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Flüchtlingshilfe Detmold ,
22.03.1997 :
Redebeitrag auf der Demonstration gegen den rassistischen Überfall von Bundeswehrsoldaten in Detmold
Der rassistische Überfall von 10 Bundeswehrsoldaten, die am Montag in der Detmolder Innenstadt Jagd auf Menschen gemacht haben, die nicht der "deutschen Norm" entsprechen und dabei 3 jugendliche Migranten verletzten, hat wieder einmal gezeigt:
- Auch Detmold und Lippe unterscheiden sich nicht von der restlichen Bundesrepublik, wenn es um rassistische Einstellungen und Gewalt gegen Flüchtlinge, MigrantInnen und "Schwarze" Deutsche geht. Was allerdings nichts Neues ist und allen bekannt sein sollte!
- Entgegen der von Politik und Medien betriebenen Informationspolitik hat die rassistisch motivierte Gewalt in den letzten Jahren keineswegs abgenommen! Nur die spektakulären Pogrome wie etwa in Hoyerswerda, Rostock und Mannheim haben sich seit den Lichterketten von 1992 und der Abschaffung des Rechts auf Asyl 1993 nicht wiederholt. Zahlreiche Brandanschläge werden seitdem nicht mehr als solche benannt, sondern einfacherweise auf technische Defekte zurückgeführt. Ursächlich für etliche Unfälle ist sicherlich die katastrophale Unterbringung von Flüchtlingen, doch auch das wird schon bewusst ausgeblendet! Gleichzeitig setzt es sich durch, wie zum Beispiel in Hattingen oder Lübeck, Flüchtlinge selbst der Brandstiftung zu beschuldigen. So werden aus Opfern Täter gemacht, die "deutsche Weste" bleibt weiß! Gegen rassistische Täter wird nicht weiter ermittelt.
Politisch wie gesellschaftlich wird die rassistische Normalität in diesem Land geleugnet oder ignoriert. Die sogenannte "Ausländerfreundlichkeit" der Deutschen, sichtbar im Verzehr türkischen Kebabs oder italienischen Eises, wird betont.
Einen Lichtblick hatte Volker Rühe, als er am Dienstag gegenüber den Medien sagte, dass nicht die zwei Monate Bundeswehr, sondern die 20-jährige Sozialisation der Täter in der BRD-Gesellschaft ihre menschenverachtende Einstellung geprägt hat. In dieser Aussage muss ich ihm ausnahmsweise Recht geben. Unsere Gesellschaft ist von rassistischen und autoritären Strukturen geprägt. Dies haben die zahlreichen Angriffe und Morde und die Politik gegen MigrantInnen und Flüchtlingen der letzten sieben Jahre erneut deutlich gezeigt.
Trotzdem: Militarismus, autoritäre Führung und Gehorsam, Männerkumpanei und Kameradschaft in der Bundeswehr sind nicht gerade geeignet, kritische und fortschrittliche Gedanken zu fördern. Sie festigen und unterstützen rechte und rassistische Einstellungen! Im Radio wurde am Montag gesagt, einige der Täter sollten in zwei Monaten zum Einsatz zu den sogenannten "Friedenstruppen" in Bosnien ausrücken. Egal ob dies den Tatsachen entspricht, hier fügt sich das eine ins andere.
Die Out-of-Area-Einsätze der Bundeswehr sind Teil der Politik des widererstarkten Deutschland: "Wir sind wieder wer", diese Einstellung zeigt sich in der militarisierten, neokolonialistischen, großdeutschen Außenpolitik genauso wie in der rassistischen Politik gegen Flüchtlinge und MigrantInnen im Inneren.
