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www.hiergeblieben.de , 25.08.2005 :

Übersicht

Veröffentlichungen am 25.08.2005

01.) Radio Herford:
Stellungnahmen gegen Vlothoer Collegium Humanum

02.) Herforder Kreisanzeiger:
(Kreis Herford) Fahrt zur Gedenkstätte Auschwitz / AWO-Angebot für junge Leute ab 18 Jahren

03.) Tageblatt für Enger und Spenge:
(Enger/Spenge) Fahrt zur Gedenkstätte Auschwitz / Von der AWO für Jugendliche ab 16 Jahren

04.) Bielefelder Tageblatt (BW):
Brackwede von 1933 bis 1948 / Ab Sonntag historische Ausstellung im Heimathaus

05.) Herforder Kreisanzeiger:
(Kreis Herford) Fahrt ins Blaue der Oberschlesier

06.) Tageblatt für Enger und Spenge:
(Kreis Herford) Oberschlesier fahren ins Blaue / Nach Kalkriese und zum Dümmer See

07.) Herforder Kreisanzeiger:
(Herford) Landsberger stiften Friedensglocke für Gorzow / Urkunde im Rathaus unterzeichnet

08.) Bielefelder Tageblatt (SH):
(Bielefeld) Jiddische Lieder / Konzert am Montag in der Volkshochschule

09.) Zeitung für den Altkreis Lübbecke:
(Espelkamp/Lübbecke) Integration

10.) Lippische Landes-Zeitung:
Lemgoer Flüchtlingsfamilien im Safaripark

11.) Lippische Landes-Zeitung:
(Lügde) Hilflos zwischen zwei Welten / Miranda muss ins Krankenhaus, doch dem Amt fehlt eine ärztliche Bescheinigung

12.) Bielefelder Tageblatt (BW):
(Bielefeld) Ei auf Angela Merkel geworfen: Staatsschutz ermittelt

13.) Neue Westfälische:
(Bielefeld) 16-Jähriger warf ein Ei auf Angela Merkel

14.) Radio Herford:
Merkel in Bielefeld: Staatsschutz überprüft Eierwurf

15.) Radio Bielefeld:
(Bielefeld) Staatsschutz ermittelt

16.) Herforder Kreisanzeiger:
(Herford) CD-Release-Party im Jugendzentrum Fla / Metal-Paket von "Trapjaw" und "Taste of Blood"

17.) Bielefelder Tageblatt (MO):
(Bielefeld) Kongress organisiert

18.) Westfalen-Blatt:

19.) Westfalen-Blatt:

20.) Westfalen-Blatt:



Nachrichten vom 25.08.2005



Flucht / Rassismus

01.) Der eiskalte Abschieber
(die tageszeitung - Regionalausgabe NRW)

02.) Es bleibt nur die Flucht / Menschen ohne Papiere haben in Deutschland entgegen dem Trend in der EU kaum Aussicht auf Legalisierung
(Neues Deutschland)

03.) Gefangen in Deutschland / Odyssee eines jungen Russen auf eigenen und behördlichen Abwegen
(Neues Deutschland)




01.) Der eiskalte Abschieber

Am 28. Juni griff das Einsatzkommando zu. Das Ziel der Polizisten: Eine fünfköpfige Familie aus Lotte im Kreis Steinfurt soll abgeschoben werden. Der Mann wurde von Beamten überwältigt, die Eheleute getrennt. Erst Wochen später konnte die suizidgefährdete Frau ihrer Familie nachfolgen - dabei hatte der Ehemann gedroht, seinen Kindern etwas anzutun. Für Innenminister Ingo Wolf (FDP) ging alles mit rechten Dingen zu. Die taz dokumentiert seine Reaktion auf eine Landtagsanfrage:

