Lese- und Antifa-Café in der alten Pauline ,
12.10.2005 :
(Detmold) altes Paulinchen / 12. Oktober 2005 – Nummer 3 / Politisches Info-Blatt des Lese- und Antifa-Cafés des autonomes Kultur- und Kommunikationszentrum alte Pauline / www.alte-pauline.de - www.hiergeblieben.de
altes Paulinchen stellt keine Publikation im Sinne des Pressegesetzes dar. Jeder Mensch der Lust hat, mit einem Artikel zu einer Ausgabe beizutragen, ist herzlich dazu eingeladen. Die jeweiligen Ausgaben werden als kostenloser Rundbrief lediglich an Freundinnen, Freunde und Bekannte verteilt. Das nächste alte Paulinchen erscheint am 09. November 2005.
Inhalt:
- Abschiebungen stoppen! – Hermannsdenkmal symbolisch besetzt
- Veranstaltung in Bielefeld: Neofaschismus in Italien
- Sturmtruppen des Faschismus: Italienische Naziskins terrorisieren Linke
- Hausmitteilungen: Flüchtlingspolitik (in OWL)
- Musikalisches in Kürze: Neonazis und "Vertriebene"
- Veranstaltung in Paderborn: Afghanistan - Eine Politik des Krieges
- Veranstaltung in Detmold: Neonazis und die extreme Rechte in Ostwestfalen-Lippe
- "Keine Macht für niemand": Musik-Dokumentarfilm in der alten Pauline
- Rio Reiser Songrevue mit Roger Trash in der alten Pauline
- NW-Artikel: Abschiebehaftanstalt Büren könnte ab 2007 auch Frauen aufnehmen
- hörsturz moers und torpedo jackson in der alten Pauline
Bündnis gegen Abschiebungen OWL, 03.10.2005:
Hermannsdenkmal von Initiativen besetzt - Bündnis gegen Abschiebungen OWL: "Amerikanische Panzerverbände haben deutlich mehr Geschmack bewiesen!"
Detmold. Unter dem Motto: "Abschiebungen stoppen!" haben am 3. Oktober über 60 Angehörige aus Flüchtlingsinitiativen das Hermannsdenkmal "symbolisch besetzt". Gegen 14 Uhr entrollten sie ein 15 Meter langes Transparent über den Sockel des Denkmals.
Das "Bündnis gegen Abschiebungen OWL", das zu der Aktion aufgerufen hatte, nahm in einem an die zahlreichen BesucherInnen verteilten Flugblatt auf das Datum der "symbolischen Besetzung" Bezug: "Der 3. Oktober - der Tag der Deutschen Einheit - ist zu einem verhängnisvollen Tag für die Menschen ohne deutschen Pass geworden. Sie sind von dieser Einheit ausgeschlossen. Seit Öffnung der innerdeutschen Grenze werden die Außengrenzen für Flüchtlinge abgeschottet", heißt es dort.
Das Asylrecht sei 1993 in der Bundesrepublik "faktisch abgeschafft" worden. Seitdem würden Flüchtlinge immer stärker ausgegrenzt und entrechtet. Die beiden Regierungen unter Kanzler Kohl und Schröder hätten in Europa die Vorreiterrolle bei der Flüchtlingsabwehr und beim Bau der Festung Europa übernommen. Die Konsequenzen seien äußerst inhuman und erschreckend. "So sind beim Versuch, in ein europäisches Land zu flüchten, seit 1993 insgesamt mehr als 5.000 Menschen zu Tode gekommen", erst in der letzten Woche seien fünf afrikanische Flüchtlinge in der spanischen Exklave Melilla gestorben.
Deutliche Worte fand der Sprecher des Bündnisses auch zu der "nationalistisch umgefälschten Geschichte" des Hermannsdenkmals durch einen "rührigen Heimatverein". Wer die "Erinnerung an das blutrünstige Symbol der Vergangenheit" mit "verharmlosenden Geschichtskittungen" wach hielte, trage auch "Verantwortung für das immer mehr um sich greifende rassistische Klima in der Bundesrepublik". Das Bündnis abschließend: "Die im April 1945 anrückenden amerikanischen Panzerverbände haben da deutlich mehr Geschmack bewiesen: Sie benutzten das Denkmal für Schießübungen und hatten es besonders auf das drohend gereckte Schwert abgesehen."
Anlage: Flugblatt "Abschiebungen stoppen!"
Abschiebungen stoppen!
"Deutsche Einigkeit, meine Stärke – meine Stärke, Deutschlands Macht" heißt der in das Schwert gemeißelte Spruch des Hermannsdenkmals. Seit 130 Jahren erinnert es nicht nur an die Vernichtung von drei römischen Legionen durch mehrere germanische Stämme im Jahre 9 n. Chr., sondern symbolisiert auch die angebliche Befreiung des "deutschen Volkes".
Ungeachtet dieser Geschichtsverdrehung organisieren unter dem Motto "2000 Jahre Varusschlacht - Imperium, Konflikt, Mythos" der Kreis Lippe und der Landesverband Lippe zusammen mit dem Kreis Osnabrück und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe das "Jubiläumsprojekt" für das Jahr 2009.
Wir meinen: Die im April 1945 anrückenden amerikanischen Panzerverbände haben da deutlich mehr Geschmack bewiesen: Sie benutzten das Denkmal für Schießübungen und hatten es besonders auf das drohend gereckte Schwert abgesehen.
Der 3. Oktober - der Tag der Deutschen Einheit ist ein Feiertag. Jedoch nicht für alle Menschen! Flüchtlinge und Personen ohne deutschen Pass werden zwar subtil, aber nachhaltig von dieser Einheit ausgeschlossen.
Seit der Öffnung der innerdeutschen Grenze werden die Außengrenzen für Flüchtlinge abgeschottet. Wir haben deshalb heute das Hermannsdenkmal bei Detmold symbolisch besetzt und um 14 Uhr ein 15 Meter langes Transparent über den Sockel des Denkmals mit der Forderung "Abschiebungen stoppen!" entrollt.