Unter dem Deckmantel der Humanität betreibt die Bundesrepublik in Osteuropa eine eindeutige Politik der eigenen Interessen. Neue politische und ökonomosche Einflusssphären werden mit allen Mitteln gesichert und ausgebaut, während gleichzeitig der Schutzwall gegen die katastrophalen Folgen der eigenen Politik immer höher gebaut wird. Die Grenzen werden in perfektionistischer Weise gesichert und dicht gemacht, die "Festung Europa" abgeschottet und Flüchtlinge rigoros abgeschoben.
Während die Sicherheit der deutschen Soldaten in Bosnien oder zum Beispiel der Deutschen in Albanien höchste Priorität genießt, interessiert das Schicksal der von dort fliehenden oder geflohenen Menschen hier nicht die Bohne.
Im Gegenteil:
- Die Abschiebungen bosnischer Flüchtlinge aus der BRD hat bereits begonnen, obwohl alle wissen, dass Leib und Leben der Abgeschobenen gefährdet sind! Selbst die Flüchtlingskommissarin der Vereinten Nationen warnt vor Abschiebungen und erzwungener Rückkehr.
- Die Flüchtlinge aus dem jugoslawischen Kosovo sollen innerhalb der nächsten drei Jahre ausgewiesen werden. Den ersten von ihnen droht trotz der akuten Gefahr von Verfolgung, trotz Diskriminierung und Unterdrückung in ihrer Heimat, schon jetzt die Abschiebung!
- Tausende Menschen fliehen vor der eskalierenden Gewalt in Albanien. Bundesaußenminister Kinkel lehnt schon mal präventiv die Aufnahme von Flüchtlingen ab und nutzt die Gelegenheit, mal wieder die vermeintliche Belastung und Bedrohung der Deutschen durch Flüchtlinge zu thematisieren. Mit der bekannten "Das Boot ist voll"-Propaganda schürrt er die Stimmung gegen Flüchtlinge und MigrantInnen.
Genau solche Äußerungen gekoppelt mit der staatlichen rassistischen Politik gegen Flüchtlinge und MigrantInnen liefern Begründungen für rassistische Gewalt wie am Montag in Detmold.
Wir alle sind aufgefordert mit dieser Demonstration nicht das Ansehen von Detmold, Lippe oder der Bundesrepublik aufzupolieren, sondern uns deutlich gegen rassistische Strukturen in der BRD-Gesellschaft und gegen staatlichen Rassismus auszusprechen und auch in Zukunft in diesem Sinne aktiv zu werden.
Meine Utopie ist es, dass zum Beispiel angesichts der neuen Visa-Verordnung für Kinder aus den ehemaligen Anwerberstaaten, im Falle von drohenden Abschiebungen nach Bosnien, in den Kosovo, die Türkei oder andere Länder oder gegen den Abschiebeknast in Büren, sich ein Widerstand entwickelt, wie gegen die Castor-Transporte. Die Menschen einer ganzen Region stehen hinter den Flüchtlingen und MigrantInnen, verhindern Abschiebungen oder setzen andere Forderungen gemeinsam mit den Betroffenen durch!
Hier fordere ich jetzt ganz konkret:
- die Stadt Detmold und den Kreis Lippe auf, sich gegen die fatale Entscheidung des Bundesinnenministers, Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien abzuschieben, zu stellen, die Abschiebeandrohungen zurückzunehmen und den Flüchtlingen in Detmold und Lippe ein kommunales Bleiberecht zu gewähren!
- die Stadt Detmold auf, dem rassistischen Auftreten einzelner Bediensteter gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen entschieden entgegenzutreten!
- uns alle und alle, die heute hier nicht sind, fordere ich auf, sowohl gegen die alltägliche rassistische Gewalt auf der Straße als auch gegen den staatlichen Rassismus aktiv zu werden!
In diesem Sinne:
Keine Abschiebungen! - Wer bleiben will soll bleiben!
Weg mit den Sondergesetzen für Flüchtlinge und MigrantInnen wie zum Beispiel Ausländergesetz und Asylbewerberleistungsgesetz! - Gleiche Rechte für alle!
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