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Schaumburger Zeitung , 03.06.2005 :

(Bückeburg) Soldatinnen bei Saufgelage sexuell belästigt / Heeresamt ermittelt an der Waffenschule / Weitergehende Vorwürfe zu 90 Prozent vom Tisch

Von Raimund Cremers

Bückeburg. Nach einer Eingabe an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages laufen derzeit umfangreiche Ermittlungen an der Heeresfliegerwaffenschule Bückeburg. Von der vorgesetzten Dienststelle, dem Heeresamt Köln, wird wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen die sexuelle Selbstbestimmung, unzulässiger Wortwahl und Alkoholmissbrauch ermittelt. Betroffen sein soll ein "umfangreicher Personenkreis", bestätigte der Wehrbeauftragte Recherchen unserer Zeitung.

Die Vorwürfe richten sich überwiegend gegen die Dienstgruppe der Unteroffiziere, die unterstellten Vorgänge sollen sich innerhalb dieser Dienstgruppe abgespielt haben - also nicht gegenüber Untergebenen. Bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts wurden sieben Soldaten zunächst andere Dienstpostenzugeteilt.

Nach Informationen unserer Zeitung stehen die seit Mitte April laufenden Untersuchungen bereits kurz vor dem Abschluss. Sie ergaben bisher, dass "etwa 90 Prozent" der Vorwürfe "vom Tisch sind", wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war. Besonders der gravierendste Vorwurf, der Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung, sei aller Voraussicht nach nicht haltbar.

Wie weit die beiden anderen Punkte haltbar sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Hier müsse noch der Abschlussbericht abgewartet werden.

Die Waffenschule wollte sich auf Anfrage zu den Untersuchungen nicht äußern, sondern verwies auf die vorgesetzte Dienststelle. Das Heeresamt in Köln bestätigte lediglich, dass es vom Wehrbeauftragten für die Klärung des Sachverhalts eingeschaltet worden sei und vor Ort ermittle: Ein übliches Verfahren, wenn den Wehrbeauftragten eine Eingabe erreiche. Zum Stand der Dinge verwies der Pressesprecher des Heeresamtes, Oberstleutnant Gerd Broich, auf das laufende Verfahren: "Bis zu dessen Abschluss gibt es keine Informationen oder Details."

Der Pressesprecher des Wehrbeauftragten, Guido Lage, bestätigte den Eingang der Eingabe. Sein Amt sei daraufhin "umgehend" tätig geworden. "Wir nehmen die Eingabe sehr ernst, im Moment wird aufgeklärt." Ob die Vorwürfe haltbar seien, könne er aber erst nach Eingang des Abschlussberichtes des Heeresamtes sagen. Er bestätigte aber, dass ein "umfangreicher Personenkreis" betroffen ist: sowohl Betroffene, Petitenten, aber auch Zeugen. Vorwiegend sollen sich die "Vorkommnisse" in der Dienstgruppe der Unteroffiziere abgespielt haben. Auskünfte zu Details könne und werde er aber nicht geben, so Lage: "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit."

Der Wehrbeauftragte nimmt die Untersuchungen nicht selbst vor, sondern beauftragt damit - je nach Schwere der Vorwürfe - eine vorgesetzte Dienststelle, die hoch bis zum Verteidigungsministerium gehen kann.

Bei den Vorwürfen des Verstoßes gegen die sexuelle Selbstbestimmung sollen keine Soldatinnen betroffen sein, so Informationen unserer Zeitung. Vielmehr hätten im Zuge von so genannten Initiationsriten Soldaten gezwungen werden sollen, Handlungen an sich selbst vorzunehmen, um - nach Vollzug der Beförderungen - auch innerhalb der Kameraden Aufnahme in bestimmte Dienstgruppen zu finden. Die Ermittlungen hätten inzwischen aber ergeben, dass diese Vorwürfe nicht haltbar sind. "Da ist nichts dran, auch nicht an anderen Initiationsriten", so ein Informant zum Ermittlungsstand. Auch dieses wurde offiziell nicht kommentiert.

Zu "unzulässiger Wortwahl" sei es im Zusammenhang mit Zechgelagen innerhalb der Kasernenmauern gekommen. In diesem Zusammenhang mussten Soldatinnen sexistische Aussagen erdulden. Diese Aussagen können juristisch, je nach Auslegung, auch als Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung gewertet werden. Nach den bisherigen Ermittlungen scheinen sich die Vorwürfe wegen unzulässiger Wortwahl und Alkoholmissbrauch gegen "einige Soldaten" teilweise zu bestätigen. Auch hierzu gab es von offizieller Seite aber keine Bestätigung.

Aus Bundeswehrkreisen wurde gestern Abend noch ein Bericht der heute erscheinenden Tageszeitung "Die Welt" zurückgewiesen, wonach sich Soldatinnen und Soldaten beim Duschen gegenseitig bei sexuellen Handlungen fotografiert und dabei Szenen aus einschlägigen Filmen nachgestellt hätten. "Da ist absolut nichts dran." Auch Schamhaarrasuren unter Zwang wurden in diesem Zusammenhang ausgeschlossen.


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