"Im Vorfeld der Abschiebung hatte der Vater ( ... ) massive Drohungen für den Fall einer Abschiebung ausgesprochen. Unter anderem hatte er erklärt, seine Wohnung "anzünden" zu wollen. Außerdem hat er ( ... ) Mitarbeitern ( ... ) angekündigt, sie mit einem Messer attackieren zu wollen. Die Mutter war nach eigener Aussage massiv suizidgefährdet; auslandsbezogene Abschiebungshindernisse lagen nicht vor. Um einen Suizid während der Abschiebungsmaßnahme wirkungsvoll verhindern zu können, war ein schneller Zugriff erforderlich. Am Tag des Zugriffs brach die Mutter zusammen, nachdem ihr durch die Mitarbeiter der Ausländerbehörde eröffnet wurde, dass die Familie nunmehr abgeschoben werde. Der Vater begann sich massiv ( ... ) zu wehren und musste von vier SEK-Beamten festgehalten werden. Die Mutter wurde kurzfristig in das Landeskrankenhaus eingeliefert, war jedoch nach Aussage der behandelnden Ärztin bereits eine Stunde später wieder in der Lage, liegend abgeschoben zu werden. Eine Liegendabschiebung konnte am selben Tag jedoch nicht mehr organisiert werden, da in dem Flugzeug keine entsprechenden Plätze mehr frei waren. Daher musste die Abschiebung für die Mutter zunächst storniert werden. Aufgrund der voraussichtlich nur kurzen Trennung der Familie wurde der Vater mit den Kindern abgeschoben. Die Handlungsweise der Ausländerbehörde verstößt nicht gegen Art. 6 Grundgesetz, da die Trennung ( ... ) nur auf Zeit bestand und im Übrigen durch eine freiwillige Ausreise der gesamten Familie hätte gänzlich vermieden werden können.

Die Mutter wurde am 06.07.2005 aus dem Landeskrankenhaus entlassen und ist am 15.07.2005 in Begleitung einer Verwandten freiwillig in die Türkei ausgereist. Die Kosten der Ausreise hat die Ausländerbehörde übernommen. Für den Weiterflug von Istanbul nach Adana hat die Mutter zusätzlich ein Handgeld in Höhe von 50 Euro erhalten. Darüber hinaus hat sie von der Ausländerbehörde einen Drei-Monats-Vorrat des vom Krankenhaus empfohlenen Medikamentes zur Behandlung der psychischen Probleme erhalten.

Der Vater (hat damit) gedroht, ( ... ) die eigenen Kinder als "Geiseln" zu verwenden und die Behörden so zum Aufgeben zu bewegen. Daher wurden die Kinder zu deren Schutz während der Zugriffsmaßnahme und auch während des Transportes zum Flughafen von dem Vater getrennt gehalten. Nach Rückkehr in die Türkei gab es dann keinen Grund mehr, die Kinder von ihrem Vater getrennt zu halten, da dieser die Kinder hier nicht mehr als Druckmittel einsetzen konnte. Die Handlungsweise der Ausländerbehörde war ein geeignetes Mittel, die Abschiebung nicht scheitern zu lassen, anderseits aber einen effektiven Schutz der Kinder sicher zu stellen."

(Aus: Innenminister Ingo Wolf, Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage von Monika Düker, Grüne, 17. August 2005)

Abschiebungen / Zynische Antwort / Kommentar von Christoph Schurian

Wer auch immer im NRW-Innenministerium das Sagen hat, Abschiebungen finden statt. Daran ändert ein Regierungswechsel nichts. Und doch schockiert die Antwort des NRW-Innenministers Ingo Wolf (FDP) auf die kleine Anfrage einer Grünenpolitikerin - im Ton und in der Darstellung des Sachverhaltes.

Die Mutter einer Familie aus Lotte/Steinfurt war bekanntermaßen Selbstmord gefährdet. Aber für Behörden und Minister war dies kein Grund umsichtig vorzugehen. Im Gegenteil: Der drohende Suizid führte zu besonderer Eile und Härte.

Der mit Gewalt gegen seine Kinder drohende Ehemann wurde von einem Einsatzkommando überwältigt. Im Flieger trennte man Kinder und Vater noch, um den Drohenden in der Türkei wieder zu seinen Kindern lassen.

Die Frau blieb zurück und fast drei Wochen von ihrer Familie getrennt, weil in den Flieger keine Liege mehr passte. Im Beamtendeutsch heißt das, die Abschiebung der Mutter wurde "storniert". Als handele es sich um eine aufgeschobene Warenlieferung. Zynisch wird das Minister-Schreiben, wenn Wolf betont, dass die verzweifelte Familie selbst schuld sei, weil sie sich einer freiwilligen Ausreise entzogen hätte.

