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Lippische Landes-Zeitung , 26.10.2005 :

(Blomberg-Reelkirchen) Serie / Der letzte Weg / Die Fratze des Krieges / August Mönch ist mit 89 Jahren noch einmal seiner Soldatenzeit begegnet

Von Susanne Schwarzer

Blomberg-Reelkirchen. "Nicht jede Kugel und jeder Granatsplitter hat getroffen. Gott hat mich beschützt, und dafür bin ich dankbar." Sätze eines 89-Jährigen, der als Soldat erst den Frankreich- und dann den Russlandfeldzug überlebt hat: August Mönch ist dem Tod oft von der Schippe gesprungen. Sein brennendster Wunsch: "Ich möchte das alles auch einmal im Frieden sehen." Diesen Wunsch hat sich der Reelkirchener jetzt auf seine alten Tage noch erfüllt.

Wie oft hat er die Frage gehört: "Warum um alles in der Welt willst Du Dir das antun? Das ist doch alles längst vorbei." Verwandte und Freunde haben wenig Verständnis dafür, dass jemand sich einer solchen Vergangenheit stellen will. Doch der Gedanke hat Mönch nicht losgelassen: "In dieses Land, in diese unendliche Weite möchte ich noch einmal zurück. Obwohl ich hier die besten Jahre meines Lebens als Soldat verbringen musste, in Schlamm, Kälte, Schnee und großer Hitze", schreibt August Mönch im Juni in sein Reisetagebuch. Er hat eine Busreise gebucht, insgesamt legt er über 6000 Kilometer zurück, genau durch das Gebiet, durch das er als Soldat im Zweiten Weltkrieg gezogen ist. Das Wort Tod taucht in seinem Reisebericht nicht ein einziges Mal auf. Und doch ist er ihm immer wieder begegnet vor 60 Jahren. Dem Tod und der Angst: "Weglaufen ging nicht, wir waren ja Soldaten. So ist das im Krieg."

Erst auf Nachfrage kommt im Gespräch mit der Lippischen Landes-Zeitung das Grauen zögernd wieder an die Oberfläche. Zum Beispiel ein Fronterlebnis zu Beginn der Russlandoffensive, das für seine Einheit in einem Desaster endete: "Die russischen Infanteristen hatten sich eingegraben, und wir haben einen Durchstoß versucht. Wir waren 30 Mann. Nur drei haben überlebt." August Mönch muss einen guten Schutzengel gehabt haben. Zu einer Totenmesse blieb keine Zeit: "Wir hatten ja ohnehin keinen Pfarrer dabei." Eine schnelle Erdbestattung musste reichen. Im russischen Winter ging wenige Monate später selbst das nicht mehr: "Der Boden war ja gefroren."

Die 27 gefallenen Kameraden waren nur der grauenvolle Anfang: "Wir lagen im Winter auf einem Flugplatz in Rischew, und die toten deutschen Soldaten waren in einer Flugzeughalle abgelegt. Da war es so kalt, dass sie so gefroren waren, wie sie fielen: Die Arme hochgerissen, der eine winkte noch ... " Hunderte von Toten hat August Mönch auf diesem Feldzug gesehen: "Ich habe immer nachgeguckt, ob ich jemanden erkenne." Hier ein Kamerad, mit dem er zwei Tage zuvor noch im selben Etagenbett gelegen hatte, dort einer aus Lippe - der Tod war allgegenwärtig: "So ist der Krieg."

Hat er selbst jemanden umgebracht? - "Ich weiß es nicht, das sehen Sie ja nicht. Sie halten einfach mit dem Maschinengewehr drauf."

Was August Mönch nicht mehr über die Lippen bringt, erzählt das abgegriffene Fotoalbum mit den verblichenen Schwarz-Weiß-Fotografien: Ein zerfetzter Leichnam liegt vor einer Hauswand - "Das war noch in Frankreich", so sein knapper Kommentar. Ein paar Bilder von Soldatengräbern, schnell zusammengezimmerte Kreuze aus Birkenholz, darauf der Stahlhelm. "In Russland stehen nur Birken und Lärchen. Irgendwo lag immer was herum, was man für ein Grabkreuz verwenden konnte."

Zwei Jahre lang bekommt er überhaupt keinen Heimaturlaub von der russischen Front, dann hat er 1942 wenigstens soviel Zeit, daheim zu heiraten. Und muss zurück aufs russische Schlachtfeld, ungewiss, ob er seine junge Frau jemals wiedersehen wird. - Er wird: Im Frühling 1945 kommt er endlich zurück nach Deutschland - und wird gleich wieder losgejagt, Richtung Weser. Er desertiert mit vier Kameraden und riskiert, zum Schluss doch noch standrechtlich erschossen zu werden. "Ich wollte weg, ich hatte genug." Das Glück beibt ihm treu, jemand schenkt ihm Zivilkleidung, er schafft es, sich nach Hause durchzuschlagen.

Träumt er manchmal vom Krieg? - "Nein", sagt der Witwer, "nie." Beim Wiedersehen mit Russland hat sich der Kreis für ihn geschlossen: "Nun sind 60 Jahre Frieden, und ich bin gesund zurückgekehrt. Und ich durfte mit 89 Jahren noch einmal alles wiedersehen."

Nachdem er all das überlebt hat, wie steht August Mönch zu seinem eigenen Tod? - Die Antwort ist ebenso schlicht wie klar: "Ich habe keine Angst davor."


Blomberg@lz-online.de

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