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Neue Westfälische ,
21.06.2005 :
Kleiner Mann mit großer Wirkung / Sally Perel berichtete am Montag im Gymnasium Löhne über seine Zeit als "Hitlerjunge Salomon"
Von Eva-Maria Maggi
Löhne. "Ich hörte auf jüdisch zu sein und wurde Nationalsozialist." Sally Perel hob am Tag die Hand zum Hitlergruß und Nachts weinter er vor Zerrissenheit.
Am Montagmorgen erzählte er im Gymnasium Löhne seine Geschichte, wie er im Nazi- Deutschland als "Hitlerjunge Salomon" überlebte. Zwei Stunden lang lauschten rund 200 Schüler aufmerksam dem 80-jährigen Zeitzeugen aus Israel.
Der kleine Mann mit dem grauen Anzug sitzt ein wenig verloren auf der Aulabühne des Gymnasiums. Der Tisch, auf dem er sein Buch "Ich war Hitlerjunge Salomon" aufgeschlagen hat, ist etwas zu groß für ihn, die 200 Blicke die sich auf ihn richten,sind gespannt.
Sally Perel selbst sieht sich als "Lehrer gelebter Geschichte": "Ich will nicht das Gedächtnis beschweren, sondern euren Verstand erleuchten", macht er gleich zu Anfang seines Vortrages klar. Und die Kinder und Jugendlichen aller Klassen des städtischen Gymnasiums horchten auf.
Nach Flucht und Todesangst wird der 14-jährige Jude Sally zu "Josef", dem Hitlerjungen. Er gibt bei einer Personenkontrolle in Polen seine Papiere als verloren an und schlüpft in eine neue Identität. Er spielt seine Rolle perfekt. Bis zum Kriegsende bleibt der lebensrettenden Schwindel fast unbemerkt.
"Hatten Sie denn keine Freundin zu der Zeit?" fragt Alexander Janzen, Schüler der 11. Klasse im Nachgespräch und spielte auf die rituelle Beschneidung der Juden an, ein nicht kaschierbares Merkmal, das Perel bis zum Kriegsende höchst geheim halten musste.
"Ja, die hatte ich," antwortete Perel. Seine Jugendliebe"Leni" war im Bund deutscher Mädel" (BDM) und habe von seiner wahren Identität erst nach dem Krieg erfahren, schildert er. Ihre Mutter wusste, dass "Josef" Jude war, erzählte aber nichts: "Leni hätte mich an die Nazis verraten."
Immer wieder nahm Sally Perel, der für seine Aufklärungsarbeit das Bundesverdienstkreuz erhalten hat, auch aktuellen Bezug. "Es ist erschreckend, was heute in Deutschland passiert," verurteilte er die Aufmärsche von Hakenkreuzträgern und den Wahlerfolg der NPD in Sachsen. "Ihr habt nicht die Schuld, aber die Verantwortung, dass meine Geschichte nicht noch einmal passiert."
Immer wieder richtete sich Perel direkt an sein junges Publikum, das ihm mit langem Applaus dankte. Im Anschluss an die Veranstaltung signierte Sally Perel zahlreiche Bücher für die Schüler. Die sieben anwesenden Klassen und Kurse besprachen ihre Eindrücke in Gruppen weiter.
lok-red.loehne@neue-westfaelische.de
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