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Lippische Rundschau , 03.06.2000 :

Kommentar / Nicht schweigen

Von Beate Depping

Schweigen scheint zunächst die einzig angemessene Art zu sein, der Betroffenheit Ausdruck zu verleihen, die eine Tat wie die auf dem jüdischen Friedhof von Detmold auslöst. Denn schon kurz nach dem Geschehen liegt das Areal an der Spitzenkamptwete wieder ruhig und friedlich im Schatten der Bäume, strahlt der Ort dieselbe Stille gebietende Würde aus wie vor der Tat.

Kaum ist vorstellbar, was hier geschehen ist: Für mindestens eine halbe Stunde, wenn nicht länger, müssen Lärm und Aufruhr geherrscht haben. 56 massive Grabsteine, auch wenn sie durch die Zeit in ihrer Verankerung gelockert waren, wirft man nicht einfach im Vorübergehen um.

Aber niemand wurde aufmerksam, kein Anrufer alarmierte die Polizei. Ohne mit dem Finger auf Nachbarn oder Passanten zeigen zu wollen, muss hier einmal mehr der Appell lauten: Lieber die Polizei umsonst bemühen, als sich später - zu spät - eingestehen zu müssen, dass man Hinweise überhört hat.

Die Störung der Totenruhe bedeutet die Missachtung von Gefühlen und von Werten, die die Basis des Zusammenlebens in der Gesellschaft ausmachen. Hinzu kommt, dass es sich um einen jüdischen Friedhof handelt. Und schon die automatische Weiterleitung solcher Delikte an den Staatsschutz belegt, welcher Stellenwert ihnen beigemessen wird - leider: werden muss.

All das sind Hinweise, die nicht überhört werden dürfen und die mehr als betroffenes Schweigen zur Folge haben müssen: Bürgermeister Brakemeier hat Freitag für alle Detmolder gesprochen, als er sein Bedauern aussprach. Jeder einzelne Bürger hat zudem die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden und die Betroffenen mit einer Spende (nicht nur finanziell) zu unterstützen.

03./04.06.2000
wb@westfalen-blatt.de

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