Neues Deutschland ,
26.09.2005 :
(Bramsche-Hesepe) Reiterstaffel gegen Inspekteure / Demonstrationen vor Abschiebelagern zum europaweiten Aktionstag
Von Martin Kröger
Aus den "Grenzcamps" der vergangenen Jahre in Deutschland ist eine europaweite Aktion gegen Abschiebelager geworden. Am Wochenende erhielten Abschiebelager in Deutschland Besuch.
Die Inspekteure lehnten die Inspektion ab. Rund 400 waren am Samstag nach Bramsche in der Nähe von Osnabrück gekommen, um im Rahmen des europäischen Aktionstages gegen Lager für Flüchtlinge das so genannte Ausreiselager in dem Ort zu inspizieren. Zu der Aktion hatten das Komitee für Grundrechte und Demokratie und das "No-Lager-Netzwerk" sowie Flüchtlingsorganisationen wie "The Voice" aus Jena und die Brandenburger Flüchtlingsinitiative aufgerufen.
Die Leitung des Ausreiselagers wollte jedoch nur eine zehnköpfige Delegation in das "Ausreiselager" hineinlassen, worauf die Organisatoren verzichteten. "Das Scheinangebot, sich mit einer Delegation von maximal 10 Personen das Lager von den Verantwortlichen vorführen zu lassen, haben wir abgelehnt", erklärte das Komitee für Grundrechte und Demokratie. Schließlich ginge es darum, die Isolation und Abgeschlossenheit der Insassen zu durchbrechen.
Seit dem Jahr 2000 experimentiert die niedersächsische Landesregierung in Bramsche, wie die im Behördenjargon "freiwillige Ausreise" genannte Rückkehr der Flüchtlinge sich durch psychologischen Druck beschleunigen lasse. Das Grundrechtekomitee spricht in diesem Zusammenhang von einem "Klima existenzieller Ausweglosigkeit". Zur Zeit sind in Bramsche 500 zumeist abgelehnte Asylbewerber untergebracht, aber auch solche, denen das Bundesamt für Migration eine schlechte Prognose für ihren Prozess bescheinigt. Bei einer gegenwärtigen Anerkennungsquote von 0,9 Prozent betrifft das fast jeden Flüchtling, der es schafft, nach Deutschland zu kommen. Unter ihnen auch viele Kinder, die in Bramsche in einer lagereigenen Schule unterrichtet werden. Viele dieser Kinder nahmen auch am Aktionstag teil und berichteten am offenen Mikrofon des Lautsprecherwagens über die schlechte Situation in der Modellunterkunft, das fade Kantinenessen und die desolate Lage in der Schule, die sie besuchen. "Wir kommen uns vor wie im Zoo."
Vor dem Eingangstor, das von zwei Hundertschaften der Polizei und Reiterstaffeln gesichert wurde, wurden die Kinder und Erwachsnen von der bunten und lautstarken Demonstration in Empfang genommen. An den Absperrgittern war es zuvor zu Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizisten genommen. "Wir wollten nur symbolisch zeigen, das wir die Abgeschlossenheit dieser Menschen durchbrechen wollen", erklärte Matthias Cornelsen vom "No-Lager-Netzwerk".
Die Proteste beschränkten sich nicht auf Bramsche: Nach einer Nacht in einem sachsen-anhaltischen Kloster gingen am Sonntag die Aktionen auch in Mecklenburg, wo trotz eines Koalitionsbeschlusses Flüchtlinge in abgeschiedenen Lagern leben müssen, weiter.
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