Was am Rand der öffentlichen Aufmerksamkeit geschieht:
Das Asylrecht wurde 1993 in der Bundesrepublik faktisch abgeschafft. Seitdem werden Flüchtlinge immer stärker ausgegrenzt und entrechtet. Die beiden Regierungen unter Kanzler Kohl und Schröder haben in Europa die Vorreiterrolle bei der Flüchtlingsabwehr und beim Bau der Festung Europa übernommen. Die Konsequenzen sind äußerst inhuman und erschreckend. So sind beim Versuch, in ein europäisches Land zu flüchten, seit 1993 insgesamt mehr als 5.000 Menschen zu Tode gekommen, erst in der letzten Woche starben fünf afrikanische Flüchtlinge in der spanischen Exklave Melilla.
Für den Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2004 sind folgende Zahlen dokumentiert(Quelle: "Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen"; Antirassistische Initiative Berlin, Februar 2005):
In diesem Zeitraum starben mindestens 161 Menschen auf dem Wege in die Bundesrepublik Deutschland oder an den Grenzen. Allein 121 Personen starben an den deutschen Ost-Grenzen. 421 Flüchtlinge erlitten beim Grenzübertritt zum Teil erhebliche Verletzungen, davon 259 an den deutschen Ost-Grenzen. Von den 102 Flüchtlingen, die in den Jahren von 1997 bis 2001 beim Grenzübertritt in die BRD durch Maßnahmen der Bundesgrenzschutzbeamten verletzt wurden, geschah das bei 83 Personen durch Bisse von Zoll- und Diensthunden.
125 Menschen töteten sich selbst angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder starben beim Versuch, vor der Abschiebung zu fliehen. Allein 48 Flüchtlinge starben in Abschiebehaft. Mindestens 575 Flüchtlinge haben sich aus Verzweiflung oder Panik vor der Abschiebung oder aus Protest gegen die drohende Abschiebung (Risiko-Hungerstreiks) selbst verletzt oder versuchten sich umzubringen und überlebten z.T. schwer verletzt. Davon befanden sich 372 Menschen in Abschiebehaft.
Während der Abschiebungen starben 5 Flüchtlinge, 262 Flüchtlinge wurden durch Zwangsmaßnahmen oder Misshandlungen während der Abschiebung verletzt.
Abgeschoben in ihre Herkunftsländer kamen 21 Flüchtlinge zu Tode, mindestens 384 Flüchtlinge wurden im Herkunftsland von Polizei oder Militär misshandelt und gefoltert. Mindestens 59 Menschen verschwanden nach der Abschiebung spurlos.
11 Flüchtlinge starben bei abschiebe-unabhängigen Polizeimaßnamen in der BRD, mindestens 360 wurden verletzt – davon 118 durch Bewachungspersonal in Haft.
Bei Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte und Bränden in Flüchtlingsheimen starben mindestens 67 Menschen; mindestens 700 wurden z.T. erheblich verletzt. Durch rassistische Angriffe auf der Straße starben 12 Flüchtlinge; mindestens 612 Menschen wurden verletzt.
Durch rassistische Übergriffe starben 79 Flüchtlinge, durch staatliche Maßnahmen aber kamen 323 Flüchtlinge ums Leben.
Seit 1993 wurden über 300.000 Menschen in ihre Herkunfts- oder andere Länder abgeschoben. Schon vor Jahren bezeichnete Pro Asyl die Abschiebehaft, die bis zu 18 Monten dauern kann und die Abschiebungen als organisierte Unmenschlichkeit.
Abschiebehaft bedeutet für viele das Warten auf Armut, Folter oder sogar den Tod. Menschen, die kein Verbrechen begangen haben, sitzen hinter Gittern.
Im ostwestfälischen Büren bei Paderborn steht der größte Abschiebeknast Europas. Zur Zeit befinden sich dort etwa 250 Menschen, die nicht etwa eine kriminelle Tat begangen haben, wie in der öffentlichen Meinungen vielmals angenommen wird, sondern weil ihr Asylantrag in Deutschland abgelehnt wurde oder auch nur, weil sie überhaupt einen gestellt haben. Diese Menschen dürfen täglich nur eine Stunde an die frische Luft, was praktisch bedeutet in einem Käfig hinter meterhohen Mauern, bewacht von Wärtern mit scharfen Hunden, ihre Runden zu drehen. In den letzten Jahren fanden von dort über 3.000 Abschiebungen jährlich statt.
2005 wurde der historische Tiefstand der Asylanträge des vorangegangenen Jahres (niedrigster Stand der Zugangszahlen seit 1984) nochmals drastisch unterboten. Gerichte, (Zentrale) Ausländerbehörden, Abschiebehaftanstalten, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der Bundesgrenzschutz verbuchen dies als Erfolg, ungeachtet dessen, dass sie damit ein rassistisches System institutionalisieren und bewusst einer großen Anzahl von Menschen ihre Grundrechte absprechen, anstatt diese zu schützen.
Für Flüchtlinge, die in den nordrhein-westfälischen Regierungsbezirken Detmold, Arnsberg und Münster einen Asylantrag stellen, ist die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) Bielefeld jetzt einzige Anlaufstelle. Im vergangenen Jahr führte die ZAB Bielefeld über 1.400 Abschiebungen durch. Damit spielt die ZAB eine bedeutende Rolle in der Abschiebungspraxis, denn in keinem Landkreis Deutschlands ist die Zahl der Abschiebungen so hoch.
Niedrige Zuwanderungszahlen und tausendfach erfolgte Abschiebungen (2003 waren es 23.944 Abschiebungen auf dem Luftweg) sind für die verantwortlichen Institutionen, wie oben bereits erwähnt, Erfolgsmeldungen. Dies gelingt nur, weil Menschen auf der Flucht zu Feindbildern gemacht werden. In der medialen Öffentlichkeit wird durch rassistische Vorurteile und Panikmache bewusst eine Akzeptanz für diese Art von Politik geschaffen. In solch einer rassistischen Normalität ist es konsequent, Menschen Residenzpflicht aufzuerlegen, sie in Heime zu zwingen, ihnen medizinische Versorgung zu verweigern, ihnen Bargeld vorzuenthalten und Arbeitsaufnahme zu verbieten. Die Flüchtlinge, die dagegen verstoßen, werden kriminalisiert und als angebliche Straftäter abgeschoben.
