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Dewezet , 06.06.2005 :

Das nächste große Ziel: Eine neue Synagoge / Vor 25 Jahren wurde die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Hameln gegründet

Von Wolfhard F. Truchseß

Hameln. Es war im April 1980 eigentlich ein Akt der Widersprüchlichkeit als Oberstudienrektor Martin Günther gemeinsam mit sieben anderen Hamelner Bürgern die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gründete. Ein Akt der Widersprüchlichkeit, weil es in Hameln damals praktisch kein jüdisches Leben mehr gab, an die Synagoge nur ein 1978 von der Stadt gestifteter Gedenkstein und die beiden Stiel eichen in der Bürenstraße erinnerten. Aber Hameln hatte seine ehemaligen jüdischen Mitbürger, von denen viele in den Konzentrationslagern ums Leben gekommen waren, nicht vergessen. Auf Anregung des damaligen SPD-Stadtverbandsvorsitzenden Werner Stapp hatte es zur 40. Wiederkehr der so genannten Reichskristallnacht eine kleine Ausstellung über das Leben der Juden in Hameln gegeben, die von der erst 1975 nach Hameln zugezogenen Christa Bruns organisiert wurde.

Diese auch vom damaligen Oberbürgermeister Walter Dieter Kock nach Kräften geförderte Ausstellung gab den Anstoß für neue Aktivitäten. Ein Schülerwettbewerb über das Leiden der Juden in Deutschland im Dritten Reich wurde von der Stadt Hameln ausgeschrieben und die Stadt nahm Kontakt zu ehemaligen jüdischen Hamelnern auf, die rechtzeitig emigrieren konnten und in alle Welt zerstreut waren. Tatsächlich besuchten im September 1982 zum ersten Mal 16 ehemalige jüdische Mitbürger zum Teil mit ihren Familien die Rattenfängerstadt. Das umfangreiche Programm war gemeinsam von der Stadt, den Kirchen und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit organisiert worden. Seitdem finden diese Besuche alle zwei Jahre statt und haben zu vielfältigen freundschaftlichen Beziehungen zwischen Hamelner Familien und diesen in Ländern wie Israel, Brasilien, den Niederlanden, Engalnd, Australien, Südafrika und den USA verstreuten Menschen und ihren Kindern und auch Enkeln geführt.

Als die Gesellschaft, die sich vor allem für die Brüderlichkeit aller Menschen ohne Unterschied der Rasse, des Glaubens oder der Herkunft einsetzt, am 15. April 1980 gegründet wurde, fand sich von den ganz wenigen in Hameln lebenden Juden keiner zu einer aktiven Mitarbeit bereit. Gründungsvorsitzende wurden deshalb Martin Günther fürdie evangelische Kirche, Pfarrer Osseforth für die katholische und Christa Bruns für die reformierte und die evangelische Kirche. Als Beisitzer wurden damals Frau Bartsch und Pastor Martin Hoffmann gewählt. Seit 1989 hat die Gesellschaft mit der aus den USA stammenden Rachel Dohme auch eine jüdische Vorsitzende. Im Jahr 1989 übernahm außerdem der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom die Geschäftsführung der Gesellschaft. Gelderblom ist es zu danken, dass die Spuren jüdischen Lebens im Landkreis gesichert, wissenschaftlich ausgewertet und mehrere Bücher publiziert wurden. Martin Günther erhielt für seine Verdienste auf Anregung von Superintendent Lange im Januar 1982 das Bundesverdienstkreuz.

EineÜbersicht über die Veranstaltungen der ersten Jahre zeigt eine vielfältige Beschäftigung mit christlich-jüdischen Themen. Reisen nach Israel, später auch in seine Nachbarländer, wurden organisiert, aber auch nach Polen und Auschwitz sowie zu den KZ-Gedenkstätten Buchenwald, Bergen-Belsen, Neuengamme und Theresienstadt.

Bei gemeinsamen Forschungen der Gesellschaft mit der Universität Bielefeld über die Geschichte eines jüdischen Jugendbundes im Bereich Hameln-Pyrmont stellte sich heraus, dass in den 1920er Jahren in und um Hameln der erste zionistische Kibbutz außerhalb Palästinas, der Kibbutz Cheruth, entstanden war, aus dem in Israel nach 1948 der größte Kibbutz desLandes "Givat Brenner" wurde.

Das nächste große Projekt, an dem sich auch die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit tatkräftig beteiligt, ist der geplante Wiederaufbau der 1938 zerstörten Synagoge. Eine fünfköpfige Gruppe aus der Gesellschaft gründete im Jahr 2004 unter Leitung von Rachel Dohme eine Stiftung und einen Arbeitskreis zu ihrer Wiedererrichtung.


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