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Büren-Gruppe Paderborn , 14.06.1999 :

Interview mit Alex Alayo Chavez im Abschiebeknast Büren am 14. Juni 1999

Frage: Wie ist deine Situation hier im Knast?

Antwort: Es geht so. Es ist ein Knast, und entsprechend läuft es hier. Die internationalen Normen werden eingehalten, aber letztendlich ist es eben ein Knast.

Frage: Ist es für dich nicht merkwürdig, daß du in einem Knast in Deutschland gelandet bist, nachdem du in Peru für die Menschenrechte und die Freiheit gekämpft hast?

Antwort: Das ist eine paradoxe und schmerzliche Situation, wenn du immer für die Freiheit anderer GenossInnen gekämpft hast, aber plötzlich um deine eigene kämpfen mußt. Das läßt dich an die vielen hundert GenossInnen denken, die unter schlimmeren Bedingungen eingeknastet sind und trotzdem aufrecht und mit Würde durchhalten.

Frage: Du hast an dem Hungerstreik teilgenommen, obwohl du wußtest, daß du illegal bist. War diese Teilnahme nicht ein bißchen riskant?

Antwort: Ja, das war schon ein bißchen riskant, ziemlich riskant. Die Entscheidung, an dem Hungerstreik teilzunehmen, hat zu einer langen Diskussion mit einigen GenossInnen geführt, aber der Kampf der Illegalen und Flüchtlinge ist auch ein wichtiger Kampf, der in diesem Moment Unterstützung verdient hat. Es gibt immer ein Risiko, aber kein Kampf kann ohne Risiken gewonnen werden.

Frage: Denkst du, daß deine Festnahme ein Zufall war, oder hatte das etwas mit dem Hungerstreik zu tun?

Antwort: Ich weiß nicht, ich bin nicht sicher, aber es ist schon merkwürdig, daß sie mich festgenommen haben, als ich gerade vom Hungerstreik kam. Der Sicherheitsapparat funktioniert gut, und die Probleme, die ich jetzt habe, können morgen die anderen GenossInnen haben, die an dem Hungerstreik teilnehmen. Das ist das Risiko, das wir eingehen.

Frage: Du bist in einem Abschiebeknast. Was hast du zu befürchten, wenn du abgeschoben wirst?

Antwort: Meine größte Sorge ist es, in Peru im Knast zu landen, zu 20 oder 30 Jahren oder lebenslänglich verurteilt zu werden, und die Ohnmacht, daß die eigene Arbeit wieder einen starken Rückschlag erleidet. Unser größter Wunsch ist es, alle GenossInnen in Freiheit zu sehen, und daß das peruanische Volk beim Aufbau einer Alternative zu Neoliberalismus und Diktatur weiterkommt.

Frage: Wie ist die derzeitige Situation in Peru?

Antwort: Die Diktatur ist sehr stark. Es gibt eine systematische Repression, und die Linke ist sehr schwach. Die jüngsten Proteste sind in Gefahr, aufgelöst oder angesichts der Schwäche der Linken von der Rechten benutzt zu werden.

Frage: Wer organisiert die Proteste?

Antwort: Die Studenten, studentische Kollektive für die Demokratie, der Gewerkschaftsdachverband, Bauern und tausende von Arbeitslosen, die sich seit kurzem wieder neu organisieren, nachdem in all diesen Jahren ihre Organisationen unterdrückt und aufgelöst wurden. Die Universitäten werden gerade unter Beteiligung des Militärs reorganisiert, das seine Kasernen auf dem Universitätsgelände hat. Viele Streikführer von dem Generalstreik am 28. April sind festgenommen und wegen Terrorismus angeklagt worden. Es gibt immer noch viel Angst und ständige Bedrohungen.

Frage: Wie ist die Situation der politischen Gefangenen?

