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Dewezet ,
03.06.2005 :
(Linse/Luxemburg) Wenn aus Kriegsgegnern Freunde werden / Ludwig Lindemann pflegt Kontakte bei regelmäßigen Veteranentreffen / "Wichtig für Nachkommen"
Linse/Luxemburg (dy). Im Dezember '44 nahm die Einheit von Ludwig Lindemann, damals Kompanieführer der 6. Kompanie des Infanterieregiments 77 in der 26. Volksgrenadier Devision, während der Ardennen-Offensive 300 amerikanische Soldaten und acht Offiziere in Luxemburg gefangen. Drei dieser Soldaten hat der heute 82-jährige Linser beim Veteranentreffen 1993 in Luxemburg erstmals wiedergesehen - sie haben sich vor dem Kriegsdenkmal die Hand gereicht. Dem ersten Treffen folgten weitere, die für beide Seiten sehr bewegend waren.
"Es ist wichtig für unsere Nachkommen zu wissen, dass aus Kriegsgegnern Freunde geworden sind", erklärt Ludwig Lindemann, der seitdem drei- bis fünfmal jährlich nach Luxemburg gefahren ist. Regelmäßige Veteranentreffen und Besuche von Luxemburgern, die inzwischen zu Freunden geworden sind, gehören dazu. Umsomehr freute er sich, dass jetzt erstmals Michael Scharfenberger aus Luxemburg nach Linse gekommen ist. "Es ist für mich eine große Ehre, mit dem Bürgermeister einer Stadt, die wir als Deutsche damals angegriffen haben, Freundschaft geschlossen zu haben", so Lindemann. Michael Scharfenberger war von 1982 bis 1999 Bürgermeister von Hosingen. "Knapp 2.000 Einwohner haben wir", erzählt der heute 65-Jährige bei seinem Besuch in Linse. Obwohl er gerade fünf Jahre alt war, als am 16. Dezember 1944 die Ardennen-Offensive begann und Lindemann als 22-jähriger Unteroffizier den Grenzfluss Our zwischen Deutschland und Luxemburg überschritt, verbindet die beiden seit ihrem Kennenlernen 1994 eine enge Freundschaft. "Es ist für mich interessant und sehr aufschlussreich, den Erinnerungen von Ludwig zu lauschen", so der Luxemburger. Auch ihn fasziniert es, dass jährlich ein Händereichen vor den Denkmälern stattfindet. Nach seinem Besuch in Linse hat er sich in Richtung Ostdeutschland begeben, um "als überzeugter Europäer" die neuen Bundesländer kennen zu lernen.
Stolz ist Ludwig Lindemann, dass er im Dezember letzten Jahres offiziell zu den Feierlichkeiten zum Beginn der Ardennen-Offensive vor 60 Jahren eingeladen war und mit seiner Tochter acht Tage in Luxemburg verbrachte. Viele Jahre ist der gelernte Malermeister, der 1946 bis 1948 Kunst und Design studiert hat, selbst mit dem Wagen zu diesen Treffen gefahren. Jetzt lassen seine Augen das nicht mehr zu.
"Neben den Veteranen waren auch 50 amerikanische Soldaten dabei, die gerade aus dem Irak zurückgekommen waren", so Lindemann über die eindrucksvolle Veranstaltung. Gemeinsam mit zwei Amerikanern hat er sechs Schulen besucht und den 12- bis 14-jährigen Schülern Kriegs- und Versöhnungserlebnisse erzählt. Manche kritische Frage hat er beantwortet.
"Es ist traurig und macht einen gleichzeitig dankbar, wenn man sich daran erinnert, mit nur einem Melder im März 1945 zu Fuß nach Deutschland zurückgekehrt zu sein, als alle 90 Kameraden tot oder vermisst waren", schildert der ehemalige Kompanieführer. Für ihn ist dieses Treffen der Veteranen ein wichtiger Schritt - "nicht zum Vergessen, aber zum Versöhnen". Dass diese Form des Händereichens auf Städte, Länder und Staaten übergreift, ist Ludwig Lindemanns Wunsch.
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