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Die Welt ,
03.06.2005 :
(Bückeburg) Sex-Affäre bei der Bundeswehr / Ermittlungen in niedersächsischer Kaserne / Wehrbeauftragter eingeschaltet / Vorfälle überschatten Jubiläum
Von Hans-Jürgen Leersch
Berlin. In der Heeresfliegerkaserne Bückeburg (Niedersachsen) ist es unter Soldaten und Soldatinnen zu erheblichen sexuellen Ausschweifungen und Alkoholexzessen gekommen. Ein Sprecher der Bundeswehr bestätigte der Welt, dass wegen einer ganzen Reihe von Vorfällen in Bückeburg ermittelt werde. Nach Informationen der Welt wurden inzwischen sieben Soldaten versetzt. Entlassungen soll es noch nicht gegeben haben.
Aufgedeckt wurden die Vorgänge durch eine Mitte April beim Wehrbeauftragten eingegangene Eingabe. Als Hauptbeteiligte werden Feldwebel genannt, aber auch mindestens ein Offizier soll beteiligt gewesen sein.
Soldaten sollen sich in Duschräumen gegenseitig bei sexuellen Handlungen fotografiert haben. Auf den Fotos sollen auch gegenseitige Intimrasuren zu sehen sein. Auch Soldatinnen sollen sich für Nacktfotos zur Verfügung gestellt haben. Bei den Bildern sollen Szenen aus Filmen nachgestellt worden sein. CDs mit den Fotos würden unter den Soldaten kursieren, heißt es.
Unter den Feldwebeln kam es mehrfach zu schweren alkoholischen Exzessen (sogenanntes Koma-Trinken), etwa nach Beförderungen. Ein anderer Anlaß für Alkoholexzesse war zum Beispiel die Beendigung des Grundwehrdienstes. Dabei wurden auch Flaschen an die Wände geworfen. Die Soldaten hatten auch für ihre Stuben besondere Namen gefunden: Sie hießen "Hölle", "Olymp" und "Walhalla". Irgendwelche Hinweise auf rechtsextremistische Äußerungen oder das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole wurden bei den bisherigen Ermittlungen nicht gefunden.
Der Bundeswehr-Sprecher sagte, nach den bisherigen Ermittlungen sei kein Soldat von Vorgesetzten zu Handlungen gezwungen worden. Die Bundeswehr sei dabei, die Vorfälle lückenlos aufzuklären. Es gehe nicht um strafrechtlich relevante Handlungen, sondern um ein achtungs- und vertrauenswürdiges Verhalten, zu dem die Soldaten verpflichtet seien. Es werde auch der Frage nachgegangen, ob die Dienstaufsicht nicht funktioniert habe.
Der Fall Bückeburg sei nicht mit den Vorfällen in Coesfeld vergleichbar, wo Soldaten von Ausbildern gequält worden waren, heißt es in der Bundeswehr. Es sei aber schon jetzt so gut wie sicher, dass die Dienstaufsicht nicht funktioniert habe.
Die Bückeburger Vorfälle kommen Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) und der Führung der Bundeswehr höchst ungelegen. Dort bereitet man sich derzeit auf die Feiern zum 50jährigen Bestehen der Bundeswehr vor. Sie beginnen am kommenden Dienstag mit einem Festakt in Berlin, bei dem Bundeskanzler Gerhard Schröder die Hauptrede hält. Die Feierlichkeiten, die unter dem Motto "Entschieden für Frieden" stehen, könnten jetzt durch das Bild einer Truppe, in der Sauforgien und Sexspiele stattfinden würden, getrübt werden, wird in der Bundeswehr befürchtet.
Beim Wehrbeauftragten betrafen im letzten Jahr 40 der insgesamt 6.200 Eingaben Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Dabei handelte es sich meistens um verbale Entgleisungen. In einem Fall schickte ein Stabsfeldwebel einer ihm unterstellten Soldatin Kurzmitteilungen über Handy, in denen er ihr seine Liebe erklärte. Probleme im Umgang mit Alkohol spielen im Bericht des Wehrbeauftragten keine Rolle. Es wird aber im Zusammenhang mit Suchterkrankungen darauf hingewiesen, dass auch bei Alkoholproblemen Truppenpsychologen, Sozialarbeiter und Militärseelsorger kontaktiert werden können. Seit längerem gibt es bei der Bundeswehr eine "Arbeitsgemeinschaft Soldatenselbsthilfe gegen Sucht". Sie stehe allen Soldatinnen und Soldaten als Ansprechpartner zur Verfügung. Auch die Bundeswehr hat ein Aufklärungsprogramm gegen Suchtgefahren.
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