Nach eigenem Bekunden will Ingo Wolf in der Landesregierung und seiner Partei für mehr Bürgerrechte sorgen und an liberale Freiheitstraditionen anknüpfen. Beim Abschieben lässt sich der Minister jedoch nicht von den humanen und unteilbaren Grundrechten leiten.

Quelle: die tageszeitung (Regionalausgabe NRW)





02.) Es bleibt nur die Flucht / Menschen ohne Papiere haben in Deutschland entgegen dem Trend in der EU kaum Aussicht auf Legalisierung

Zwischen 100.000 und 250.000 Menschen ohne Papiere leben allein in Berlin. In ganz Deutschland sind es rund eine Million Menschen. Die Marokkanerin Samia (1) ist eine von ihnen.

Nein, Samia wollte nicht verheiratet werden. Aber ihre Familie bedrängte sie ständig, der Vater drohte sogar, sie zu verstoßen. "So ist das oft bei uns in Marokko. Wir Mädchen dürfen nicht denjenigen heiraten, den wir lieben, wenigstens ist es so auf dem Land." Also floh sie in die Stadt. Aber dort hatte Samia auch keine Ruhe, denn die Brüder fanden ihre Schwester und brachten sie wieder nach Hause. "Das war so demütigend. Alles ging wieder von vorne los. Mein Vater brüllte mich an, meine Mutter zeigte mir ihre Enttäuschung." Samia durfte das Haus nicht mehr allein verlassen.

Dauerhafte Angst vor Entdeckung

So konnte und wollte das marokkanische Mädchen nicht leben. "Es gab Tage, an denen ich daran dachte, mich umzubringen. Aber dazu war ich nicht mutig genug." Nachts lag sie oft im Bett und weinte. "Manchmal tat ich meiner Mutter sogar leid. Aber sie konnte mir nicht helfen." Die Mutter versuchte ihrer Tochter dann immer zu erklären, dass sie keine andere Wahl hätte und sich endlich in ihr Schicksal fügen solle. Ihr sei es schließlich auch nicht anders ergangen. Aber genau dagegen wehrte sich Samia ja schließlich.

Kurz vor dem 16. Geburtstag war es soweit. Sie floh nachts durch das Zimmerfenster. Der Gedanke, in den nächsten Tagen den Eltern des verhassten zukünftigen Bräutigams vorgeführt zu werden, verlieh ihr ungeheure Kräfte. Sie lief stundenlang über die Landstraße und erreichte am nächsten Morgen das Büro einer Frauenorganisation in der Stadt. "Völlig erschöpft wie ich war, nahmen sie mich liebevoll auf. Ich wurde beruhigt, bekam Essen, Trinken und ein Bett. Erst konnte ich nicht schlafen, tausend Gedanken schienen mir gleichzeitig durch den Kopf zu gehen. Ständig schwankte ich zwischen der Hoffnung auf das, was da kommen mag, und der Angst, dass meine Flucht nicht gelingen könnte."

Es folgte eine Zeit der Ungewissheit. Alle waren sehr nett zu Samia, aber das Haus durfte sie nicht verlassen, aus Angst, wieder von der Familie aufgegriffen zu werden. "Ich saß also wieder fest, sozusagen in einem freundlichen Gefängnis. Aber ich wollte frei sein, endlich frei sein. Ich habe doch niemandem etwas getan." Sie müsse weiter weg, sagte man ihr, in ein ganz anderes Land. Alle sprachen von Spanien, wo die Frauen nicht zwangsverheiratet werden. Nach ein paar Wochen war es dann soweit. "Ich hatte Glück und kam auf gefährlichen Wegen in das von allen so gelobte Land." Wie, darüber möchte sie nichts sagen. Vor allem nicht in Deutschland, wo Innenminister Otto Schily laut über die Einrichtung von Auffanglagern in Nordafrika nachgedacht habe. Sie habe halt etwas gegen Gefängnisse, auch wenn man sie Auffanglager nennt.

