Die Glocke ,
13.10.2005 :
(Neuenkirchen) Heinrich Ridders Kriegs-Erinnerungen / Gefährlicher Alltag an der Front: "Eigentlich habe ich nichts erlebt"
Rietberg-Neuenkirchen (juk). Wenn Heinrich Ridder aus Druffel über seine Erlebnisse an der Front im Zweiten Weltkrieg berichtet, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als gespannt jedem einzelnen Wort zu lauschen. Auch wenn er seine Erlebnisse selber als "langweilig" bezeichnet ("Eigentlich habe ich nichts erlebt"), wird doch die Grausamkeit des Kriegs sehr schnell deutlich. Am Dienstagabend referierte er auf Einladung der Kolpingsfamilie Neuenkirchen über seine Kriegserlebnisse ab Winter 1943.
Hubert Dreisewerd und Ludger Kuper von der Kolpingsfamilie freuten sich sehr über die Zusage des gefragten Referenten aus dem Nachbardorf. Ihr Ziel war es, einen Zeitzeugen für den Vortragsabend zu gewinnen, der seine ganz persönlichen Eindrücke von der Front schildert. "Es soll weit über das hinausgehen, was in den Geschichtsbüchern steht", sagte Hubert Dreisewerd im Gespräch mit der "Glocke".
Heinrich Ridder absolvierte als 18-Jähriger die Mittlere Reife. Genau acht Tage nach seiner Schulentlassung kam der Einberufungsbescheid. "Ich wurde nach Lüttich (Belgien) geschickt. Dort begann ein strammes Ausbildungsprogramm." Neben dem Umgang mit Waffen lernte er auch das Funken. Im Oktober 1943 durfte er für zwei Tage nach Hause um sich von der Familie zu verabschieden. Dann begann die beschwerliche Fahrt nach Russland: "Wir saßen mit 30 Soldaten in einem Waggon. Die Lok schob einen mit Steinen gefüllten Wagen vor sich her. Wenn eine Mine auf der Strecke gelegen hätte, wäre der Steinwagen hochgegangen, nicht die Lok." 200 Kilometer südwestlich von Moskau endete die Fahrt. "Wir waren an der Front angekommen", berichtet Heinrich Ridder, "doch eigentlich habe ich da nichts erlebt."
Nachdem ein Bunker gegraben wurde, begann der Alltag für die Soldaten: Ein Leben in unmittelbarer Nähe zum Feind. "Nachts hielten zwei Soldaten Wache. Siebeneinhalb Stunden lang, das Maschinengewehr immer geladen. Wir hatten Angst, dass es nicht so ruhig bleiben würde. Einen wärmespendenden Ofen durften wir nicht anzünden, das Licht hätte uns verraten. Jeden Moment konnten Feinde auftauchen, ein Knacken im Unterholz ließ uns aufschrecken."
Eines Tages geschah ein Unglück: Ridder war mit Kameraden auf Erkundungstour. Es war mittlerweile Januar, das Land mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. "Jeder trat in die Fußspuren des Vordermanns. So konnten die Feinde nicht erkennen, wie viele Leute wir waren und die nachfolgenden Kameraden wussten, dass der Weg sicher war." Das System hatte aber seine Schwächen: "Als ich meinen Fuß in eine bestehende Spur setzte, ging eine Handgranate hoch. Ich hatte das Loch erweitert, so dass die Granate, die im Schnee lag, auslöste", erinnert sich Ridder.
"Am 15. Januar 1943 begann ein letzter Entlastungsangriff für Stalingrad. Die ganze Kompanie sollte einen russischen Graben aufheben. Die taktischen Instruktionen wurden in den Sand gemalt. Am Abend vorher gab es eine Andacht. Mir wurde anders", berichtete Ridder während des gut besuchten Vortragsabends im Kolpinghaus Neuenkirchen von seinem ersten Kampfeinsatz.
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