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Der Patriot - Lippstädter Zeitung , 19.10.2005 :

Kahlschlag: Fichten für England / Vor 60 Jahren begannen auch im Rüthener Forst die Reparationshiebe / Kriegsgefangene als Waldarbeiter

Rüthen. Es war reine Knochenarbeit, als vor 60 Jahren Kriegsgefangene in den heimischen Wäldern als Waldarbeiter eingesetzt wurden. Der Zweite Weltkrieg war gerade zuende gegangen, als sich die Frage nach den Reparationen stellte. "Fichten für England" lautete im nördlichen Sauerland die Devise. Ihr fielen etliche Hektar Wald zum Opfer. Während besonders im nahe gelegenen Stiftswald Büren massenweise Fichten gerodet wurden, ließen auch im Bereich der damaligen Gemeinden Meiste und Kallenhardt die britischen Soldaten die Sägen ansetzen.
56 Hektar südlich von Kallenhardt

Fährt man heute mit dem Auto auf der Provinzialstraße (L 776) an Kallenhardt vorbei in Richtung Nuttlar, führt nach einer langen Rechtskurve der Weg beständig bergauf. Kurz vor der Kreisgrenze taucht auf der linken Seite der "Lange Berg" auf. Hier fielen unmittelbar nach Kriegsende 56 Hektar Fichtenwald dem so genannten Reparationshieb zum Opfer, erinnert sich Helmut Reinecke, der von 1947 bis 1992 dort als Revierförster tätig war. Die Straße war es, die schon damals existierte und die die Besatzer an diesen entlegenen Platz lockte. Überwiegend in den Jahren 1946/47 wurden dort die Fichten geschlagen. "Dabei haben wir mit allen Raffinessen gearbeitet", blickt Reinecke zurück: Möglichst Waldstücke "mit hundsmiserablen Wegen" wurden den Briten gezeigt - in der Hoffnung, dass diese vor den Transportproblemen zurück schreckten. Zwar standen für den Abtransport Militär-Lkw zur Verfügung, doch der Weg vom Einschlag- zum Verladeplatz wurde
meist mit Pferdegespannen bewältigt. Diese mussten von Bauern zur Verfügung gestellt werden.

Bei den Arbeitern handelt es sich möglicherweise um Soldaten, die unter britischer Bewachung bei Hirschberg untergebracht waren, erinnert sich Heinrich Gerwiner aus Kallenhardt.

Wehrmachtssoldaten aus dem Baltikum

Die im benachbarten Bürener Stiftsforst eingesetzten rund 150 Arbeiter waren internierte Kriegsgefangene aus Estland, Lettland und Litauen, die alle ehemalige Wehrmachtsangehörige waren, stellt Reinhard Schulte in seiner 1990 vorgelegten Diplomarbeit "Reparationshieb im staatlichen Forstamt Büren" fest.

Einen Reparationshieb gab es auch bei Meiste: Fichtenholz erster Qualität wurde am Stötenberg direkt an der Möhnestraße zwischen Rüthen und Heidberg geschlagen. Auch hier gaben die nahe gelegenen Verkehrswege offenbar den Ausschlag: Durch das Möhnetal führte die Gleisverbindung von Brilon nach Rüthen. Unbekannt ist, wie groß die Fläche war, die der Säge zum Opfer fiel. Interessant: Heimatforscher Franz-Josef Henke weiß zu berichten, dass hier nicht wie anderswo üblich ausschließlich auf Gemeindewald zugegriffen wurde. Etwa eineinhalb bis zwei Hektar der Fläche gehören ihm.

Die gerodeten Flächen aufzuforsten war die in der damaligen Zeit nur schwierig zu lösende Aufgabe: Der Borkenkäfer nistete sich im Abraum ein und Rotwild machte sich über die jungen Pflanzen her. Letzteres lag am absoluten Waffenverbot: Die heimischen Förster durften erst wieder 1948 Gewehre haben.

Kaum Pflanzen für die Aufforstung

"Es gab kaum Pflanzen, wir haben alles durch Saaten hochbekommen", blickt Reinecke zurück. Durch Dörren der Zapfen wurden die Samen gewonnen. Es entstanden Mischbestände mit Lärchen, Kiefern und Fichten. Manche Kiefernsamen stammten indes aus dem Flachland und brachten Probleme mit sich: Die Bäume hatten weitere Kronen, die unter der Last von Schnee brachen.

Noch heute lassen sich anhand der Altersverteilung die Schwerpunkte der Aufforstungen nach den beiden Weltkriegen erkennen, weiß Forstdirektor Hubert Schümmer. Den einstigen Reparationskahlschlägen folgen nunmehr Bestände, die jetzt, 60 Jahre nach Kriegsende, nach und nach reif sind für die Ernte.


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