Schaumburger Zeitung ,
15.09.2005 :
(Bückeburg) "Die NPD ist die extremste Partei der Rechten" / Verfassungsschutz-Präsident Fromm im Le-Theule-Saal / Müller kritisiert Stillhalten der Verwaltung
Bückeburg (tw). Deutliche Worte von Heinz Fromm: "Von den drei rechtsextremen Parteien - NPD, Deutsche Volksunion (DVU) und Republikaner - die wir derzeit beobachten, ist die NPD mit ihren bundesweit 5.300 Mitgliedern die extremste." Ein Grund, warum der Präsident des 1950 als "Inlands-Nachrichtendienst" gegründeten Bundesamtes für Verfassungsschutz gerade diese Partei gestern bei seinem Referat "Rechtsextremismus-Bekämpfung" im Le-Theule-Saal genauer unter die Lupe nimmt. Während der Diskussion im Anschluss beantwortet Fromm auch die Frage eines NPD-Mitglieds zum Verbotsverfahren seiner Partei.
MdB Sebastian Edathy (SPD), der den Gedankenaustausch mit Karl Menger, Leiter des Polizeikommissariats Stadthagen und Klaus Maiwald, Leiter der "Herder"-Geschichtswerkstatt moderierte, hatte Fromm nach Bückeburg geholt.
Der Präsident: "Zwar gibt es derzeit - anderes als noch in den 80er Jahren - keinen Rechts-Terrorismus in Deutschland, aber das hat allein taktische Gründe." In guter Gesellschaft befinde sich die Partei, die im Westen auch Vorbestrafte auf ihren Kandidatenlisten hat, deswegen jedoch nicht. "Der Erfolg der NPD bei den Landtagswahlen in Sachsen (9,2 Prozent) hat auch Neonazis bewogen, in die Partei einzutreten", unterstreicht Fromm. Einige von ihnen hätten es sogar in den Bundesvorstand geschafft. Doch es gebe noch ein anderes, zweites Reservoir, in dem die Rechtsextremen fischten: gewaltbereite Subkulturen von Jugendlichen, wie sie sich vor allem in Ostdeutschland fänden.
Die Kriminalitätsstatistik spricht eine erschreckende Sprache: 90 Prozent aller politisch motivierten Straftaten in der Republik gehen auf das Konto von Rechtsextremisten.
"Ich will für Schaumburg kein Schreckensszenario an die Wand malen. Gründe, die Hände in den Schoß zu legen, gibt es aber dennoch nicht", sagt Menger. 19 Straftaten aus der Rechtsextremen-Szene hat seine Dienststelle 2004 registriert. Als Träger der braunen Ideologie sei insbesondere die "Kameradschaft Weserbergland" in Erscheinung getreten. Ein Kreis mit Netzwerk-Strukturen, der etwa 20 bis 25 Personen umfasse. Im Landkreis hatten die Neonazis in diesem Jahr mit vier Aktionen versucht, für Aufsehen zu sorgen. Die größte davon war die "Maikundgebung" in Bückeburg mit 52 Rechtsextremen; an der "Mahnwache" in Stadthagen beteiligten sich 8, an den jüngsten Kundgebungen in Rinteln und Bückeburg etwa 30 Anhänger.
Der Bückeburger Auftritt sorgt bei Edeltraut Müller auch noch aus einem anderen Grund für Unmut. "Die Verwaltung", so die Bürgermeisterin während der Diskussion im Anschluss empört, "hat über diese Demonstration Stillschweigen gewahrt". Sie selbst ist am Samstag von der Kundgebung auf dem Marktplatz völlig überrascht worden. Damit aber sei die Gelegenheit versäumt worden, dass alle Bückeburger gemeinsam gegen diesen Aufmarsch hätten Flagge zeigen können ...
Dass das Lehrerkollegium der Herderschule aufgrund der Arbeit seiner Geschichtswerkstatt immer wieder "Post von Leuten erhält, die unsere Arbeit nicht mögen", berichtet Maiwald. Mal trügen diese Schreiben einen - offiziellen - Absender, nicht selten aber seien sie anonym verfasst. Nicht ohne Grund, denn: Maiwald hatte mit seinen Projekten immer wieder eine Lücke in den Geschichtsbüchern geschlossen, die da heißt: "Der Schrecken findet - scheinbar - immer anderswo statt, aber nie direkt vor der eigenen Haustür."
Interview mit Heinz Fromm in einer unserer nächsten Ausgaben.
sz@schaumburger-zeitung.de
|