In Spanien war der Anfang sehr schwer. Aber Samia lernte dann einen ebenfalls illegalen Landsmann kennen, hatte einen Job in den Plantagen und konnte vor allem "freie Luft atmen". Aber auch dort sollte die Geflüchtete nicht zur Ruhe kommen. Ein schlimmer Zufall wollte es, dass unter den Marokkanern, die in der gleichen Plantage arbeiteten, einer war, der ihre Familie kannte. Er drohte ihr, den Vater über ihren Aufenthaltsort zu informieren, wenn sie nicht mit ihm ins Bett steigen würde. "Mit meinem Freund konnte ich darüber nicht reden, der hätte ihn totgeschlagen."

Die Marokkanerin floh noch einmal, und zwar nach Deutschland. Hier gehe es ihr eigentlich ganz gut, denn die Deutschen seien sehr hilfsbereit und eine Hilfsorganisation habe ihr immer wieder bei allen auftretenden Schwierigkeiten geholfen. Nur die "Gesetze gegen die Migranten" machen ihr Angst, die sie mit ungefähr einer Million "Illegalen" in unserem Land teilt. Deutsche Bürgerrechtler und Kirchen fordern deshalb seit Jahren, zumindest die Anzeigepflicht der Behörden gegenüber der Ausländerbehörde abzuschaffen. "Illegale müssen immer Angst haben, entdeckt
zu werden. Dadurch werden sie ihrer grundlegenden Rechte beraubt", sagt die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. So kann ein illegaler Arbeiter nicht seinen Lohn einfordern, ohne vom Gericht enttarnt zu werden. Ärzte, die Illegale ohne Krankenversicherungskarte behandeln, bewegen sich am Rande der Legalität. Das Gleiche gilt für Schuldirektoren, die Kinder von illegalen Einwanderern nicht weitermelden. Was die Marokkanerin aber am allerwenigsten versteht, ist, wie unterschiedlich innerhalb Europas mit Menschen ohne Papiere verfahren wird. Denn ihr ehemaliger marokkanischer Freund hat kürzlich in Spanien einen legalen Status erhalten. Er ist Nutznießer einer Legalisierungskampagne vom Mai dieses Jahres, die "Menschen ohne Papiere", wenn sie vor dem 8.August 2004 nach Spanien gekommen waren, nicht vorbestraft sind und eine Arbeitsstelle nachweisen können, amnestiert.

Wachgerüttelt durch den Terroranschlag am 11. März 2004 in Madrid, hat sich die Regierung zu diesem Schritt entschlossen. Denn unter den Toten und Verletzten war ein großer Anteil "Illegaler", die man sofort legalisierte, um ihnen oder ihren Angehörigen überhaupt helfen zu können.

Positive Resonanz auf Legalisierung

Hunderttausende, die in Angst vor Entdeckung lebten und oftmals der Willkür der Arbeitgeber ausgesetzt waren, haben mittlerweile eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Sie zahlen Steuern und Sozialabgaben in einem Land, das wie Deutschland geringe Geburtenraten hat. "Warum geht das nicht in Deutschland?", fragt Samia. Deutsche Frauen möchten doch lieber im Büro arbeiten als putzen und Kinder betreuen, also würde sie niemand die Arbeit wegnehmen. Sie möchte ja nur aus dem Schatten der Gesellschaft treten, Steuern zahlen und Mitglied in einer Krankenkasse werden, um anerkannt und abgesichert zu sein.

"Vielleicht", so vermutet sie, kommt die Gegenwehr auch hier in Deutschland von denen, "die von den billigen Arbeitskräften auf dem Schwarzmarkt profitieren". In Spanien, das weiß sie von Betroffenen, sei nämlich der größte Widerstand gegen die Legalisierung von den Besitzern der Obst- und Gemüseplantagen in Murcia und Almeria sowie von den Betreibern großer Baustellen in Madrid und Barcelona ausgegangen. Diese wollten auf ihre satten Gewinne nicht verzichten. Da dem spanischen Staat aber durch die Legalisierung monatlich zusätzlich mehr als 100 Millionen Euro in die Sozialkassen fließen, verschärft die Gewerbeaufsicht die Kontrollen und verhängt höhere Geldbußen auf Beschäftigung von Zuwanderern ohne Aufenthaltsund Arbeitsgenehmigung.

