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Lippische Landes-Zeitung ,
04.06.2005 :
(Kreis Lippe) Zum Wochenende / Realität, nicht Vision
Von Axel Bürger
Zugegeben, ich war in dieser Woche etwas angenervt. Genervt, weil Afrora Bajaj, 20 Jahre alt, in Blomberg lebend, in Deutschland nicht in einer Heißmangel arbeiten darf. Sie darf es nicht, weil sie nach einem gescheiterten Antrag auf Asyl nur "geduldet" wird. Die 20-Jährige könnte nur dann eine Arbeit annehmen, wenn kein Deutscher oder ein anderer EU-Bürger den Job formell ablehnt oder er ihm nicht zugemutet werden kann. Super Idee - in einem Land, das sich müht, den Bürokratieabbau voran zu treiben. Eben nur bemüht. An vielen Stellen erfolglos. Bald haben Rüttgers und Co., vielleicht sogar Frau Merkel, ja die Chance, diese Dinge besser zu machen als die Steinbrücks oder Schröders. Obs gelingt?
Fakt ist: Multi-Kulti als Gesellschaftsmodell ist nicht gescheitert. Das ist eine schlichte Themaverfehlung, denn die multikulturelle Gesellschaft ist Realität, nicht Vision. Realität kann nicht scheitern, man kann sich ihr verweigern. Auch hier kommt auf die CDU eine Herausforderung zu. Sieht man den Fall der Afrora Bajaj, bleibt unterm Strich die Frage, wie ernst es die Parteien mit ihren ständigen Reformversprechen meinen. Sind es gar Versprecher?
Schon unter Kohl (1998) hatten rund 285.000 Ausländer in Deutschland den Status der Duldung. Was soll das? Und, warum bitte schön, gibt es erst Staatsdiener, die Gesetze generieren, die dafür sorgen, dass jemand einerseits kein Asyl verdient, andererseits aber nicht abgeschoben werden kann, weil in dessen Heimatland gerade nicht alles zum Besten gestellt ist. Sorry, aber passt da vielleicht irgendwas nicht zusammen? Und dann "duldet" der Staat Menschen, damit wieder andere Staatsdiener entscheiden, dass eine 20-Jährige in Blomberg nicht in einer Heißmangel arbeiten darf!? Das ist mindestens Unsinn. Ich bitte um Veränderung.
04./05.06.2005
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