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02.07.2005 :
Übersicht
Veröffentlichungen am 02.07.2005
01.) Westfälisches Volksblatt:
(Salzkotten) Nachzahlungen für Asylbewerber / Höhere Leistungen zu spät gezahlt
02.) Westfalen-Blatt:
(Paderborn) Zwölf Haftbefehle gegen Dealer / Afrikanischer Asylbewerber soll in Nigeria Häuser und Konten besitzen
03.) Neue Westfälische:
(Paderborn) Großer Schlag gegen Rauschgiftdealer / Zwölf Festnahmen und 155 Verfahren
04.) Lippische Landes-Zeitung:
Russischer Konsul in Lemgo / Feierliche Gedenkstein-Übergabe auf dem Friedhof
05.) Schaumburger Zeitung:
Flucht aus Ostpreußen: "Die bittere Kälte war unser Glück!" / Zeitzeugin schildert Herder-Schülern ihr Schicksal / 1945 nach Schaumburg
06.) Neue Westfälische:
(Bielefeld) Solidaritätsfest mit Protestliedern
07.) Neue Westfälische:
(Bad Oeynhausen) Ein Werkzeug für den Frieden / Getöteter Soldat Andreas H. feierlich beigesetzt / 300 Trauernde / Kunkel: "Er hat sich selbst gegeben"
08.) Westfalen-Blatt:
(Bielefeld) Leitartikel / Die Linken haben gesiegt / Schröders letztes "Basta" / Von Reinhard Brockmann
09.) Lippe aktuell:
(Augustdorf) Ein General führt die Panzerbrigade
Nachrichten vom 02.07.2005
Flucht / Rassismus
01.) Pilot verweigerte Deportation / Bayerische Behörde wollte selbstmordgefährdete Frau direkt aus der Psychiatrie abschieben (junge Welt)
02.) Verfolgter Kurde soll für BGS-Einsatz zahlen / Nach politischer Haft nun die Rechnung (Neues Deutschland)
03.) Gerichtsentscheidung / Aufruf zur Online-Demo ist strafbar (Spiegel Online)
01.) Pilot verweigerte Deportation / Bayerische Behörde wollte selbstmordgefährdete Frau direkt aus der Psychiatrie abschieben
Die selbst für bayerische Verhältnisse außergewöhnlich gnadenlose Abschiebung einer Flüchtlingsfamilie scheiterte Freitag früh in letzter Minute am Widerstand des Piloten. Wie der Sozialdienst des Münchner Flughafens angab, weigerte sich der Pilot der Adria Airways, Familie Avdija mit ihren vier Kindern mitzunehmen.
Um vier Uhr nachts hatten Polizeibeamte die schwer suizidgefährdete Eljheme Avdija aus der psychiatrischen Klinik in Erlangen geholt. Auf Anraten der behandelnden Ärztin wurde ihr verschwiegen, dass sie zum Flughafen gebracht wurde. Zeitgleich wurden ihr Mann Aziz Avdija und die vier Kinder im Alter von neun bis 16 Jahren aus der Zentralen Rückführstelle (ZRS) für Oberbayern in Zirndorf vom Schubdienst abgeholt und nach München transportiert.
Familie Avdija gehört der Ashkali-Minderheit im Kosovo an. Von dort floh die Familie zuerst nach Slowenien. Als der heute sechzehnjährigen Tochter dort die Verschleppung in die Zwangsprostitution drohte, beantragten die Avdijas in Deutschland Asyl. Da die Familie erstmals in Slowenien Asyl beantragt hatte, soll sie nach dem Willen der deutschen Behörden dorthin deportiert werden.
