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Wir zahlen nix! , 20.10.2005 :

(Bielefeld) Gegen Studiengebühren und Sozialabbau!

Einige von euch werden es vielleicht schon bemerkt haben: Es gibt bereits Studiengebühren, und nun drohen weitere ... unabhängig von der Farbschattierung einer Regierung im übrigen. Welche Pläne seitens der momentanen Landesregierung für NRW im Raum stehen, wird an anderer Stelle hinreichend diskutiert.

Diese Pläne können nicht isoliert betrachtet werden, sie müssen im Kontext von Sozialabbau und allgemeiner Vermarktwirtschaftlichung gesehen werden. Immer mehr Leistungen und Einrichtungen, die mal ganz selbstverständlich allen Menschen zur Verfügung standen, bleiben mittlerweile den Zahlungsfähigen unter uns vorbehalten.

Weiter gehen!

Die meisten von uns sind aufgeschreckt, viele betroffen, einige haben angefangen zu protestieren: Wir, die Studierenden, gegen Studiengebühren ... Doch wer sind "wir" eigentlich? Wir sind an dem Punkt gemeinsam Betroffene von Sozialkürzungen, welche ständig und in vielen anderen Bereichen stattfinden. Studiengebühren sind nur möglich in einer Gesellschaft, die den sozialen Bereich immer weiter beschneidet und Grundrechte, wie hier das Recht auf Bildung, einschränkt und abschafft. Weiterreichende Studiengebühren sind nur denkbar in einer Gesellschaft, die diesen Weg immer weitergeht.

Logisch, dass sich das "wir" somit nicht nur auf die Studierenden beschränken kann. Wir, das sind alle Menschen, die hier leben: Menschen, denen schon jetzt der Zugang zur Bildung vollständig verwehrt bleibt. Menschen, denen in Zukunft der Zugang zur Bildung verwehrt sein wird. Und die Menschen, denen noch grundlegendere Rechte verwehrt werden!

Im Umkehrschluß heißt das, dass wir weitergehende Forderungen aufstellen müssen, wenn wir die bereits jetzt traurigen Überreste des Rechts auf Bildung auf Dauer bewahren wollen. Forderungen nach einem wirklich freien Zugang zu Bildung, nach Existenzsicherung für alle Menschen, die hier leben (z.B. Arbeitslose) oder leben wollen (MigrantInnen!), nach der Einrichtung und Einhaltung von Grund- und Menschenrechten.

Solidarität!

Die Verschärfungen in der Bildungspolitik sind nur ein Puzzlestück einer Gesamtentwicklung der Verschärfung von staatlicher und sozialer Repression, Sozialabbau, Abschottungs- und Ausgrenzungspolitik, Ausbau von Überwachungsstaat und "innerer Sicherheit". Die Frage nach Demokratie und der Schaffung von sozialer Gerechtigkeit, nach einer menschlicheren Welt, wird dabei nicht gestellt. Die Studierenden sind nicht die am stärksten betroffene Gruppe, sie sind im Gegenteil die noch eher privilegierten. Andere Bevölkerungsgruppen wie MigrantInnen und Flüchtlinge, SozialhilfeempfängerInnen und Arbeitslose, Obdachlose, Alleinerziehende, alte Menschen, Behinderte und alle, die nicht so funktionieren (wollen), wie es erwartet wird, sind weitaus deutlicher von dieser Gesamtentwicklung betroffen.

Für ein selbstbestimmtes Leben und Lernen!

Studiengebühren jeglicher Art sind unsozial und ausgrenzend. Sie führen zu weiterer sozialer Selektion, Elitenbildung und Entdemokratisierung. Nicht zuletzt verhindern sie kritisches Engagement: wer durch finanziellen Druck gezwungen wird, ein "effizientes" Schmalspurstudium in kürzester Zeit zu absolvieren, wird sich soziales und (hochschul-)politisches Engagement nicht mehr leisten können. Menschen dürfen nicht zu Ware gemacht werden und Bildung nicht zum Investitionsgut, für das mensch bezahlen muss, um sich anschließend auf dem freien Markt besser verkaufen zu können!

Studiengebühren und das Ende des gesellschaftlichen Rechts auf Bildung

Studiengebühren dienen vor allem dem marktgerechten Umbau des Bildungssystems. Bildung war und ist in einem kapitalistischen System schon immer eine Ware. Das Bildungssystem ist darauf ausgelegt, die menschliche Ware Arbeitskraft verwertbar zu machen. Der Prozess der neoliberalen Umstrukturierung der Hochschulen - Privatisierung von Bildung, Verschärfung des Konkurrenzprinzips und eben Studiengebühren - zielt darauf ab, Bildung vollständig den Marktgesetzen zu unterwerfen. Abkommen wie das GATS der Welthandelsorganisation WTO zielen auf eine umfassende Privatisierung und damit kapital-freundliche Umgestaltung von Dienstleistungen in allen gesellschaftlichen Bereichen (z.B. Wasserversorgung, Gesundheitswesen, Bildung).

