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Westfalen-Blatt ,
20.06.2005 :
(Bielefeld) Leitartikel / Landesparteitage / Festspiele in Schwarz und Gelb
Von Reinhard Brockmann
CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen, insbesondere deren Landtagsfraktionen, müssen sich erst noch auf die neue Rolle als Rückenstütze eine Kabinetts aus den eigenen Reihen gewöhnen. Das Durchwinken und Gutheißen war an diesem heißen Wochenende noch eine gern erfüllte Pflicht. Für viele Delegierte boten die beiden Sonderparteitage in Düsseldorf und Dortmund erstmals Gelegenheit, den frisch errungenen Sieg zu feiern. Das braucht eine Partei und das darf sie auch.
Erstes Wasser in den Wein gossen Jürgen Rüttgers und Andreas Pinkwart, die längst im knietiefen NRW-Morast nach Belastbarem tasten. Trittsteine und Dollpunkte für ihre neuen Projekte werden sie kaum finden.
Die fast hundertprozentige Zustimmung zum Koalitionsvertrag darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in der Union Anhänger von fünf Bezirksregierungen gibt, dass selbst in der FDP manche die Kohle nicht gar so hart anfassen wollen und dass beide Parteien schwach werden, wenn die mächtigen Sozialverbände im Lande demnächst ihre Spruchbänder ausrollen.
All das war noch kein Thema, wohl aber die Hoffnung, dass am Ende nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde.
"Düsseldorf zeichnet in diesen Tagen die Blaupause für Berlin."
Wirklich bemerkenswert waren in der ausgezeichneten Rede von Jürgen Rüttgers die Verweise auf Norbert Blüm, sozialdemokratische Ikone der Partei, und die Tatkraft Konrad Adenauers. Rüttgers dürfte gerade von den Nachkriegsbildern in den kommenden Jahren noch reichlich Gebrauch machen. Er muss zeigen, dass ein Aufstieg aus Ruinen nur über persönliche Opfer, politischen Mut, ohne Netz und doppelten Boden zu schaffen ist.
Inzwischen wird immer klarer: das Sparsymbol Steinkohle ist nur ein Bruchstück, dessen, was wirklich ansteht. Was sind schon 750 Millionen Euro, die hier in fünf Jahren gespart werden können, bei 2,2 Milliarden Euro, die Jahr für Jahr in NRW eingespart werden müssen? Würde morgen der Geldhahn total abgedreht, die gesamte Kohlesubvention des Landes (500 Millionen) würde nicht ausreichen, um die Misere zu beheben.
4.000 Lehrerstellen, die zusätzlich geschaffen werden sollen, müssen über den Abbau von 1,5 Prozent der Stellen in der Landesverwaltung erwirtschaftet werden. Auch das reicht nicht. Am Ende könnten nur die Verwaltungskräfte, die in die Schulen kommen, mit frei werdender Lehrerarbeitszeit verrechnet werden
Die Zahlen passen nicht zueinander. Ein gerade zu simpler Satz, den Rüttgers mehrfach fallen ließ, stimmt die Bürger auf harte Zeiten ein: "Es geht nicht mehr, als wirklich geht."
Düsseldorf zeichnet in diesen Tagen die Blaupause für Berlin. Dort hat man verstanden, dass die Ankündigung von Verzicht und Kürzung, Wähler bringt statt verschreckt. Die NRW-Sieger dürfen sich zudem zugute halten, die Regierung Schröder/Fischer aus dem Amt getrieben zu haben. Der Platz unter den Großen der Partei ist Jürgen Rüttgers sicher.
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