Gemäß einem aktuellen fachärztlichen Gutachten des Bezirkskrankenhauses Erlangen leidet Frau Avdija unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Nachdem ihr Mann Mitte Juni als "Pfand" für die geplante Abschiebung der ganzen Familie in Haft genommen wurde, hatte Frau Avdija vor den Augen ihrer Kinder einen Suizidversuch unternommen. Nur durch das schnelle Eingreifen von Nachbarn konnte sie gerettet werden. Am Donnerstag unternahm Frau Avdija einen erneuten Selbstmordversuch, nachdem eine Petition beim Bayerischen Landtag abgelehnt worden war. Eine Überprüfung der Reisefähigkeit von Frau Avdija wurde von der ZRS abgelehnt, nachdem ein Attest der behandelnden Ärztin eine Abschiebung unter hohen Sicherheitsvorkehrungen für möglich erklärte. Eine Zusage der slowenischen Behörden, dass Frau Avdija bei ihrer Ankunft in Slowenien ärztliche Hilfe erhält, lag nicht vor. Das Bezirkskrankenhaus Erlangen stehe in der Pflicht, sich nicht den Abschiebeinteressen einer offensichtlich rücksichtslosen Behörde anzupassen, sondern alles zu tun, was zur Gesundung von Frau Avdija beitrage, kritisierte Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. "Die Abschiebung einer nach der Einschätzung der Klinik psychisch stark angegriffenen Frau zu gestatten, ist in unseren Augen mit medizinethischen Grundsätzen nicht vereinbar." Auch der Deutsche Ärztetag habe beschlossen, dass eine reine Prüfung der Flugtauglichkeit ärztlich nicht vertretbar sei.
Nach der gescheiterten Abschiebung wurde die Familie wieder getrennt. Aziz Avdija und seine Kinder sind jetzt wieder im Lager Zirndorf, während seine Frau zurück in die psychiatrische Klinik nach Erlangen gebracht wurde.
Quelle: junge Welt (Nick Brauns)
02.) Verfolgter Kurde soll für BGS-Einsatz zahlen / Nach politischer Haft nun die Rechnung
Karlsruhe (ND-Balle). Der vor acht Jahren zusammen mit seiner Familie in die Türkei abgeschobene Kurde Ahmet Karakus erlebte nach seiner kürzlichen erneuten Flucht in die Bundesrepublik eine böse Überraschung: Das Regierungspräsidium Karlsruhe schickte ihm Mitte Juni einen Bescheid über die damals angefallenen Abschiebekosten von 4.393,16 Euro – davon 4.039,93 Euro für die Begleitung der Abgeschobenen von Stuttgart nach Izmir durch zwei Bundesgrenzschutzbeamte.
Das ist zwar üblich, birgt aber im Falle Karakus einige Brisanz: Die Abschiebung der neunköpfigen Familie hatte nämlich bundesweit für Aufsehen gesorgt, weil die Beamten gegen den erklärten Willen der Familie in der Wohnung der Kurden gefundene politische Dokumente an die türkische Polizei übergeben hatten. Aufgrund dieser Unterlagen war der Familienvater vom Staatssicherheitsgericht Izmir wegen Unterstützung der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden, von denen er mehr als zwei Jahre in der Türkei absitzen musste. Karakus war während der Verhöre gefoltert worden und hatte in der Haftzeit schwere gesundheitliche Schäden erlitten.
Über seine Karlsruher Rechtsanwältin Brigitte Kiechle stellte Karakus nun den Antrag auf Widerruf des Kostenbescheids. Das Vorgehen des Regierungspräsidiums, Karakus für das "unverantwortliche Verhalten der Beamten", die mitverantwortlich für seine Gefängnisstrafe seien, auch noch bezahlen zu lassen, nannte Kiechle "geradezu zynisch".
Quelle: Neues Deutschland
03.) Gerichtsentscheidung / Aufruf zur Online-Demo ist strafbar
Online ist nicht mit Offline vergleichbar, entschied das Amtsgericht Frankfurt, und wertete die Blockade der Lufthansa-Website im Juni 2001 als Nötigung. Die Organisatoren wollten mit der Blockade gegen das Abschiebegeschäft protestieren und beriefen sich auf das Recht auf Versammlungsfreiheit.
Das Betätigen der Computer-Maus kann eine Form von physischer Gewalt sein, ausgeübt mittels der elektrischen Impulse, die der Mausklick bewirkt und die wiederum eine Aktion eines Computerprogramms auslösen. Das entschied jedenfalls das Amtsgericht Frankfurt/Main unter Richterin Bettina Wild im Prozess gegen den Inhaber der Domain www.libertad.de.
Der arbeitslose Schreiner Andreas-Thomas V. war angeklagt, im Jahr 2001 als Mitglied der Initiative "Libertad!" durch Texte auf der Webseite und in gedruckter Form zur Beteiligung an einer Online-Demo und damit zur Nötigung aufgerufen zu haben.
Am Tag der Hauptversammlung des Konzerns sollte zwischen zehn und zwölf Uhr massenhaft die URL www.lufthansa.com aufgerufen werden mit dem Ziel, die Zugriffszeiten deutlich zu verlangsamen. Die Initiative "Libertad!" warf der Lufthansa, von der Abschiebung von Flüchtlingen zu profitieren, die mit Maschinen der Airline nach Hause geschickt werden.