Die anderen europäischen Länder machen ähnlich positive Erfahrungen: Griechenland hat bisher 700.000 Menschen amnestiert. Italien führte binnen 15 Jahren gleich fünf Legalisierungsaktionen durch. Bei der jüngsten im Jahr 2002 erteilte die Regierung 650.000 ausländischen Staatsbürgern ein Bleiberecht, um die Schattenwirtschaft zu bekämpfen. Nur Deutschland hinkt hinter dem EU-Trend her. Hier gibt es keine Legalisierung in nennenswertem Umfang. "Die Deutschen haben eine andere Rechtskultur als andere Länder", sagt Cornelia Bührle vom Europäischen Jesuiten-Flüchtlingsdienst. In Deutschland gelte der Grundsatz "Ordnungsrecht vor Menschenrecht", da ließen sich großzügige Regelungen kaum durchsetzen, so die Ordensschwester. Genau dies treibt Menschen wie Samia in ausweglose Situationen: "Bleiben darf ich nicht, aber zurück kann ich nicht! Da müsste ich dann noch einmal fliehen. Aber wohin?"

(1) Name von der Redaktion geändert. Weitere Informationen zum Thema in: Siegfried Pater: Menschen ohne Papiere, Retap Verlag, Bonn 2005, 136 S., brosch., 9,90 Euro.

Quelle: Neues Deutschland (Siegfried Pater)




03.) Gefangen in Deutschland / Odyssee eines jungen Russen auf eigenen und behördlichen Abwegen

Bekanntlich ist es nicht leicht für Ausländer, ungeladen nach Deutschland zu kommen. Umgekehrt gilt offenbar: Hinaus ist es zuweilen ebenso schwer.

Dimitry hat Mist gebaut. Er ist Musiker und mit dieser Profession Dozent an einer Moskauer Universität. Sein Instrument ist die Posaune, und der Reggae hat es ihm angetan. Als er im Juli mit der russischen Gruppe Jah Devision nach Köln reiste, um auf dem Summerjam zu spielen, Europas größtem Reggae-Festival, war die Welt für den 29-Jährigen frei und weit, und möglicherweise hat er sich sich noch ein Stück freier und weiter vorgestellt, als sie es wirklich ist. Nach dem Konzert wurde er von der Polizei durchsucht, als er ein Auto anhalten wollte, um mitgenommen zu werden. Man fand Marihuana in seinem Gepäck, der Spaß war zu Ende.

Seither will Dimitri nur noch eines: nach Hause. Doch das ist nicht so einfach. Fast einen Monat saß er in Untersuchungshaft in Köln, bis er am vergangenen Freitag entlassen wird, mit 30 Euro Verpflegungsgeld und einer Fahrkarte nach Berlin versehen.

Mit Hilfe eines Freundes dort gelingt es Dimitry, der kein Deutsch spricht, die 30 Euro in eine Platzkarte nach Moskau zu investieren. Seine alte Fahrkarte ist noch gültig, am letzten Sonntag sitzt er im Zug nach Moskau. Nach Hause! Doch die Fahrt dauert nur zwei Stunden. Polnische Grenzer holen ihn aus dem Zug. Grund: Sein Schengen-Visum ist in der Zeit seiner Haft abgelaufen. Keine Einreise nach Polen. Dimitry wird den deutschen Behörden übergeben, die nächsten Stunden verbringt er erneut in einer Zelle. Am Abend findet er sich auf einer Straße in Frankfurt (Oder), versehen mit der Auflage, sich bei der Ausländerbehörde der Stadt zu melden und sich ein Visum bei der polnischen Botschaft in Berlin zu besorgen. Natürlich nicht mehr heute, die Nacht naht. Dimitry erwartet den Morgen im Stadtpark von Frankfurt. Geld hat er keines mehr.

Am nächsten Tag erhält der Musiker auf der Ausländerbehörde eine Grenzübertrittsbescheinigung für den 23. August. Was ist eine Grenzübertrittsbescheinigung? Dimitry kann nicht einmal das Wort entziffern, als er auf Geheiß der Beamten das Papier unterschreibt. Einen Dolmetscher gibt es hier offenbar nicht. Diesmal erhält er keine Fahrkarte nach Berlin, der Spaß am Trampen ist ihm eigentlich auch vergangen. Er versucht es trotzdem.