Wir stellen uns gemeinsam gegen diese Politik, die verantwortlich ist für:
- eine verstärkte Abschiebepolitik,
- die Ausgrenzung von Menschen in entlegene Heime, Abschiebe- und Ausreiselager sowie Abschiebegefängnisse,
- den Entzug und die Nichtverlängerung von Arbeitserlaubnissen und die Erteilung von Arbeitsverboten,
- die Einschränkung von Bewegungsfreiheit (Residenzpflicht),
- Sachleistungen in Form von Gutscheinen mit dem Ziel, Menschen unter Druck zu setzen, sie zu kontrollieren und sie in der Gesellschaft zu diskriminieren,
- die Zermürbung von Menschen in unsicheren Lebensverhältnissen unterhalb der Armutsgrenze auf engstem Raum.
- Schluss mit entwürdigen Lebenszuständen, rassistischen Sondergesetzen und Abschiebungen!
- Bleiberecht für alle – jetzt sofort!
- Kampf um alle Rechte!
Mittwoch, 26. Oktober 2005 um 19.30 Uhr im AJZ Bielefeld, Heeper Straße 132 – Kinosaal:
"Neofaschismus in Italien – Neofaschistischer Squadrismus"
Eine Veranstaltung mit drei italienischen AntifaschistInnen über
- die Serie faschistischer Brand- und Mordanschläge in Italien berichten, welche mit dem Mord an "DAX" 2003 begann und bis heute andauert.
- über die politischen Situation in Italien, in der eine neofaschistische Partei einen Partner der Regierungskoalition stellt.
- über die Situation der antifaschistischen Linken in Italien und die Bedeutung, Struktur und die Inhalte der erstarkenden militanten faschistischen Szene.
Die italienischen AntifaschistInnen werden über die militante Neonaziszene in Italien und die sich in den letzten Jahren häufenden Überfälle auf Linke und AntifaschistInnen sowie über Brandanschläge auf besetze und soziale Zentren berichten. Die eingeladenen AntifaschistInnen werden diese neofaschistischen Überfälle in eine gesamtgesellschaftliche Rechtsentwicklung einordnen.
Wir wollen vor diesem Hintergrund mit unseren italienischen GenossInnen auch über die politische Situation in Italien sowie die Situation der linken und antifaschistischen Szene in Italien reden und darüber, wie sich die Serie faschistischer Anschläge und das Erstarken der militanten faschistischen Szene darauf auswirken.
Der Mord an dem Antifaschisten Davide Cesare, genannt "DAX", im März 2003 war der Auftakt zu einer Serie faschistischer Gewalttaten vor allem in Norditalien, die bis heute andauert. So kam es neben mehreren Brandanschlägen auf linke und soziale Zentren auch immer wieder zu gezielten, organisierten Überfällen und Mordanschlägen auf AntifaschistInnen, bei denen nur durch Glück kein weiterer Mensch getötet wurde. Die Polizei entpolitisiert diese Gewalttaten, indem sie verharmlosend von "Jungendbandenauseinandersetzungen" spricht, und ignoriert dabei die faschistischen Hintergründe, die durch Parolen und Sprayereien an den Tatorten eindeutig belegbar sind.
Der Begriff "Squadrismus" leitet sich von Squadre ab, der Bezeichnung der faschistischen Schlägertrupps der 20er Jahre in Italien. Diese faschistischen Stoßtrupps ebneten mit ihrem Terror gegen die Arbeiterbewegung und jeden antifaschistischen Widerstand Mussolini und seinem faschistischen Regime den Weg.
Zwar gibt es sicher Unterschiede zwischen heute und der Situation vor über 80 Jahren, so handeln die Schlägertrupps heute auf eigene Rechnung und nicht, wie damals im direkten Auftrag der Herrschenden. Auch sind die Waffen, mit denen die Faschisten heute ausgestattet sind, mit denen von damals nicht zu vergleichen. Die Faschisten der 20er Jahre waren mit Maschinengewehren und teilweise sogar mit Feldgeschützen ausgerüstet, heute verwenden sie "nur" Messer und Brandsätze. Dennoch gibt es viele Parallelen zu den 20er Jahren. Auch heute sind die Faschisten in Schlägertrupps organisiert und gehen gezielt gegen jeden antifaschistischen Widerstand vor. Dabei suchen sie sich ihre Opfer immer expliziter aus. Auch bei dieser Auswahl der Ziele faschistischer Gewalt lässt sich eine Kontinuität zur Geschichte feststellen. So gehören, neben aktiven Antifaschisten und sozialen bzw. besetzten Zentren, auch Mahnmale für die Opfer deutscher Kriegsverbrechen oder Denkmäler für die KämpferInnen der Resistenza zu den bevorzugten Anschlagszielen der Faschisten.
Durch diese Parallelen zur Geschichte, der gleichzeitigen, massiven Hetze der italienischen Regierung gegen alle linken und antifaschistischen Strukturen bis hin zu den Gewerkschaften und der Bagatellisierung und Entpolitisierung der faschistischen Gewalt durch die Polizei und Justiz ist die Verwendung des Begriffs Squadrismus und der damit hergestellte Bezug auf die Geschichte gerechtfertigt.
Zu den eingeladenen GenossInnen:
Die beiden GenossInnen und der Genosse aus Mailand, die wir eingeladen haben sind seit langen Jahren nicht nur antifaschistisch aktiv. Sie sind in Sozialzentren wie dem Leoncavallo, dem BULK und Pergola aktiv, bei den Organisierungen zu Mayday-Paraden dabei, sind Mitglieder bei Indymedia Italia und Genova Legal Forum. Sie haben bei der Organisierung der Mondiale Antirazzisti in Montecchio mitgearbeitet. Zum Teil waren sie wichtige AktivistInnen der Tutte Bianci. Zudem können sie einen Einblick in die in Italien stark von Neonazis durchsetzte Ultra-Fußball-Szene geben.
Hintergrundinformationen zu der Veranstaltung und zur aktuellen Situation in Italien unter:
http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/owl/
Sturmtruppen des Faschismus
Italienische Naziskins terrorisieren Linke
Vor zwei Jahren, am 16. März 2003, wurde Davide Cesare in Mailand von Faschisten ermordet. Davide, genannt Dax, wurde nur 26 Jahre alt. Er war Mitglied von Rifondazione Comunista (RC) und Aktivist im Sozialzentrum Orso, einem bekannten Stützpunkt des militanten Antifaschismus. (1) Der Mord war der Auftakt einer bis heute andauernden Serie faschistischer Gewalttaten gegen Linke, bei der es nur dank glücklicher Umstände keine weiteren Toten gab.
