ermordet 28.05.1943 in Sobibor
Hans Dreyer, geb. 23.03.1929 in Bielefeld, ermordet 28.05.1943 in Sobibor

Dies soll erst der Anfang sein, aus Bielefeld wurden zum Beispiel mindestens 10 Menschen im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Die Gedenkstätte Sobibor begrüßt jede weitere Initiative für Gedenksteine in der Allee.

Spenden zur Finanzierung dieser und weiterer Gedenksteine und zur Unterstützung der Einrichtung und Gestaltung des Archivraumes bitte auf folgendes Konto, Spendenbescheinigungen können auf Nachfrage ausgestellt werden:

IBZ (Internationales Begegnungszentrum)
Sparkasse Bielefeld
Kontonummer: 7300 56 13
BLZ: 480 501 61
Stichwort: Sobibor

Kontakt:

Initiative gegen Ausgrenzung
c/o IBZ
Teutoburger Straße 106
33602 Bielefeld


- Veranstaltung in Kooperation mit der Initiative gegen Ausgrenzung (Kontakt: Raphaela Kula, Telefon: 0521 / 188 29 74) -


Das Lese- und Antifa-Café ist ab 17 Uhr geöffnet, ab 19 Uhr gibt es vegetarisches Essen zum Selbstkostenpreis.


soli@alte-pauline.de

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