Als schließlich tatsächlich ein Auto hält, ist dies wohl dem jämmerlichen Bild geschuldet, das er inzwischen bietet. Er sitzt weinend am Straßenrand. Das Reggae-Feeling von Köln gehört längst einer fernen Zeit an. Den jungen Mann, der ihn anspricht, scheint immerhin der Himmel geschickt zu haben. Er spricht Russisch, hat zwei Jahre in Russland verbracht. Und er ist jemand, der geradezu eine Mission empfindet, Menschen wie Dimitry zu helfen.

Der junge Mann heißt Martin Günther und ist Stellvertretender Vorsitzender von Solid in Brandenburg, dem Jugendverband, der sich als der Linkspartei nahe definiert. Mit einigen Mitstreitern bietet er allen Enthusiasmus nebst Logistik auf, die der Jugendverband einer Programmpartei aufzubieten hat. Sie tragen die Details der Odyssee zusammen, stellen Sprachfertigkeit und Routine im Umgang mit Behörden zur Verfügung, loten rechtliche Möglichkeiten aus, bringen Dimitry unter.

Und sie kommen ins Grübeln. Die russische Botschaft teilt mit, nichts tun zu können, was das polnische Visum angeht, die polnische Botschaft teilt mit, dass sie kein Visum ohne deutschen Aufenthaltstitel erteilt, eine Grenzübertrittsbescheinigung als solcher jedoch nicht anerkannt wird. Auf Nachfrage räumt die Frankfurter Ausländerbehörde ein, das Problem zu kennen. Sie verlängert die von Polen nicht anerkannte Bescheinigung um einen Tag bis Mittwoch, also gestern. Auf Bitten einer weiteren Verlängerung reagiert der Mitarbeiter genervt, dann hysterisch. Gespräch beendet.

Die Ausländerbehörde in Strausberg, wo Dimitry untergekommen ist, erklärt, nicht zuständig zu sein. Inzwischen weiß Dimitry nicht nur, was eine Grenzübertrittsbescheinigung ist. Er weiß auch, dass er droht, in den Status eines "Illegalen" zu rutschen. Und die Helfer von Solid erfahren, dass sie sich in diesem Fall der Beihilfe zum illegalen Aufenthalt schuldig machen.

Langsam nimmt das Gespenst einer Abschiebung Gestalt an, es droht womöglich Abschiebehaft. Nur keine Ausreise per Flugzeug, stöhnt Dimitry - ein angeborener Fehler würde ihm höllische Schmerzen im Ohr verschaffen. Land- und Luftweg versperrt! Fieberhaft suchen seine Helfer nach einer Fährverbindung. Kein Mensch verdient es, wegen Behördenwillkür in den Knast zu geraten, finden sie. Sie fühlen sich ein wenig hilflos und in ihrer Ablehnung der deutschen Ausländerpolitik bestätigt. Sie haben die Medien informiert. Schließlich finden sie eine Fährverbindung am Freitag nach Sankt Petersburg. Die Rettung! Wenn nicht der fehlende Aufenthaltstitel wäre. Zwei Tage illegal? Wenn das gut geht ...

Quelle: Neues Deutschland (Uwe Kalbe)





Schlagzeilen vom 25.08.2005



International


- Tod in der Wüste / Beim Grenzübertritt von Mexiko in die USA sterben mehr Menschen als je zuvor
- USA / Anti-Kriegs-Demonstration / Soldatenmutter campiert wieder vor Präsidenten-Ranch

- Simbabwe / Bischof vor Kirchengericht / Der Anhänger von Mugabe soll zu Mord angestiftet haben