Die Behauptung der Mörder, sie hätten in Notwehr gehandelt, wurde vor Gericht eindeutig widerlegt. Davide Cesares Tod war vielmehr eine "äußerst brutale Hinrichtung", so die Tageszeitung La Repubblica (21.03.2003). Als Dax und zwei Gefährten, Alex und Antonino, am Abend des 16. März 2003 aus einer von Linken frequentierten Bar in der Via Brioschi traten, wurden sie sofort von drei Skins in schwarzen Bomberjacken mit Messern angegriffen. Die Täter, Giorgio Morbi und seine Söhne Federico und Mattia, gehören keiner Organisation an, sie sind aber offensichtlich überzeugte Nazis: In ihrer Wohnung fanden sich NS-Devotionalien und eine Mussolini-Büste, ihr Hund hört auf den Namen Rommel. (2) Dreizehn Mal stach Federico Morbi auf Dax ein, verletzte ihn am Hals und am Bauch; als sein Opfer schon am Boden lag, versetzte er ihm noch sechs Stiche in den Rücken - ganz offensichtlich in der Absicht, ihn zu töten.
Derweil verwundeten der Vater und der Bruder Dax' Begleiter ebenfalls mit Messerstichen; Alex wurde an der Lunge verletzt. Das Mailänder Strafgericht verurteilte Federico Morbi im Mai 2004 zu 16 Jahren und acht Monaten, seinen Vater zu drei Jahren und vier Monaten Haft; der minderjährige Mattia erhielt drei Jahre, musste aber nicht ins Gefängnis.
Trotz seiner schweren Verletzungen hätte Dax möglicherweise gerettet werden können. Aber die sofort gerufenen Ambulanzen wurden von der Polizei zunächst nicht durchgelassen. Nach Augenzeugenberichten, die auch von den Filmaufnahmen eines Anwohners bestätigt werden, hat die Polizei die Rettung der Schwerverletzten absichtlich behindert. Als Dax ins Krankenhaus San Paolo eingeliefert wurde, war er bereits verblutet. Leute aus dem Sozialzentrum, die im Krankenhaus etwas über den Zustand ihrer Genossen erfahren wollten, wurden von der Polizei verprügelt. Über den brutalen Polizeieinsatz in der Notfallstation schreibt das antifaschistische Ermittlungskomitee in einer Dokumentation: "Blut auf dem Boden, Verletzungen im Gesicht und am Kopf, ausgeschlagene Zähne und gebrochene Nasen, gebrochene Arme und Handgelenke, ( ... ) Verletzte in Handschellen, deren Wunden genäht wurden, sexuelle Belästigungen, Prügel mit Baseballschlägern. Das ist die erschreckende Kontinuität zwischen dem Mord durch Faschisten und dem Polizeieinsatz, begleitet von Rufen wie 'Scheiß-Kommunisten', 'Zecken' und 'einer weniger, wie Carlo' ... "; gemeint war Carlo Giuliani, der Tote von Genua.
Die kommunistische Tageszeitung Liberazione sah in Dax auch ein erstes Opfer des Irak-Krieges - einen Tag vor seinem Tod erlebte Europa die großen Demonstrationen gegen den kurz bevorstehenden Krieg. Berlusconis Italien gehörte und gehört zur "Koalition der Willigen", die mitregierende neofaschistische Partei Alleanza Nazionale und mehr noch die außerparlamentarische extreme Rechte hetzt gegen die KriegsgegnerInnen: Das "Vaterland" befindet sich im Krieg, und Opposition ist für sie Hochverrat.
Anschläge, Überfälle, Hassparolen
Dass der Hass auf den Pazifismus und der Wille, an der Heimatfront für Ordnung zu sorgen, zu den Motiven der rechten Schläger gehört, ist offensichtlich. Mehr noch: Der Kriegsbeginn veranlasste die extreme Rechte, ihre Angriffe gegen die Linke deutlich auszuweiten. Diesen Zusammenhang sehen auch die Mailänder AntifaschistInnen in ihrem kürzlich veröffentlichten "Report über den Squadrismo der Jahre 2003/2004". (3) Das Wort Squadrismo erinnert an die Aktionen der faschistischen Stoßtrupps (squadre) der 1920er Jahre, die mit ihrem Terror gegen die Arbeiterbewegung Mussolinis faschistischem Regime den Weg ebneten. Sicherlich gibt es bedeutende Unterschiede zwischen der politischen Situation heute und vor über 80 Jahren; insbesondere handeln die faschistischen Schlägertrupps derzeit auf eigenen Rechnung und nicht, wie 1920/21, im direkten Auftrag der Herrschenden.
Dennoch ist der Verweis auf den historischen Faschismus berechtigt. Denn die Faschisten sind heute wie damals in Schlägertrupps organisiert, und sie suchen sich ihre Opfer immer öfter gezielt aus. Der Mailänder Report listet eine Vielzahl faschistischer Gewalttaten und Propagandadelikte auf, darunter Brandanschläge und Überfälle auf Sozialzentren, besetzte Häuser, Büros von Rifondazione Comunista, Linksdemokraten (DS), des Gewerkschaftsbundes CGIL oder der Partisanenvereinigung ANPI; wo es den Stoßtrupps gelingt, in die Räume einzudringen, zerstören sie Möbel und Computer; fast immer hinterlassen die Täter auch ihre politische Botschaft in Form von aufgesprühten Hakenkreuzen und Hassparolen; antisemitische und rassistische Hetze findet sich an den Mauern in vielen Stadtzentren.
Dass die Täter sich als Erben der faschistischen Vergangenheit sehen, wird an der Auswahl weiterer Angriffsziele deutlich: Dazu gehören Mahnmale für die Opfer deutscher Kriegsverbrechen oder Denkmäler für die KämpferInnen der Resistenza. Am 8. September 2003, dem 60. Jahrestag der italienischen Kapitulation, brannte mitten in Rom die Bühne, auf der Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi eine Ansprache halten sollte - zur Erinnerung an den Beginn des Befreiungskampfes gegen den Faschismus und die deutsche Besatzung.
Deutlich zugenommen haben auch die Zahl und die Brutalität tätlicher Angriffe auf gezielt ausgewählte Personen. Dazu gehören MigrantInnen, Punks, Schwule und Lesben, vor allem aber den Rechten verhasste linke AktivistInnen. Etliche Male konnten sich die Angegriffenen nur durch Flucht vor schweren Verletzungen oder Schlimmerem retten.
