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Bielefelder Tageblatt (BW) , 27.08.2005 :

(Bielefeld) Spuren jüdischen Lebens / Anne-Frank-Ausstellung und Bilder heutigen Judentums im Historischen Museum

Von Damaris Lehmann

Bielefeld. Ein kleines Mädchen schaut schelmisch in die Kamera: Wie viele Altersgenossen gefällt sie sich im Prinzessinnenkleidchen. Doch diese Momentaufnahme ist anders – eingefangen beim Purimfest der jüdischen Gemeinde zu Mainz erlaubt sie einen Blick hinter die Kulissen heutigen jüdischen Lebens in Deutschland. Die Fotografie von Stephan Sasek ist ein Detail der aktuellen Doppel-Ausstellung im Bielefelder Historischen Museum.

Die Fotografien und Installationen von Studenten der Bielefelder Fachhochschule für Gestaltung, "Jüdisches – fotografische Betrachtungen der Gegenwart" ergänzen die Wanderausstellung "Anne Frank – eine Geschichte für heute", die ab Sonntag in Bielefeld Station macht.

Die Sammlung von Dokumenten, Fotografien, Tagebuchtexten und Briefen der deutschstämmigen Jüdin, die sich mit ihrer Familie vergeblich in ihrem Amsterdamer Wohnhaus über die bedrohliche Zeit zu retten versuchte, wurde vom Amsterdamer Anne Frank Haus konzipiert. Die deutsche Fassung und umfangreiches pädagogisches Begleitmaterial erstellte das Berliner Anne Frank Zentrum.

Bilder und Texte aus den verschiedenen Epochen legen Zeugnis ab von den unterschiedlichen Umständen jüdischen Lebens: in politisch beklemmender Zeit mit Verfolgung und Ermordung unter dem Hakenkreuz einerseits und dem heutigen Versuch eines "normalen" Lebens in jüdischer Identität.

"Wir zeigen zum ersten Mal zwei Ausstellungen in einem Raum", sagt Museumsdirektorin Cornelia Foerster, "sie beziehen sich ganz wunderbar aufeinander". Die Kombination der Exponate zeigt, dass jüdisches Leben in Deutschland inzwischen wieder möglich ist. Beide Komponenten – das Gedenken der Tragödie Holocaust, aber auch die Auseinandersetzung mit dem, was heute jüdische Identität ist – sollen in dieser Ausstellung ihren Platz finden.

14 Studierende der FH, an der diese Themen schon seit längerem bearbeitet werden, entwickelten ein gemeinsames Konzept; jeder erhielt dennoch Raum zur individuellen Umsetzung an den von ihm gewählten Orten. Vielfältige Eindrücke sind da zu gewinnen – von der jüdischen Hochzeit über junge Kicker bis zu der betagten Frau im jüdischen Altenheim Frankfurts, deren abwesender Blick den Betrachter berührt. Wie bringt sie es fertig, als Holocaust-Überlebende in diesem Land alt werden zu wollen?

Die 22-jährige Anne Kathrin Schuhmann hat nicht in Deutschland fotografiert, sondern besuchte in Brüssel, Zürich und Wien jüdische Studentenbälle. "Ich war mit einer Kompaktkamera unterwegs und wurde mehr als Partyteilnehmerin denn als Fotografin wahrgenommen", berichtet sie. Auf den Fotos ist zu sehen, dass sie die Distanz überwunden hat.

Begleitend zu den Arbeiten wurde in FH-Seminaren das Thema Judentum behandelt. "Es gab viele Diskussionen, und die Studierenden haben sensibel über das Thema nachgedacht", sagt Professor Martin Deppner, "es sind keine naiven Aufnahmen entstanden, die Studenten haben genau hingeschaut".

Katrin Trautner hat sich mit der deutschen Aufarbeitung des Holocaust beschäftigt. Sie fotografierte in KZ-Gedenkstätten und dem Berliner Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Die aus der Distanz aufgenommenen Menschen wirken klein, verloren. "An diesen Orten kommt man sich winzig vor gegenüber der großen Geschichte", schildert die 24-Jährige, "dieses Gefühl der Bedrückung möchte ich mit meinen Bildern zeigen".

Die Initiatoren der Anne-Frank-Ausstellung wünschen sich eine aktive Auseinandersetzung, gerade auch junger Leute, mit der Geschichte und dem darüber hinausgreifenden Thema "Menschenrechte“. Die Kombination der beiden Ausstellungen hilft bei der Annäherung an wichtige Aspekte deutscher Geschichte und Gegenwart.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 28. August, 11.30 Uhr, eröffnet. Öffnungszeiten bis zum 2. Oktober: mi. bis fr.: 10 –1 7 Uhr, sa. und so.: 11 – 18 Uhr, Historisches Museum Bielefeld, Ravensberger Park 2.

27./28.08.2005
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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