- Trügerische Ruhe in Burundi / Erster gewählter Präsident seit Jahren

- Westjordanland / Israelische Soldaten töten fünf Palästinenser / Terrorgruppen kündigten Rache an
- Tulkarm / Fünf Palästinenser bei Razzia getötet
- Sderot / Einschlag mehrerer Kassam-Raketen / Kein Schaden
- Negev / Scharons Farm gegen Raketen gesichert / Bewohner fürchten zur Front zu werden
- Hamas-Kundgebung in Gaza / "Befreiungskampf" soll mit aller Kraft weitergeführt werden
- "Volkskomitees zur Verteidigung palästinensischer Erde": Israel vergrub giftige Stoffe im Gazastreifen
- Erstmals seit Gaza-Abzug wieder Raketenangriffe auf israelisches Grenzgebiet
- Nach Gaza-Räumung / Scharon lässt palästinensisches Land konfiszieren
- Armee feuert wieder auf Palästinenser / Israelische Razzia im Westjordanland

- Bakuba / Irakischer Vize-Ministerpräsident überlebt Attentat
- Bagdad / Irakisches Parlament verlängert Frist zur Vorlage der Verfassung
- Bagdad / Sunniten wollen klagen / Schiiten: Verfassungsentwurf bleibt unverändert
- Irak / Italienisches Rotes Kreuz half heimlich vier Terroristen / Vor USA geheim gehalten
- Irak / Gegenleistung für Geisel-Befreiung / Rotes Kreuz behandelte heimlich Terroristen
- Bagdad / Kämpfe unter Schiiten / Abstimmung über Iraks Verfassung erneut verschoben
- Sunniten wollen Neuwahlen / Entwurf für Verfassung "illegal" / Abstimmung erneut verschoben
- Irak / Sunniten lehnen Verfassungsentwurf scharf ab / USA schicken1.500 weitere Soldaten
- Bekenntnis zum "totalen Sieg" / US-Debatte über Abzug der Truppen aus Irak neu entflammt

- Teheran Atomstreit / Iran stellt EU-Trio in Frage

- Moskau / Russland und China beenden gemeinsame Manöver
- Moskau / Russische Justiz / Chodorkowski-Partner kommt aus Isolationshaft frei

- Afghanistan / NATO weitet Einsatz aus / In allen Landesteilen beim Wiederaufbau helfen

- Islamabad / 13 Tote bei zweiter Runde von Kommunalwahlen in Pakistan
- Koranschulen / Pakistans Islamisten lehnen Registrierung der Madrassas ab

- Serbien / Kriegsverbrechen / USA erwarten baldige Verhaftung von Karadzic und Mladic

- Bukarest / Zahl der Unwetter-Toten in Rumänien steigt auf 31

- Warschau / Polnische Bischöfe gehen von Papstbesuch im kommenden Jahr aus

- Alle Feuer in Portugal unter Kontrolle / Aber keine Entwarnung

- Spanien / Autonomiemodell als Nagelprobe / Regionen ringen um größeren Einfluß in Madrid

- Bern / Trinkwasserprobleme und Kampf gegen Treibholz in der Schweiz

- UN-Experte warnt London / "Terror-Unterstützer nicht in Folterstaaten abschieben"

- 17 Menschen sterben bei Hausbrand in Paris / Ausbruch vor Mitternacht / Opfer vor allem Afrikaner


Deutschland


- NPD-Chef Voigt / Bewährungsstrafe wegen Volksverhetzung / Revision angekündigt
- Stralsund / Urteil gegen NPD-Chef wegen Volksverhetzung
- Berlin / Wahlausschuss lässt NPD doch zu
- Düsseldorf / Warnung vor Nazi-Musik / "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund"
- Warnung vor Neonazis / Rechtsextremisten wollen Propaganda-CDs auf Schulhöfen verteilen
- Halberstadt / Tötung eines Rentners / Notwehr: Freispruch für Nazi-Skin rechtskräftig
- Katholische Weltbild-Verlag bietet geschichtsrevisionistische Literatur aus rechtsextremen Verlagen an

- Klage von Anwohnern gegen Bau eines Jüdischen Gemeindehaus Leipzig ist gescheitert

- Berlin / Kontigentaufstockung / Künftig 3.000 Soldaten in Afghanistan
- Münster / Köhler bei der Truppe / Antrittsbesuch
- Schäublelobt Schröder / Aber künftig keine Alleingänge in der Außenpolitik mehr
- Schäuble betont Kontinuität zu Schröder / Außenpolitik lobt sogar Umgang des Kanzlers mit Putin
- Schäuble: Unionsgeführte Regierung wird in Außenpolitik für Kontinuität stehen

