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Mindener Tageblatt , 31.10.2005 :

Darüber stolpern heißt auch darauf stoßen / Erinnerung an Nazi-Opfer: Künstler Gunter Demnig setzt am 21. November Stolpersteine in Mindener Gehwege ein

Minden (mt). Sie waren engagierte Sozialdemokraten und Juden polnischer Herkunft: Samuel und Helene Kirschroth, die in Minden ein Schuh- und Konfektionsgeschäft betrieben, als die Nationalsozialisten sie und ihre Kinder am 28. Oktober 1938 in ein Internierungslager nach Polen deportierten. Ihre Spur im Lager verlor sich. Sie sind verschollen.

Von Hans-Jürgen Amtage

Ab dem 21. November werden "Stolpersteine" vor dem Haus Simeonstraße 8 an die jüdische Familie Samuel, Helene, Herbert und Charlotte Kirschroth erinnern. Zehn mal zehn mal zehn Zentimeter große Betonsteine mit Messingplatten versehen, in denen mit Schlagbuchstaben in nur wenigen Worten auf die Gräueltaten der Nationalsozialisten aufmerksam gemacht wird: "Hier wohnte ... ". Ergänzt durch Deportations- und Ermordungsdaten in den verschiedenen Konzentrationslagern spiegeln die Stolpersteine die Schicksale der Menschen wider, die besonders unter dem Nazi-Regime leiden mussten.

Stolpersteine, das ist ein europäisches Kunstprojekt, das die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, Sinti, Roma, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus lebendig halten will und für das sich eine Projektgruppe der Aktionsgemeinschaft Friedenswoche Minden (Friwo) stark macht (das MT berichtete). Der Kölner Künstler Gunter Demnig erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbst gewählten Wohnort die Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig einlässt. Seit 1993 hat er mehr als 5500 Steine in 97 Städten und Gemeinden verlegt. Denn für ihn heißt stolpern auch darauf stoßen. "Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", sagt Demnig. Mit den Steinen vor den Häusern will er die Erinnerung an die Menschen lebendig halten. So auch in Minden.

"Wir sind überwältigt von dem Zuspruch, den wir nach Start unserer Stolperstein-Aktion im Kollegen- und Freundeskreis erfahren haben", sagt Sabine Schulz von der Friwo-Projektgruppe. Viele Paten und Sponsoren hätten sich bereit gefunden, die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, um das Projekt auch in Minden realisieren zu können, unterstreichen auch Hans Langescheid und Otto Flender, die gemeinsam mit rund einem Dutzend anderer Aktiver das Projekt vorbereitet haben. Sie gingen in zahllosen Gesprächen und Archivbesuchen in Detmold und Münster den Schicksalen der Mindener Opfer des Nationalsozialismus nach. Sie bereiteten den Kontakt mit dem Künstler vor, der nun am Montag, 21. November, in die Weserstadt kommen wird, um ab 14 Uhr die ersten acht Stolpersteine in die Gehwege einzubringen. Abends wird er über sein Projekt referieren. Weitere Stolpersteine sollen im kommenden Jahr folgen.

Weg beginnt in der Altstadt

Lange haben die Projektgruppen-Mitglieder diskutiert, welchen Personen zuerst gedacht werden solle. Sie entschieden sich schließlich für den Beginn eines Stolpersteine-Weges in der Altstadt. Für Willi Otte, der in der Brüderstraße 16 wohnte und als geistig Behinderter im Februar 1945 zum Euthanasieopfer wurde. Für Bella und Leopold Werberg, einem jüdischen Ehepaar, das in der Ritterstraße 27 wohnte, 1941 nach Riga deportiert wurde und dort 1943 umkam. Für die Jüdin Dina Heinemann, die in der Ritterstraße 11 groß wurde. Im Juli 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert, einen Monat später dort ermordet. Und für die Familie Kirschroth.


mt@mt-online.de

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