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Runder Tisch Flüchtlinge in Lippe , 18.05.1993 :

Warengutschein-Regelung für Flüchtlinge in Lippe

An die
Mitglieder des Kreistages
durch Herrn Landrat Hans Pohl
- Kreishaus -
4930 Detmold

Sehr geehrter Herr Landrat!

Am 12. Mai 1993 hat sich der Runde Tisch in Detmold u.a. auch mit der Wertgutschein-Regelung für Flüchtlinge in Lippe beschäftigt. Vertreter der Kirchen haben über das Gespräch berichtet, das Sie, Mitglieder der Parteien und der Kreisverwaltung mit Vertretern der Kirchen am 14. Dezember 1992 über dieses Thema geführt hatten. Damals wurde seitens des Kreises eine Überprüfung der Wertgutschein-Regelung in Aussicht gestellt.

Im Verlauf des Gespräches hatte sich herausgestellt, dass der Kreis Lippe in dieser Frage einen Entscheidungsspielraum hat. Die Auszahlung von Bargeld an Flüchtlinge - wie es zahlreiche Kommunen in NRW praktizieren - ist rechtlich möglich und für den Kreis nur unwesentlich teurer. Dafür wird der Verwaltungsaufwand erheblich geringer.

Seitdem ist leider nichts geschehen. Solange keine neue bundeseinheitliche Regelung Gesetzeskraft erlangt, sollte nach unserer Überzeugung aber allen Flüchtlingen, für die der Kreis Lippe verantwortlich ist, zum Unterhalt Bargeld ausgezahlt werden. Dazu hat der Kreis Lippe die Entscheidungsfreiheit.

Wir möchten die wichtigsten Gründe, die gegen eine Wertgutschein-Regelung sprechen, noch einmal kurz benennen:

1.
Flüchtlinge, die mit Warengutscheinen einkaufen müssen, werden öffentlich stigmatisiert und diskriminiert. Hinzu kommt, dass ausländerfeindliche Gefühle geweckt werden, wenn es zu Verzögerungen an den Kassen kommt.

2.
Der zusätzliche Verwaltungsaufwand ist nicht zu rechtfertigen.

3.
Die Wertgutschein-Regelung fördert zunehmend kriminelle und ausbeuterische Praktiken. Nach zuverlässigen Informationen sollen Einheimische mit 20 % Abschlag (uns ist sogar von bis zu 40 % berichtet worden) Wertgutscheine tauschen. Wegen des Umfangs lässt sich dies seitens der Behörden nur schwer kontrollieren.

4.
Wertgutscheine haben keine abschreckende Wirkung, die ursprünglich beabsichtigt war; dies zeigt die Entwicklung. Dieser Grund ist aber immer sehr fragwürdig gewesen, da politisch Verfolgte nicht abgeschreckt werden dürfen.

5.
Durch die Praxis der Warengutscheine ist es Flüchtlingen völlig unmöglich, die notwendige rechtsanwaltliche Vertretung im Asylverfahren zu bezahlen; in der Regel erhalten Flüchtlinge nämlich keine Prozesskostenhilfe.

Aus diesen Gründen möchten wir als Teilnehmer/innen des Runden Tisches Sie dringend bitten, dafür zu sorgen, dass die Wertgutschein-Regelung wieder zurück genommen wird.

In Erwartung einer positiven Entscheidung verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen

i.A.: Erhard Mische, Pfarrer

Anlage: Liste der Teilnehmer/innen
Kopie dieses Schreibens an die Stadt Detmold


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