Im besten Fall erhofften sich die Aktivisten, dass die Webseite nicht mehr zugänglich sei - was, wie sich im Laufe des Prozesses herausstellte, für acht bis zehn Minuten auch tatsächlich der Fall war.
Auf einer weiteren Webseite wurde von anderen Protestierern eine Software bereitgestellt, die diese Aufrufe automatisierte, beschleunigte und vor allem verhinderte, dass die Seite nach dem ersten Aufruf nur noch aus dem lokalen Cache geladen wurde. Von Libertad.de wurde zu dieser Seite verlinkt.
Nun wurde der Domaininhaber von libertad.de zu einer Strafe von 900 Euro verurteilt. Der Angeklagte und sein Anwalt kündigten noch im Gerichtssaal Revision an. In ihrem Urteil betonte die Richterin - wie bereits zuvor die Staatsanwältin -, dass es nicht um die Verurteilung der politischen Aktivität des Angeklagten gehe. Verurteilt werde auch nicht ein Aufruf zu einer Demonstration, sondern die öffentliche Aufforderung zu Straftaten. Denn die Blockade der Lufthansa-Webseite sei ebenso Gewalt mittels elektrischer Energie wie beispielsweise die Anwendung eines Elektro-Schockers, so die Richterin.
Dadurch seien User, die im fraglichen Zeitraum auf der Webseite beispielsweise Tickets hätten buchen wollen, genötigt worden. Und zwar unbeschadet von den Ausweichmöglichkeiten und ungeachtet der Tatsache, dass zwei Lufthansa-Zeugen keine konkreten Angaben zu Buchungsausfällen machen konnten.
In seinem Schlusswort sagte der Angeklagte, die Fluglinie versuche einen Spagat: Die Wirkung der Online-Demo werde geleugnet und zugleich Strafanzeige eingereicht. Der Konzern behaupte einen immensen Schaden, könne dazu aber keine Zahlen über die gut 42.000 Euro für technische Abwehrmaßnahmen hinaus vorlegen.
Die Airline trage auch selbst Schuld: "Die Blockier-Software sei lange nicht so effektiv gewesen wie die Lufthansa-eigenen Maßnahmen, etwa die, zwischen Servern, die die Seite lufthansa.com bereit hielten, hin und her zu switchen. Die "Demonstrierenden" hätten keinen Einfluss darauf gehabt, dass bei diesem Umschalten die in den Speichern gehaltenen Kundendaten und Buchungen nicht "mitgenommen" wurden, sagte der Angeklagte. "Lufthansa verzichtete auf Einnahmen zugunsten der Übertragung der Rede ihres Chefs Jürgen Weber."
Der Anklageschrift zufolge gab es in den fraglichen zwei Stunden rund 1,2 Millionen Zugriffe von gut 13.600 verschiedenen Rechnern, darunter waren fast 160 IP-Adressen mit einer auffällig hohen Zahl von Zugriffen. Dies dürften vermutlich Rechner gewesen sein, die sich der Protestsoftware bedienten. Aber wer kann letzten Endes unterscheiden, warum jemand am fraglichen Tag zur fraglichen Zeit die Webseite aufrief? Der Klick der Kundin besteht wie der des Demonstranten aus Einsen und Nullen - und die sehen einander nun mal zum Verwechseln ähnlich.
Dass die rechtliche Beurteilung schwierig ist, darauf deutet nicht nur die lange Verfahrensdauer hin. Sondern auch, dass noch am Vorabend der Aktion dass Bundesjustizministerium von Terrorismusverdacht sprach. Das förmliche Ermittlungsverfahren wurde dann aber erst nach einer Anzeige der Lufthansa aufgenommen und lautet auf "Verdacht auf Computersabotage und Eindringen in Datennetze". Übrig blieb dann nur noch die Anstiftung zur Nötigung - und zahlreiche Versuche der Staatsanwaltschaft, einen Prozess zu vermeiden.
"Wir wurden mit Kompromissangeboten geradezu überhäuft. So sollte das Verfahren wegen geringer Schuld gegen eine Geldbuße von 50 Euro eingestellt werden" hatte der Anwalt des Angeklagten im Vorfeld des Prozesses in einem Interview mit dem Onlinemagazin Telepolis gesagt.
Quelle: Spiegel Online (Martin Brust)
Schlagzeilen vom 02.07.2005
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