www.hiergeblieben.de

Neue Westfälische , 28.06.2005 :

(Wewelsburg) Relikte mit Blick auf die Opfer / Einblicke in KZ-Alltag: Ausstellung "Zwischen Schießstand und Kohlenkeller"

Von Julika Gausmann

Büren-Wewelsburg. Eine einfache Holzbretterwand ist im Burgsaal der Wewelsburg aufgebaut. Dass sie einst Bestandteil jener Baracken war, in denen die Häftlinge des KZ Niederhagen eingepfercht waren, sieht man ihr nicht an.

Erst die Erfahrungsberichte von überlebenden Zeitzeugen hauchen der stummen Wand Leben ein, erfüllen den Betrachter mit Grauen über unmenschliche Lebens- und Arbeitsbedingungen, die sich dahinter verbargen.

"Zig Männer in einem Raum, ein jeder riecht anders, was das für ein Gestank war - ein Affenstall ist nichts dagegen." Kirsten John-Stucke, stellvertretende Leiterin des Kreismuseums, zitierte den ehemaligen Häftling Friedrich Klingenberg bei der Einführung in die Sonderausstellung "Zwischen Schießstand und Kohlenkeller" am Sonntag vor rund 100 Besuchern. Es seien historische Objekte, die eine Aura ausstrahlen und eine reale Vorstellung von der nationalsozialistischen Vergangenheit vermitteln würden.

Doch ebenso wenig wie die Barackenwand erschließen sich auch die anderen historisch bezeugten Relikte nicht von selbst. Seien es Knochenfunde aus der 2002 freigelegten Kläranlage, die Aufschluss über den Ernährungszustand geben, oder die im Schießstand ausgegrabenen Artefakte wie Wehrmachtshelm, Klapptisch und ein erst am Samstag entdeckter Schussstandanzeiger. Mit dem archäologischen Material muss man sich auseinander setzen.

Auszüge aus Häftlingsberichten und Zeitzeugen-Interviews kommentieren die einzelnen Themenaspekte aus der Opfersicht, wie John-Stucke betonte, nicht aus der in SS-Dokumenten belegten Tätersicht. Hinzu kommt, dass archäologische Untersuchungen helfen, Erkenntnisse über den tatsächlichen Zustand zu gewinnen, der nicht selten von dem in Schriftstücken überlieferten Plan abweicht.

Zahlreiche ehemalige Gefangene, die das Kreismuseum im Laufe der Jahre befragen konnte, lassen die Ausstellung der toten Gegenstände lebendig werden. Ein Schicksal wurde jedoch bei der Eröffnung besonders hervorgehoben. Die Erinnerungen des Ukrainers Alexander Schtscherbinin an das KZ Niederhagen hielt die Filmemacherin Dr. Anne Roerkohl aus Münster in einem packenden Dokumentarfilm fest.

Sowohl die Ausstellung als auch der Film sind Ergebnisse eines durch die Europäische Union geförderten Projektes. Bis zum 31. Juli sind die Fundstücke zu den Öffnungszeiten des Kreismuseums zu besichtigen. Es ist allerdings geplant, die Exponate auch in die Neukonzeption der Dauerausstellung zu integrieren.


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

zurück