Im August vergangenen Jahres eskalierten die Angriffe, vor allem in der Lombardei. Am 6. August griffen Nazis das Sozialzentrum COX18 in der Via Conchetta in Mailand an und verletzten sechs Genossen, drei davon so schwer, dass sie stationär behandelt werden mussten. Auch in Bergamo wurden drei Linke von Nazis mit Messern verletzt; in Lucca (Toscana) fügten fünf Nazis einem Linken durch Schläge und Fußtritte fünf Brüche im Gesichtsbereich zu. Hinzu kamen weitere Angriffe auf Mailänder Sozialzentren, darunter ein Brandanschlag.
Nicht nur in diesen Fällen machten die Täter durch Sprechchöre oder Wandparolen deutlich, welche Ziele sie verfolgen; in Asti begleiteten sie ihren Angriff auf einen Aktivisten des Sozialzentrums mit einem brennenden Hakenkreuz. Dennoch werden in den Polizeiberichten gezielte Gewalttaten von Nazis immer wieder als Begleiterscheinungen von Streitigkeiten unter Jugendlichen oder Bandenkriegen dargestellt.
Schon beim Mord an Dax hatte die Polizei gezielt Falschmeldungen verbreitet: Nicht sie, sondern die Linken hätten die Ambulanzen behindert und Sanitäter angegriffen - eine glatte Lüge. Eher als Untertreibung erscheint da die alte Parole "Polizisten schützen die Faschisten" - viele sind selber welche.
Messerattacken nehmen zu
In Teilen der Presse werden die polizeilichen Falschmeldungen oft bereitwillig übernommen, mitunter auch durch eigene Erfindungen übertroffen. So verbreiteten Zeitungen wie Il Giorno und Il Giornale gezielte Hysterie über die antifaschistische Demonstration am 2. Oktober 2004, mit der der Welle faschistischer Gewalt entgegengetreten werden solle. Il Giorno schrieb von einer "Stadt in Angst" - vor den AntifaschistInnen. Das trug mit dazu bei, dass die radikale Linke auf dieser Demo weitgehend unter sich blieb. Wenig mehr als 2.000 Menschen demonstrierten gegen den faschistischen Straßenterror, darunter auch Hardcore-Antiimps, deren tumbe Bekenntnisse zum bewaffneten irakischen "Widerstand" in der medialen Nachbereitung gegen die gesamte Demo ausgeschlachtet wurden. Über die alltägliche faschistische Gewalt finden sich in den Mainstream-Medien allenfalls Kurzmeldungen in den Lokalteilen. Schon deshalb ist die von organisierten AntifaschistInnen geschaffene Gegenöffentlichkeit notwendig und verdienstvoll. Der schon erwähnte Report über den Squadrismo enthält nicht nur viele Fakten, er zeigt auch Verbindungslinien zwischen den Taten des faschistischen Mobs und dem politischen Klima, das solche Taten begünstigt.
"Postfaschisten" als geistige Brandstifter
Neben der vom Regierungslager betriebenen Kriegspropaganda und antilinken Hysterie kommen als drittes Element regelmäßig geschichtspolitische Vorstöße hinzu, die auf eine immer weitergehende Rehabilitierung des historischen Faschismus zielen. Jüngstes Beispiel ist ein von Alleanza Nazionale (AN) eingebrachter und von den übrigen Parteien des regierenden Rechtsblocks unterstützter Gesetzentwurf, der die rechtliche Gleichstellung von Mussolinis Veteranen mit den KämpferInnen der Resistenza zum Ziel hat. Senator Oreste Tofani (AN), von Haus aus Geschichtslehrer, sagte zur Begründung, man wolle den Verteidigern der Sozialrepublik von Salò "ihre Würde als Menschen und Soldaten" wiedergeben - und ihnen für ihren Dienst am Vaterland eine Rente zahlen. Eine dreiste Provokation: schließlich waren die "legitimen Kämpfer" nicht nur an der blutigen Verfolgung der PartisanInnen beteiligt, sie unterstützten auch die deutschen Besatzungstruppen bei der Gefangennahme und Deportation von Jüdinnen und Juden.
Zu allem Überfluss rechtfertigen die angeblich geläuterten "Postfaschisten" ihre parlamentarischen Initiativen als Beitrag zu "nationaler Versöhnung". Dass sie vielmehr die offenen Bewunderer Mussolinis in Hochstimmung versetzen und die bewaffneten Naziskins unter ihnen zu weiteren gewalttätigen Strafexpeditionen gegen die Linke ermutigen, liegt auf der Hand.
Js.
Anmerkungen:
1) Orso bedeutet Bär; der Name ist gleichzeitig die Abkürzung für Officina della Resistenza Sociale ("Werkstatt des sozialen Widerstandes").
2) Der deutsche Feldmarschall Erwin Rommel, bis heute nicht nur von Altnazis als "Wüstenfuchs" verehrt, gab nach der italienischen Kapitulation am 8. September 1943 völkerrechtswidrige Befehle zur Unterdrückung der kriegsmüden italienischen Bevölkerung.
3) zu beziehen über orso@ecn.org
Quelle: ak - analyse und kritik, Nr. 493, 18.03.2005
Jens Renner:
Der neue Marsch auf Rom
Berlusconi und seine Vorläufer
Jens Renner untersucht in seinem Buch die Praktiken der italienischen Rechtsregierung, die Wendungen der Neofaschisten und die Rehabilitierung des historischen Faschismus. Das Gerede von dessen angeblich "guten Seiten" widerlegt er, indem er Ideologie und Politik des Faschismus analysiert und auf das Italien von Berlusconi, Bossi und Fini überträgt.
Hausmitteilungen
Spanien hat damit begonnen, Flüchtlinge aus Ceuta und Mellila in völkerrechtswidriger Weise ohne Asylverfahren nach Marokko abzuschieben. Damit ist Spanien nach Italien der zweite EU-Staat, der das oberste Gebot der Genfer Flüchtlingskonvention, das Nicht-Zurückweisen, faktisch außer Kraft setzt. In Marokko droht den Flüchtlingen die Weiterschiebung in ihre Herkunftsländer, z.T. werden die Flüchtlinge auch von der marokkanischen Regierung nur bis zur nächsten Grenze gefahren und in der Sahara ausgesetzt.