Die Diktatur der Angepassten ...

Studiengebühren sind das zentrale Instrument zur endgültigen Durchsetzung marktförmiger Strukturen im Bildungssystem. Bildung wird im globalisierten Kapitalismus vom gesellschaftlich verankerten Grundrecht zur Dienstleistung, für die jedeR einzelne "im eigenen Interesse" teuer investieren muss, sofern sie/er es sich leisten kann ... Wer sich dem steigenden Zeit- und Leistungsdruck nicht beugen kann/will oder vom akademischen oder beruflichen Mainstream abweicht, wird mit höheren Sanktionen bestraft und damit letzlich vom Bildungssystem ausgeschlossen. Politisches Engagement an den Hochschulen soll durch den Zwang zur persönlichen Karriereplanung erschwert werden. So produziert die markt-konforme Hochschule ihre konformistische Studierendenschaft!

Die Elite bildet ihre Elite bildet ihre Elite

Kapitalistische Vergesellschaftung erzeugt notwendig soziale Ungleichheit. Kinder aus sozial nicht-privilegierten Klassen haben schon längst nicht die gleichen Chancen im Bildungssystem. Der Anteil von ArbeiterInnenkindern unter den Studierenden ist weiterhin äußerst gering, gleichzeitig stellt ein Hochschulabschluss die Grundlage für sozialen Aufstieg dar. Durch Privatisierungen, Einführung von Studiengebühren und Abschaffung von Gesamthochschulen verschärft sich der selektive Charakter des Bildungssystems. Von Chancengleichheit ist immer weniger die Rede. Das Bildungssystem soll endgültig dazu werden, was es im Kapitalismus immer auch war: Ein Instrument der Förderung gesellschaftlicher Eliten. Die ökonomisch vermittelte Herrschaft von einigen über viele wird durch den Ausschluss von immer mehr Menschen von qualitativ hochwertiger Bildung gefördert.

"Wer nicht arbeitet, soll nicht essen!"

Ob so genannte "LangzeitstudentInnen" oder Arbeitslose - der staatliche Umgang mit jenen, die ihre Arbeitskraft nicht profitabel einsetzen können (oder wollen), zeigt die hässliche Fratze des neoliberalen Sozialstaates: Wer einmal erfolgreich als Faulenzer oder "Sozialschmarotzer" stigmatisiert wird, wird von sozialen Leistungen ausgeschlossen. Horrende Strafgebühren für "Langzeitstudis", Arbeitszwang und Leistungskürzungen für Arbeitslose und Sozialhilfempfänger-Innen sind die repressive Kehrseite der "individuellen Freiheit" im Kapitalismus. Um den sozialen Druck auf alle zu erhöhen, soll es allen "Überflüssigen" und VerliererInnen des Konkurrenzkampfes schlecht gehen. Mit der sozialen Drohkeule gegen Studierende dreht sich diese Spirale munter weiter: Studiengebühren führen zur massiven Verschlechterung der Lebensbedingungen von Studis, die dazu gezwungen werden, mehr zu arbeiten, geringere Bezahlung und prekäre Arbeitsverhältnisse in Kauf zu nehmen. Kapital-freundliche Umgestaltung des Bildungssystems, Sozialabbau und soziale Disziplinierung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen wie MigrantInnen und Sozialhilfe-empfängerInnen sind verschiedene Seiten des gleichen Problems.

Sand im Getriebe

Dem zunehmenden Abbau des Sozialstaats, dem neoliberalen Umbau des Bildungssystems und der mit der Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten verbundenen sozialen Repression und Kontrolle im globalen Kapitalismus, kann nur mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung und entsprechend konsequenten Aktionsformen begegnet werden. Die zu erwartende Freiheit der einzelnen Hochschulen bei der Ausgestaltung kommender Studiengebühren bietet dazu erheblichen Spielraum - global und vor Ort.

Streik und Widerstand gegen Studiengebühren und neoliberalen Bildungsklau!
Gleiche Rechte für alle Menschen! Weg mit allen Sondergesetzen gegen Nicht-Deutsche!
Für eine freie und emanzipatorische Gesellschaft! Her mit dem schönen Leben für alle!


wirzahlennix@gmx.de

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