Bad Oeynhausener Kurier ,
03.08.2005 :
(Bad Oeynhausen) Heinz Brandt (76) erinnert sich an die Besatzungszeit in der Kurstadt
Von Nicole Sielermann
Bad Oeynhausen-Volmerdingsen. Mit den Sorgen der Erwachsenen hatte Heinz Brandt damals wenig zu tun. "Für uns fiel die Schule aus. Das war die Hauptsache", erinnert er sich lachend an die Zeit 1945. Die Räumung der Stadt, die ist ihm nicht bewusst im Gedächtnis geblieben. Aber eines: "Wir haben unsere eingelegten Eier heimlich über den Zaun geschafft." Die reisten wie sie zu den Großeltern nach Oberbecksen. Hinaus aus dem Sperrgebiet Stadt.
Und auch die Nähmaschine der Mutter – die Heinz Brandt noch immer im Wohnzimmer stehen hat – wurde über den Zaun gehievt. "Nur unser gutes Blaupunkt-Radio, ein 4-Röhren-Gerät, haben wir unter den Holzkohlen durch die Sperre geschafft." Zu Fuß machten sich der 16-jährige Heinz und seine Mutter von der Wohnung über der Deutschen Bank an der Portastraße auf den Weg. "An der Weserstraße hatten die Engländer ein Schild gemalt." "Krieg kaputt" stand auf der alten Holztafel. "Damit wir wussten, es ist vorbei."
Drei Wochen nach Kriegsende stand plötzlich ein Bote bei Heinz Brandt auf dem Hof. Mit der Nachricht, der 16-Jährige möge sich auf dem Arbeitsamt an der Mindener Straße melden. "Zwecks Arbeitseinsatz für die Militärregierung", wie es auf dem Zettel stand. "Dutzende Leute standen dort", sagt Brandt. "Aus denen haben sich die Briten die besten herausgepickt." Unter anderem den jungen Schüler. Brandt wurde erst Küchenhelfer in der Navy-Kantine des Hohenzollernhof-Hotels und danach Liftboy. Für 50 Pfennig die Stunde. "Eigentlich war ich zu Beginn mehr Begleiter eines Sergeants" als Dolmetscher. Dank des Schulenglisch.
Armeeangehörige gabs im Hotel nicht. Nur die Zuständigen der Truppenbetreuung. "Zuerst wurde in der Kantine Gebäck und Tee angeboten, dann gabs auch alkoholfreie Getränke und schließlich die Bier-Bar in Höhe des heutigen Geschäftes Backs." Die Kontakte zwischen den überwiegend deutschen Angestellten und den Engländern seien keinesfalls feindlich, aber auch noch nicht freundschaftlich gewesen. "Wir Männer bekamen weiße Jackets und die Frauen Kittel." Und für jeden Seifenpulver zum Reinigen und Kernseife.
Mit dem Umzug der Navy-Kantine 1947 ins Kurhaus wechselte Brandt ein weiteres Mal seinen Job und stieg auf zum Time-Keeper – eine Art Pförtner für das Personal – und später zum Cup-Collector, also zum Ober, der das dreckige Geschirr abräumte. "Im Kurhaus wurden dann richtig Bälle für die britischen Truppen gefeiert."
Als ein sehr drastisches Leben hat Heinz Brandt im Nachhinein die damalige Zeit empfunden. "Es ging ums nackte Überleben." Etwas, das ihm erst später richtig bewusst geworden sei. "Aber ich hatte durchaus den Eindruck, dass uns die Briten mit Respekt behandelt haben", sagt Heinz Brandt. Der 76-Jährige erinnert sich noch gut, dass viele über das Bildungsniveau der Deutschen erstaunt gewesen seien. So hat der Volmerdingsener einmal zwei Engländern geholfen, eine Gleichung mit zwei Unbekannten zu lösen. "Und das, obwohl ich in Mathe eine Fünf hatte", sagt er lachend.
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