Außerdem wurden einige Flüchtlinge bei dem Versuch, in die Enklaven zu gelangen, erschossen. Auch dieses militärische Vorgehen stellt eine neue Qualität in der Abschottung gegen Flüchtlinge dar.
Dennoch steht das Vorgehen der spanischen Regierung nur in einer langen Reihe von Abschottungsmaßnahmen, die die europäischen Länder in den letzten Jahren getroffen haben. Insbesondere Deutschland hat sich mit immer rigideren Plänen hervorgetan, z.B. Otto Schily mit seinem Vorschlag, die Flüchtlinge in so genannten "Auffanglagern" in Nordafrika zu internieren. Eine direkte Folge der Abschottungspolitik sind auch die immer riskanteren Wege, die die Flüchtlinge nehmen müssen, um Europa zu erreichen. So kam es zwischen 1993 und 2004 zu über 6.300 registrierten Todesfällen an den EU-Außengrenzen, die Dunkelziffer liegt noch um ein Vielfaches höher.
In Europa soll es in Zukunft zwar noch ein Asylrecht auf dem Papier geben, doch es soll niemandem mehr gelingen, es auch in Anspruch zu nehmen
Die Folgen der Abschottungspolitik machen sich jetzt schon überdeutlich bemerkbar: So sank die Zahl der Asylgesuche in Deutschland binnen weniger Jahre um 2/3 auf einen historischen Tiefststand von nicht einmal mehr 30.000 Asylsuchenden pro Jahr. Das ist allerdings nicht darauf zurückzuführen, dass es weltweit weniger Flüchtlinge gäbe, sie schaffen es bloß nicht mehr bis nach Deutschland zu kommen.
Die gelungene symbolische Besetzung des Hermannsdenkmals am 3. Oktober war ein Protest gegen diese menschenverachtende Abschottungspolitik und die öffentlich erhobene Forderung, den Menschen in Not die Fluchtwege zu eröffnen, die sie brauchen. Daran gilt es anzuknüpfen.
Die Situation in Ostwestfalen-Lippe (OWL) spitzt sich nämlich in mehrfacher Hinsicht dramatisch zu:
- Der (Männer-) Abschiebeknast in Büren bereitet sich aktuell darauf vor, nächstes Jahr auch Frauen aufzunehmen, die "Frauenabschiebehaftanstalt" in Neuss wird definitiv 2006 geschlossen. Zur Zeit werden in Büren deshalb ein Hafthaus ausgelagert und "Arbeitsbetriebe" ausgebaut. Darüber hinaus verhandelt das Land NRW seit längerem mit Hessen darüber, weitere (männliche) Gefangene in Büren aufzunehmen, die zur Zeit in der JVA Darmstadt inhaftiert sind.
- Die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) in Bielefeld ist dazu übergegangen, bei Asylfolgeanträgen regelmäßig Abschiebehaft durchzusetzen.
- Die Ausländerbehörde Detmold lässt zunehmend keine "freiwilligen Ausreisen" mehr zu und schiebt direkt ab.
- Sämtliche Ausländerämter in OWL haben die Gangart verschärft und bestreiten zunehmend ihre noch vorhandenen Ermessensspielräume.
- Es muss davon ausgegangen werden, dass aus OWL in diesem Jahr um die 5.000 Abschiebungen durchgeführt wurden beziehungsweise werden.
Und dies alles vor dem Hintergrund der auslaufenden finanziellen Förderung der Flüchtlings-Beratungsstellen in NRW. Die bisherigen Anlaufstellen in OWL sind bereits jetzt am zusammenbrechen, kaum eine der noch besetzten Stellen ist über den Dezember hinaus gesichert. Die notwendigen Kenntnisse und kontinuierlichen Fortbildungen im "Ausländerrecht" sind in diesem Umfang aber "ehrenamtlich" nicht zu leisten, von der notwendigen teuren Infrastruktur gar nicht zu reden. Ohne die wichtige Verfahrensberatung und die Zuarbeit für Rechtsanwältinnen und Anwälte (RAs) wird es für Flüchtlinge künftig noch schwieriger, ihr Bleiberecht zu erstreiten.
Erschwerend kommt dabei hinzu, dass durch die Verschärfungen des "Zuwanderungsgesetzes" die meisten Flüchtlinge die notwendige Arbeit der RAs kaum noch bezahlen können.
Menschen aus verschiedenen Städten und Strukturen in OWL haben sich zusammen gesetzt, um eine (bessere) Vernetzung praktisch und inhaltlich zu diskutieren. Über die Notwendigkeit eines regionalen Netzwerkes herrscht Einigkeit: Dieses soll offen für hier lebende Flüchtlinge und MigrantInnen (mit oder ohne Papiere) und deutsche AktivistInnen auf der Basis gegenseitiger Hilfe und Respekts sein.
Konkrete Vorstellungen und Ideen sollen am Freitag, den 28. Oktober um 16 Uhr in der alten Pauline zur Diskussion gestellt werden. Hierzu sind alle Interessierten eingeladen.
Ab 21 Uhr gibt es in Kooperation der alten Pauline mit dem Antifaschistischen Arbeitskreis Detmold ein Solidaritäts-Konzert Rock gegen Rechts – Bleiberecht für Flüchtlinge! Es spielen die Bands Haut und Knochen (Keule-Punk, Detmold), Twist of Fate (Hardcore, Detmold), Widerkampfständer (Deutsch-Punk, Vlotho) und Satisfaction (Punk/Grunge, Lage).
Alle Bands verzichten auf Gage, der Erlös des Abends geht an Flüchtlinge, die aktuell um ihr Bleiberecht und gegen die drohende Abschiebung kämpfen. Hierüber gibt es unmittelbar vor dem Konzert auch aktuelle Informationen.
Ein aktueller Hinweis:
Protestaktion gegen die Abschiebung von Flüchtlingen aus Spanien und Marokko – Donnerstag, 13. Oktober, 16 Uhr in Osnabrück – Treffpunkt: Hegertor.
Euer Lese- und Antifa-Café
Musikalisches in Kürze
Neonazistisches Geklimper
"Am Vorabend zum 15. Jahrestag der deutschen Teilwiedervereinigung versammelten sich rund 100 volkstreue Deutsche, um gemeinsam einen geselligen Abend mit musikalischer Begleitung der Liedermacher Michael Müller und Annett zu verbringen", vermeldet das neugegründete Nazi-"Informationsportal Weser-Leine".
