Neues Deutschland ,
27.10.2005 :
Bielefelder Kessel: Streit läuft weiter / Betroffene lassen Polizeimaßnahme prüfen
Von Peter Nowak
Sieben Jahre nach dem so genannten Bielefelder Kessel geht die Aufarbeitung des Falls weiter. Betroffene haben neue juristische Schritte angekündigt.
Nach sieben Jahren beschäftigte sich in dieser Woche das Bielefelder Amtsgericht mit einem Ereignis, dass als "Bielefelder Kessel" in die linke Bewegungsgeschichte eingegangen ist. Am 25. April 1998 hatten Gegner der Autobahnteilstrecke A 33 in der Bielefelder Innenstadt protestiert und waren dabei von der Polizei mehrere Stunden eingekesselt worden.
Bernhard Budnik, Christina Esser und Dieter Rahmann, die damals eingekesselt und festgenommen wurden, kämpfen seit Jahren um eine juristische Aufarbeitung der Ereignisse. Doch auch nach einer Anhörung vor dem Bielefelder Amtsgericht am Dienstag kann nach Meinung der Kläger von Gerechtigkeit keine Rede sein. Die zuständige Richterin habe aus ihrer Meinung keinen Hehl gemacht, sagte Dieter Rahmann gegenüber ND. "Ihre Betroffenheit ist mir egal, ich werde über diesen Fall nicht entscheiden", habe die Richterin den Klägern erklärt. Die haben bereits weitere juristische Schritte angekündigt und wollen nun beim Bielefelder Landgericht die Polizeimaßnahmen überprüfen lassen. Ein Ende des Verfahrens ist also auch nach mehr als 7 Jahren nicht abzusehen.
Bei der Protestaktion im April 1998 handelte es sich um eine damals noch recht neue und inzwischen in vielen Städten praktizierte Aktionsform - Reclaim the Street. Die Teilnehmer tanzten zu lauter Musik auf der Straße und die Polizei machte in der Regel gute Miene zu dem unangemeldeten Spiel. In Bielefeld war das anders: Ein Großaufgebot der Polizei kesselte die etwa 300 Tanzenden ein und hielt sie bis zu zehn Stunden fest. 180 Teilnehmer der Straßenparty wurden später festgenommen.
Betroffene sprachen danach von unwürdiger Behandlung auf der Polizeiwache. "Neben massiver Gewaltandrohung und sexueller Belästigung von mehreren Frauen, wurden Menschen teilweise 15 Stunden ohne Trinkwasser festgehalten, teilweise konnten sie Leitungswasser aus Hundenäpfen trinken", heißt es im Gedächtnisprotokoll einer Festgenommenen.
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