Antwort: Die Situation ist ähnlich wie vor zwei Jahren, als die Botschaft besetzt wurde (Besetzung der japanischen Botschaft durch die MRTA – Revolutionäre Bewegung Tupac Amarú). Zwar dürfen sie zweimal statt einmal im Monat Besuch haben. Sie haben täglich eine statt einer halben Stunde Hofgang, aber alles andere ist gleich geblieben. Es gibt immer noch den Knast in der Marinebasis Carrao acht Meter unter der Erde. Die Gefangenen sind isoliert und viele bekommen keinen Besuch, weil ihre Familien arm sind und weit weg wohnen. Der Gesundheitszustand der Kranken hat sich verschlechtert. Angehörige werden weiterhin bestraft und bedroht, mit dem Ziel, sie mürbe zu machen und das Abschwören durchzusetzen.

Frage: Inwiefern weichen die Bedingungen der politischen Gefangenen in Peru von den internationalen Menschenrechtsnormen ab?

Antwort: Die Knäste und die Gesetze unter denen 7000 politische Gefangene im Knast sind, verletzen sämtliche internationalen Normen. Es fehlen die Garantien, die es in jedem Gerichtsverfahren geben muß: Unabhängigkeit der Justiz, das Recht auf ein faires Verfahren, das Recht auf Verteidigung, Ermittlungen der Anklagepunkte und das Recht, Beweise vorzubringen, ein unparteiisches Verfahren, usw. Das gibt es in Peru alles nicht. Die Angeklagten werden in zwei oder drei Stunden von Richtern mit verdeckten Gesichtern, die Militärs ohne jegliche Rechtskenntnis sind, verurteilt. Das Recht auf Widerspruch existiert nicht, oder besser gesagt: es existiert in der Verfassung, aber nicht in der Praxis. Es gibt weiterhin Militärgerichte. Die Rechte der Verteidigung sind ständig bedroht. Die Folter ist institutionalisiert und die Regierung respektiert nicht die internationalen Abkommen wie z.B. das Amerikanische Menschenrechtsabkommen oder den Pakt über bürgerlichen und politischen Rechte. Das heißt, daß die peruanischen Knäste dazu da sind, die Gefangenen langsam umzubringen. Das einzige, was an dieser Situation etwas ändern könnte, wäre eine internationale Verurteilung.

Frage: Wie wirkt sich die Politik der EU und der G7 in Peru aus?

Antwort: Direkte und indirekte Investitionen, Beteiligung an Privatisierungen, Beratung bei der Antiterrorismus-Gesetzgebung. Im Fall Italiens ist das sehr konkret. Die dortigen Antiterrorismusgesetze, die in den 70er und 80er Jahren gegen die Roten Brigaden angewendet wurden, sind in Peru kopiert worden. Das Modell der Hochsicherheitsknäste ist ebenfalls übernommen worden, und es wird theoretische und in einigen Fällen militärische Beratung zur Verfügung gestellt. Obwohl beim Europaparlament, bei nationalen Parlamenten und internationalen Organisationen Anklagen wegen Verletzungen der Menschenrechte vorliegen, wird nichts getan, um diese Situation zu verändern. Die wirtschaftlichen und politischen Interessen zählen für sie mehr als Demokratie und Menschenrechte, die sie angeblich verteidigen. Europäische Firmen haben einige der Hochsicherheitsknäste gebaut. Die Firma Gabante hat z.B. den Knast Canto Grande in Lima gebaut.

Frage: Was erhoffst du dir von den GenossInnen, die dich unterstützen, und was möchtest du ihnen sagen?

Antwort: Ich danke für die Solidarität und die Unterstützung. Die Probleme, die wir heute in Peru haben, sind ähnlich wie die anderer Völker. Unsere Kämpfe, so verschieden und heterogen sie auch sind, sollen eine gemeinsame Richtung haben: die Einheit und die konkrete Solidarität. Die Anwesenheit von Tausenden von Flüchtlingen und Illegalen in Europa zeigt die Konsequenzen der Politik der Länder des Nordens im Süden auf, und deshalb bleibt uns kein anderer Weg als die Organisierung, der Widerstand und der Kampf für unsere Würde. Unsere Zukunft hängt von uns ab, von unserem entschlossenen und überzeugten Einsatz. Danke für die Solidarität, und ich hoffe, euch bald wiederzusehen.


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