Zu beneiden sind die 100, welche sich in Ostwestfalen trafen um den beiden zu lauschen, sicher nicht, musikalisch haben diese nur schlechtestes Gitarrenschrum-schrum zu bieten. Bedauern muss mensch sie allerdings auch nicht, haben sie sich doch zusammen gefunden, um sich die dumpfnationalistischen, sexistischen und rassistischen Parolen wie "Ich hab für Deutschland einen Sohn geboren" (Annett) oder "In unsren Lenden steckt der nordische Lebensborn, führe uns zum Sieg" (Michael) anzuhören.
Organisiert wurde das Treffen von der Kameradschaft Weserbergland. Diese hatte sich zwar vor einigen Wochen aus Angst vor einem Verbot für aufgelöst erklärt, ist jedoch im Hintergrund immer noch die stärkste Gruppierung des organisierten Neonazismus.
Knapp 300 Gäste beim "Tag der Heimat" in Bielefeld
Unter dem Motto "Vertreibungen weltweit ächten" traf sich die Kreisvereinigung der ostdeutschen Landsmannschaften, Heimatgruppen und Ortsverbände zum "Tag der Heimat" in der Aula des Gymnasiums am Waldhof. Als Ehrengast war Dr. Wolfgang Thüne, Landesvorsitzender der Landsmannschaft Ostpreußen und des Bundes der Vertriebenen in Rheinland-Pfalz, eingeladen. Brunhilde Wiedemann, 1. Vorsitzende der Bielefelder Kreisvereinigung, kritisierte in ihrer Begrüßungsrede, dass die Menschheit wenig aus den Ereignissen der Vergangenheit gelernt habe: "Es vergeht auch heute kein Tag ohne Vertreibungen."
Knapp 300 Gäste waren in die Aula gekommen, um auch den Worten von Oberbürgermeister Eberhard David zuzuhören. Er betonte, das Thema der Vertreibung habe "nicht an Aktualität verloren. Heimat gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen", erklärte der Oberbürgermeister. Heimat dürfe nicht durch Unrecht verloren gehen. Deshalb seien Tage wie der "Tag der Heimat" sehr wichtig.
Die Festrede hielt Dr. Wolfgang Thüne. Er übte Kritik an den Politikern wie Innenminister Otto Schily. Auf der einen Seite bezeichne der Minister zwar die entschädigungslose Enteignung der deutschen Vertriebenen als rechtswidrig, doch auf der anderen Seite werde mit Deutschlands östlichen Nachbarn nicht über Vermögensfragen verhandelt.
Mit einer Melodienfolge und der Nationalhymne, gespielt von Ulrike Westenfelder (Flügel) und Rolf Westenfelder (Flöte), ließen die Organisatoren den Nachmittag ausklingen. Die beiden Musiker distanzieren sich jedoch im Nachhinein von der Veranstaltung, insbesondere von der Rede von Thüne. "Wir können das Trauma der Vertriebenen verstehen. Auch der persönliche Umgang mit den Organisatoren im Vorfeld der Veranstaltung war in Ordnung", so Westenfelder: "Doch die stark revanchistischen Töne in der Rede Thünes haben uns missfallen."
Diskussionsveranstaltung mit Matin Barak (Afghanistan/Marburg)
Im NATO-Protektorat: Afghanistan - Eine Politik des Krieges -Massenabschiebungen in die Armut und in den Krieg
Dienstag, 25. Oktober 2005, 20 Uhr
Diskussionsveranstaltung mit Matin Baraki(Afghanistan/Marburg), Politikwissenschaftler und Nahost-Experte
Veranstaltungsort:
Kulturwerkstatt
- Cafeteria -
Bahnhofstraße 64
33102 Paderborn
Mehr als drei Jahre nach dem offiziellen Ende des NATO-Krieges kann von Frieden am Hindukusch keine Rede sein. Über die Hälfte der Provinzen Afghanistans - vor allem im Süden und Osten des Landes - werden von den Warlords beherrscht und gelten als Gebiete mit hohem Sicherheitsrisiko. Das Kontingent der Bundeswehr in Afghanistan soll jetzt auf 3.000 Soldaten aufgestockt werden. Im Klartext bedeutet das eine militärische Großoffensive, denn 3.000 Soldaten im Einsatz gegen schwer bewaffnete einheimische Kämpfer ist nichts anderes als Krieg.
Zeitgleich rüsten die deutschen Innenminister zu einer anderen Großoffensive: mehrere Tausend Flüchtlinge sollen nach Afghanistan abgeschoben werden. Die Durchführung der geplanten Massenabschiebungen würde einen Präzedenzfall für Zwangsrückführungen ohne jede Hemmschwelle schaffen: Künftig wäre es möglich, einen Krieg gegen ein Land zu führen und die von dort geflohenen Menschen noch während der Dauer des Krieges wieder zurückzuschieben.
Dr. Matin Baraki wird vor diesem Hintergrund über die Lage in Afghanistan berichten. Er wird über die Politik des Krieges referieren - über die geostrategischen Großmachtinteressen in dieser Region. Und er wird erzählen, welche Erwartungen und Perspektiven die meisten Menschen in Afghanistan haben.
Eine Veranstaltung der Paderborner Initiative gegen den Krieg in Kooperation mit der IPPNW - Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung, Regionalgruppe Paderborn, dem Projektbereich EineWelt an der Universität Paderborn, der Büren-Gruppe Paderborn, dem Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren", dem Flüchtlingsrat Paderborn und dem Linken Forum Paderborn.
www.initiative-gegen-krieg-paderborn.de
Vortrag und Diskussion: Neonazis und die extreme Rechte in Ostwestfalen-Lippe
Mittwoch, den 12. Oktober 2005 um 20.00 Uhr
Veranstaltungsort:
Autonomes Kultur-
und Kommunikationszentrum
alte Pauline
Bielefelder Straße 3
32756 Detmold
Neonazis in OWL
Die neonazistische Szene hat sich in den letzten Jahren gewandelt, neue Organisationsformen und Agitationsmittel wurden gefunden. Während ein Teil der Szene sich inzwischen wieder in Braunhemden hüllt und für die NPD Politik macht, agiert ein anderer in so genannten "Freien Kameradschaften".
