Schaumburger Zeitung ,
07.10.2005 :
Schwarzer Humor gegen Auschwitz und Verfolgung / Neuseeländisch-jüdische Kabarettistin Deb Filler mit Programm in Obernkirchen
Von Cornelia Kurth
Obernkirchen. Ist das vorstellbar: Kabarett vor dem Hintergrund des Holocaust? Scherze über den Alltag im KZ? Schwarzer Humor als Waffe gegen das Entsetzen? In Obernkirchen werden erstmals deutsche Zuschauer die Gelegenheit haben, das Programm der neuseeländisch-jüdischen Kabarettistin Deb Filler zu sehen, deren One-Woman-Show über das Leben und die Verfolgung ihres Vaters hochgelobt und preisgekrönt wurde in Übersee.
Vor ein paar Jahren begleitete die Kabarettistin ihre alte Mutter Ruth auf eine Reise zu den Orten der Familienvergangenheit. Obernkirchen, wo die große Verwandtschaft lebte und ihr Großvater Philipp Adler ein angesehenes Textilgeschäft führte, gehörte unbedingt dazu. Hier begegnete sie dem engagierten Stadtarchivar Rolf-Bernd de Groot, der schon mehrmals mit ihrer Mutter zusammengetroffen war und der die Familiengeschichte von Deb Filler und anderen ehemaligen jüdischen Obernkirchenern wie seine eigene kennt. Schnell entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung. Er sagt: "Ich habe sie gefragt: Deb, willst du hier einen Auftritt wagen?" und sie antwortete: "Ja! Gerade hier!"
Schon bevor die Judenverfolgung durch die Nazis begann, waren jüdische Familien aus Obernkirchen nach Neuseeland ausgewandert. Das war ein Glück für die anderen jüdischen Obernkirchener, die also die benötigten Anlaufadressen auf der anderen Seite der Welt vorweisen konnten. Die meisten konnten irgendwie entkommen und auch Philipp Adler gelang es, einen so genannten "Alien"-Ausweis zu ergattern und rechtzeitig auszuwandern. Das Papier hängt jetzt eingerahmt im Stadtmuseum.
Deb Fillers Mutter Ruth war damals sechs Jahre alt, eine "Holocaust-Überlebende zweiten Grades", wie sie es selbst ausdrückt. Deb Fillers Vater nämlich, der galizische Bäcker Sol Filler, er verlor alle seine Verwandten in den Vernichtungslagern und dass er selbst Auschwitz, Theresienstadt und Bergen-Belsen überlebte, ist ein rätselhaftes Wunder. Ohne seinen Humor, so sagte es der Vater immer, wäre er untergegangen, und die Geschichten, die Deb Filler in ihrem Kabarettprogramm erzählt, sie erinnern vielleicht an den unglaublichen Film: "Das Leben ist schön".
In ihrer Familie war die grausame Vergangenheit niemals ein Tabu. So viel hat sie mit ihrem Vaterüber alles geredet und schließlich mit ihm zusammen eine Reise zu den Konzentrationslagern gemacht, dass sie ein geradezu verrückt intimes Verhältnis zum Leben im Vernichtungslager hat. Ein neuseeländischer Film über die Kinder von Holocaustopfern heißt "Angst". Die drei Portraitierten, darunter Deb Filler, sie alle sind Komiker ...
Wenn sie am Sonnabend, 15. Oktober, im Festsaal des Obernkirchener Stiftes mit ihrem Programm "Punch me in the Stomach" auftritt, dann wird zum Lachen sicherlich genau so wie zum Weinen sein. In New York, Toronto, Seattle, Melbourne, Sydney und London hatten die Zuschauer keine Probleme mit der absurden Selbstironie des jiddischen Witzes. In Deutschland ist Deb Filler noch niemals mit diesem Programm aufgetreten. Einen Vorbericht gibt es in der nächsten Woche, nach ihrem Auftritt vor Schülern des Wilhelm-Busch-Gymnasiums Stadthagen.
Vorverkauf und Reservierungen für das Programm am 15. Oktober um 20 Uhr in der Infogalerie Obernkirchen, Friedrich-Ebert-Straße 14. Oder telefonisch unter der Rufnummer der Infogalerie: (05724) 9716000.
sz@schaumburger-zeitung.de
|