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Westfalen-Blatt , 09.09.2002 :

350 Teilnehmer gedenken zum 35. Mal der 65.000 Stalag-Opfer / "Keine Beteiligung an Irak-Krieg"

Schloß Holte-Stukenbrock (igs). Die 14-jährige Lena Schumann, Schülerin der Schule Nr. 863 aus Moskau, wandte sich am Samstag mit einer großen Bitte an die Zuhörer auf dem sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock-Senne: "Schützt die jungen Leute vor Krieg!", bat die junge Russin die Teilnehmer der Mahn- und Gedenkveranstaltung des Arbeitskreises "Blumen für Stukenbrock" "Möge sich das, was hier geschah, niemals wiederholen." Ein Appell, der nach Ansicht vieler Redner gerade heutzutage wegen des drohenden Krieges der USA gegen den Irak von großer Aktuatität ist.

350 Teilnehmer waren nach Schätzungen der Polizei am Samstag der Einladung des Arbeitskreises gefolgt und gedachten zum 35. Mal der 65.000 Kriegsgefangenen, die im Stalag 326 das Terrorregime der Nationalsozialisten nicht überlebt hatten, und der Opfer von Faschismus und Terrorismus. Vor 35 Jahren habe man ein Zeichen gegen das Vergessen, und gegen den Kalten Krieg setzen wollen erinnerte Arbeitskreis-Vorsitzender Werner Höner an die Anfänge der traditionellen Veranstaltung. Viele hätten das Anliegen des Arbeitskreises verstanden, auch heute sei die Mahnung von Stukenbrock nicht verstummt.

Besonders begrüßte Werner Höner die Gruppe der Moskauer Schule, die eine Patenschaft für die Überlebenden des Stalag 326 übernommen hat, sich mit der Geschichte des Kriegsgefangenenlagers befasst und ein Stalag-Museum eingerichtet hat. "Die Überlebenden treffen sich regelmäßig in unserer Schule", berichtete Lena Schumann den Teilnehmern. "Es wäre schön, wenn sich auch hier eine Schule diesem Thema widmen wurde", wünschte sich Werner Höner.

Staatssekretär Wolfgang Riotte stellte in Vertretung von Ministerpräsident Clement die Frage, was geschehe, wenn die Zeitzeugen nicht mehr leben würden" "Wer trägt die Erinnerung weiter?" Angesichts der Krisensituation im Nahen Osten unterstrich Riotte dass die Mitwirkung Deutschlands an Friedensmission unstrittig sei. Strittig sei dagegen die Beteiligung bei der Wiederherstellung von Frieden oder der Beseitigung von verbrecherischen Regimes. Eine Beteiligung käme nur im Auftrag der UNO in Frage. Als positives Zeichen wertete - der Staatssekretär die Einrichtung des internationalen Strafgerichtshofes, auch wenn er noch nicht die Anerkennung besitze, die er brau- che. Stellvertretende Landrätin Heike Kunter betonte, das Anliegen des Arbeitskreises sei heute wichtiger denn je. Menschen müssten so gebildet werden, dass sie Fremdes nicht mehr als Bedrohung ansehen würden. "Die Erinnerung und das Lernen aus der Vergangenheit sind der beste Schutz vor Fehlern in der Zukunft."

Im Alltag müsse man dem Rassismus widerstehen und Widerstand leisten, betonte PDS-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke. Faschismus und Radikalismus dürften nicht toleriert werden, betonte Gehrcke und brachte seine Sorge zum Ausdruck, "dass in den nächsten Tagen der Krieg gegen den Irak beginnt". Wie seine Vorredner forderte er die Bundesregierung zu Taten auf, "die auch in den USA verstanden werden wie den sofortigen Rückzug der ABC-Spürpanzer aus Kuwait.

Ihren Teil dazu, dass die Erinnerung an die Opfer des Stalag 326 nicht verblasst, leisteten am Wochenende auch die Teilnehmer des "Antifa-Camps" des Antifaschistischen Kreisplenums Gütersloh. Sie legten den Weg zu dem Teil des Soldatenfriedhofs frei in dem 157 - inzwischen exhumierte - italienische Kriegsgefangene begraben worden waren. Dies sei von der italienischen Botschaft schon häufig angemahnt worden, berichtete Kai Venohr von der Gruppierung. Rund 80 Jugendliche hatten am Wochenende in dem Camp übernachtet, das seit den 70er Jahren veranstaltet wird, um den Fried- hof vor Schändungen zu schützen Sie hatten außerdem in Arbeitsgruppen diskutiert und mit Zeitzeugen das Gespräch gesucht.


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