Diese kommen ohne Parteibuch und Satzung aus und verfügen über eine hohe soziale Bindungskraft. Sie organisieren Aufmärsche, Wehrsportübungen und Propagandaaktionen. Diese explizit politische Arbeit wird ergänzt durch den sogenannten "Rechts-Rock", Musik mit neonazistischen Texten. Diese Musik politisiert die Freizeit der Kameraden und dient der Rekrutierung neuer Kameraden. So wird ein kulturelles und politisches Umfeld für die neonazistische Szene geschaffen.
Die verschiedenen Teile dieser Szene sind auch in OWL zu finden, teilweise auch in Detmold.
Die extreme Rechte in OWL
Was verbindet den Vertriebenenfunktionär Stephan Grigat mit dem "Neu-Rechtem" Horn Bad Meinberger Burkhard Weeke und den am Überfall auf die alte Pauline (15. September 2001) beteiligten Neonazis Tobias Thomas Budde und Sven Dickmann?
Und was trennt und unterscheidet sie?
Der Vortrag versucht die Gesamtheit der extremen Rechten von der neofaschistischen Skin-Subkultur bis hin zu staatstragenden Organisationen des Revanchismus und der so genannten Braunzone zwischen Neofaschismus und Konservatismus (Studienzentrum Weikersheim usw.) darzustellen. Dazu wird der Komplex in seinen ideologischen und organisatorischen Bestandteilen gegliedert und anhand der jeweiligen Publikationen, Inhalte, Aktionsformen und Personen vorgestellt.
Soweit vorhanden werden die ostwestfälischen Exponenten vorgestellt. Kritisch setzt der Vortrag sich mit der Darstellung des Neofaschismus in den bundesdeutschen Medien auseinander und leitet schließlich aus der differenzierten Schau der einzelnen Spektren ein Analyse des Gefährdungspotentials durch die extreme Rechte ab.
Der Vortrag, der ca. 80 Minuten dauert, wird mittels Bildern die beschriebenen Szenen und ihre Aktivisten darstellen. Anschließend stehen die Referenten für Nachfragen und Diskussion zur Verfügung.
Veranstalterin: Lese- und Antifa-Café in der alten Pauline in Kooperation mit dem Interkulturellen Bildungswerk Friedenshaus (IBF)
Mittwoch, 26. Oktober 2005 um 20.00 Uhr:
"Keine Macht für niemand"
Ton
Steine
Scherben
Musik-Dokumentarfilm im Lese- und Antifa-Café in der alten Pauline.
Samstag, 10. Dezember 2005 um 21 Uhr:
Roger Trash: Rio Reiser Songrevue mit Stefan Hasenburg am Klavier in der alten Pauline.
Neue Westfälische, 12.10.2005 :
Mauer schon doppelt so lang
Abschiebehaftanstalt Büren könnte ab 2007 auch Frauen aufnehmen
Von Maria Tillmann
Büren. Obwohl die Zahl der Abschiebehäftlinge in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Büren seit Jahren mit durchschnittlich 280 weit unterhalb der Kapazität von 500 liegt, wird dort seit Anfang des Jahres in großem Umfang neu gebaut. Ab 2007 könnten in Büren möglicherweise auch weibliche Flüchtlinge untergebracht werden. "Wir befinden uns aber noch in der Prüfungsphase", sagte gestern JVA-Leiter Volker Strohmeyer.
Auf einer zusätzlichen Fläche von 2,5 Hektar entstehen zurzeit zwei neue Gebäude, von denen eines zukünftig den Arbeitsbetrieb der JVA beherbergen wird. "Dieser Schritt war längst überfällig", erläuterte Strohmeyer: "Unsere Arbeitsräume waren eigentlich nicht legal." Jahrelang sei die noch aktuelle Lösung vom Amt für Arbeitssicherheit geduldet worden. "Jetzt war einfach Schluss."
Seit mittlerweile neun Jahren bietet die JVA Abschiebehäftlingen die Möglichkeit, während ihrer Inhaftierung zu arbeiten. Etwa 100 Häftlinge nutzten dieses Angebot regelmäßig, so der JVA-Chef: "Das bringt die Leute von der Hütte. Sie haben was zu tun. Das entspannt die Lage."
Weniger entspannt gestaltete sich jedoch die sicherheitstechnische Lage der Arbeitsräume. Weil die 1996 kurzerhand in einem normalen Gefängnistrakt untergebracht wurden, ohne dass große bauliche Veränderungen vorgenommen wurden, gab es arbeitsrechtliche Probleme: "Wir haben zu wenig Platz. Ständig sind die Fluchtwege verstellt. Die Fenster sind zu klein."
Das soll sich Ende 2006 mit dem Abschluss der Bauarbeiten am neuen JVA-Arbeitsbetrieb ändern. Mit der Fertigstellung eines Gebäudes für die Technik wird schon bis August 2006 gerechnet.
Die neue Gefängnismauer steht bereits. Insgesamt ist der sechs Meter hohe Schutzwall mit 980 Metern nun doppelt so lang wie zuvor. Die Kosten für die gesamten Baumaßnahmen sollen nach Informationen dieser Zeitung bei rund 18 Millionen Euro liegen. Die JVA Büren gilt als das größte deutsche Abschiebegefängnis. Hier werden bisher nur Männer inhaftiert. Anfang des Jahres wurden bereits die männlichen Gefangenen aus Moers nach Büren verlegt. Weibliche Abschiebehäftlinge sind bislang in der Justizvollzugsanstalt Neuss untergebracht.
Mit den durch die Baumaßnahme veränderten Strukturen mag sich Angelika Stilow vom betreuenden Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft" in Büren nicht anfreunden: "Grundsätzlich sind wir gegen alles, was die JVA perfekter macht. Es führt nur zur weiteren Etablierung der Anstalt."
Mit einer Auflösung des Frauengefängnisses in Neuss würde Büren zur einzigen Abschiebehaftanstalt in Nordrhein-Westfalen.
Aktuelle Informationen:
www.gegenAbschiebehaft.de.
www.aha-bueren.de
Samstag, 22.10.2005:
hörsturz moers
torpedo jackson
live in der alten Pauline.
Autonomes Kultur-
und Kommunikationszentrum
alte Pauline
Bielefelder Straße 3
32756 Detmold
Telefon: (05231) 20 101
www.alte-pauline.de
www.hiergeblieben.de
soli@alte-pauline.de
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