- Bonn / Ex Kanzler für erweiterte Wehrpflicht / Schmidt: Auf Frauen ausweiten

- Terror-Fahndung in Hamburg / Tausend Polizisten suchen nach drei Verdächtigen
- Hamburg / Zufällig belauschtes Gespräch auf Arabisch hat Großfahndung nach drei Männern ausgelöst

- Laut Mahrenholz wird Karlsruhe Weg zu Neuwahlen freimachen
- Karlsruhe / Bundesverfassungsgericht lässt Neuwahl zu / Die Deutschen wählen am 18. September
- Neuwahlen / Karlsruhe wies Klagen gegen Bundestagsauflösung mit sieben zu einer Stimme zurück
- Weg zu Neuwahlen ist frei / Verfassungsgericht räumt Kanzler großen Spielraum ein
- Schröder darf abgewählt werden / Bundesverfassungsgericht weist Klagen ab
- Verfassungsklagen gegen Auflösung des Bundestages scheitern / Spitzenpolitiker erleichtert
- Verfassungsgericht setzt sich Grenzen / Politische Prozesse nicht nachprüfbar
- Karlsruher Urteil: Kräfte zwischen Parlament und Kanzler neu gewichtet
- Jentsch: "Schwächung des Bundestages" / Verfassungsrichter begründet Gegenstimme
- Karlsruhe macht Weg für Neuwahl frei / Debatte über Grundgesetzänderung
- Endgültig: Bundestagswahl am 18. September / Auflösung des Parlaments verfassungsgemäß
- Homburg / Müntefering nach Schwächeanfall aus Uniklinik Homburg entlassen
- Müntefering tritt kürzer / Absage in Bielefeld
- Müntefering muss sich schonen / Renger warnt vor "Turbo-Wahlkampf"
- München / Stoiber verteidigt Äußerungen zum Wahlverhalten der Ostdeutschen
- München / Schröder und Stoiber vereinbaren Flut-Arbeitsgruppe
- Berlin / Merkel und Clement greifen sich bei Wirtschaftspolitik scharf an
- Köln / 31 Prozent / SPD legt beim ARD-Deutschlandtrend zu
- Berlin / SPD legt bei ARD-Umfrage zu / Grüne und Linkspartei unverändert
- Merkel holt gegenüber Schröder auf / Stoiber büßt nach Äußerungen über Ostdeutsche Sympathie ein
- Berlin / Umfrage / Schwarz-Gelb knapp vorn / Vorsprung schmilzt
- Grüne über SPD entsetzt / Bütikofer verlangt mehr Engagement im Wahlkampf
- Bütikofer wirft Koalitionspartner "lahmende Reaktionen"auf Unions-Wahlkampf vor
- CSU vermisst bei Merkel das Umweltprofil / Verbände: Nur "ökologische Leichtmatrosen" an Bord
- Kirchhof plant "großen Wurf" / Unions-Experte kündigt Reform der Unternehmensteuern an

- Nürnberg / Zahl der Arbeitslosen im August um rund 50.000 gesunken
- Nürnberg / Weniger Arbeitslose / Rückgang im August
- "Kinderarmut alarmierend" / Paritätischer: Hartz IV verbaut Millionen jungen Menschen Zukunftschancen
- Jedes siebte Kind lebt in Armut / Verband: Hartz IV verschärft die Situation
- Hartz IV bringt Kinderarmut auf Rekordhöhe / Spitzenwerte in Ostdeutschland
- Berlin / Gebührenfreiheit für Kinderbetreuung laut Schmidt schrittweise
- Kinderbetreuung verbessern / Reaktionen der Parteien auf Jugendbericht
- München / Stimmung in der Wirtschaft trübt sich überraschend wieder ein

- Bayern / 28-Jähriger stirbt bei leichtsinniger Bootsfahrt im Hochwasser
- Bayern / Hochwasserwelle / Landkreis Kelheim ruft Katastrophenalarm aus
- München / Flussanrainer in Bayern kämpfen weiter gegen die Fluten
- München / Neue Flutängste in Bayern

- Thüringen / Zwei Frauen von Bahn in Sollstedt getötet
- Wiesbaden / Zahl der Verkehrstoten geht weiter zurück




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