Gütersloher Zeitung ,
03.08.2005 :
(Harsewinkel) Flüchtlingsberatung steht auf der Kippe / Unsichere berufliche Zukunft für Maria Daut
Harsewinkel (rz). Jedes Jahr kurz vor Weihnachten stellt sich für Maria Daut die Frage ihrer beruflichen Zukunft: Im Rahmen der Haushaltsberatungen prüft dann die Landesregierung, ob sie sich die Zuschüsse für die Flüchtlingsberatung in den Städten und Gemeinden des Landes noch leisten will und kann.
Sieben Jahre ist alles gut gegangen: Die halbe Stelle von Maria Daut als Flüchtlingsberaterin in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt (AWO) wird etwa zur Hälfte durch das Land gefördert, den Rest schießt die Stadt zu. Doch die Flüchtlingsberatung steht auf der Kippe – die neue Landesregierung hat rigide Sparmaßnahmen gerade in sozialen Bereich angekündigt. So könnte es sein, dass Maria Daut nach sieben Jahren erfolgreicher Arbeit ihr kleines Büro im Übergangswohnheim am Prozessionsweg 10 Anfang 2006 endgültig schließen muss. Was für sie fast noch schlimmer wäre: Die Absicht, die Struktur der Flüchtlingsarbeit von Grund auf zu verändern. Nicht wie bisher die Beratung und Hilfestellung sollen in Zukunft im Mittelpunkt der Tätigkeit stehen, sondern das Hinwirken auf die Rückkehr in das jeweilige Heimatland. "Das ist eine schwierige Sache. Ich kann doch den Menschen, die in der Regel durch Krieg, Vertreibung und Flucht schwer traumatisiert sind, nicht den Rat geben, in ihre Heimat zurückzukehren", sagt Maria Daut.
Das Wort "Trauma" kommt der Diplom-Pädagogin häufig über die Lippen. Not und Elend sind seit sieben Jahren ihr Arbeitsalltag. Ihre "Kunden" wurden aus allen Krisengebieten der Erde nach Harsewinkel gespült: Afghanistan, Armenien, Aserbaidschan, China, Irak, Iran, Libanon, Palästina, Guinea, sind nur ein Paar der Herkunftsländer. Die Menschen sind häufig entwurzelt, verstört und voller Misstrauen. Tod und Hunger, Gewalt, Krieg und Verschleppung haben bei ihnen tiefe Spuren hinterlassen. Wenngleich die Flüchtlingswelle im Vergleich zum Ende der 90er Jahre, als noch mehr als 200 Menschen in den städtischen Übergangseinrichtungen lebten, etwas abgeebbt ist, sind es heute immer noch 140 bis 150 Flüchtlinge und Asylbewerber unterschiedlichster Sprachen, Kulturen und Religionen, die von Maria Daut betreut werden. Dabei geht es um psychische und gesundheitliche Probleme, um die Bereiche Partnerschaft und Familie, um die wirtschaftliche Situation, aber auch Straffälligkeit und Diskriminierung. Außerdem werden von Maria Daut die Bereiche Bildung, Arbeit und soziale Sicherung abgedeckt.
In den Übergangswohnheimen am Prozessionsweg 10, an der Paul-Keller-Straße und in den städtischen Wohnungen auf Dammanns Hof sowie an der Schulstraße in Greffen herrscht eine große Fluktuation. Die Flüchtlinge kommen und gehen, manche werden schnell abgeschoben oder tauchen einfach unter, andere verbringen viele Monate im Flüchtlingsheim und kämpfen mit allen Mitteln für ein Bleiberecht. Die Diplom-Pädagogin, die ihren Jahresbericht vor kurzem dem Sozialausschuss vorlegte, hat ein feines Gespür dafür entwickelt, sich den traumatisierten Menschen behutsam zu nähern und ihr Vertrauen zu gewinnen. "Die Arbeit hat sich im Laufe der Jahre stark verändert. Die Beratung geht heute mehr in die Tiefe, in den persönlichen und familiären Bereich", bilanziert sie.
Sollte ihre Stelle gestrichen werden, dann hätte das weit reichende Konsequenzen. Denn in Steinhagen und Schloß Holte-Stukenbrock ist die Flüchtlingsberatung nach dem gleichen Schema organisiert wie in Harsewinkel. "Wenn eine halbe Stelle weg fällt, dann bricht alles in sich zusammen", ist sich Maria Daut sicher.
lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de
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