WebWecker Bielefeld ,
25.05.2005 :
(Bad Oeynhausen) Neunhundert Brennstäbe unterwegs
Ab der kommenden Woche rollen wieder Castor-Transporte durch die Republik. Ziel ist diesmal jedoch nicht das Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben, zum ersten Mal seit 1998 soll wieder Atommüll, darunter Plutonium, nach Ahaus gebracht werden. Zwei Routen stehen für den Transport aus Rossendorf bei Dresden zur Auswahl, eine davon führt durch Bad Oeynhausen. Atomkraftgegner haben für Montag eine Demonstration in dem Kurort angemeldet. Mario A. Sarcletti befragte Anja Gärtner vom Anti-Atom-Forum OWL zu Transporten und Protesten.
WebWecker: Frau Gärtner, was für ein Castor-Transport ist das denn, der uns in Ostwestfalen ins Haus steht?
Anja Gärtner: Das ist ein Transport, der aus dem sächsischen Zwischenlager Rossendorf nach Ahaus gehen soll. Dort war ein Forschungsreaktor, der nach der Wiedervereinigung still gelegt wurde und die Überreste sollen jetzt nach Ahaus gebracht werden.
WebWecker: Was unterscheidet diesen Transport von denen, die man sonst so kennt, also denen aus La Hague nach Gorleben?
Anja Gärtner: Das sind ja Transporte die zur Wiederaufbereitung erst nach Frankreich oder England gebracht worden sind und jetzt wieder zurückkommen. Dieser Transport ist ein innerdeutscher Transport, der völlig unnötig ist. Denn die Rossendorfer Halle ist von der Bauart her sogar noch neuer als die in Ahaus. Nur hat Rossendorf keine Genehmigung als Zwischenlager. Es gibt keinen vernünftigen Grund für diese Transporte.
WebWecker: Ein anderer Unterschied ist natürlich auch, dass dieser Transport über die Straße stattfindet. Was ist denn da aus Sicht von Atomkraftgegnern der große Unterschied?
Anja Gärtner: Die Behälter sind von der Bauart her ganz anders. Die, die jetzt verwendet werden, könnten gar nicht über sie Schiene transportiert werden, weil das zu gefährlich ist. Sie dürften nicht so großen Stößen ausgesetzt werden. Diese Transporte sind schlicht und ergreifend billiger.
WebWecker: Kann man sagen, dass die gefährlicher sind, wenn jetzt so ein Castor-Transport auf der Straße durch Bad Oeynhausen rollt?
Anja Gärtner: Ich denke schon, dass Transporte über die Schiene von der Polizei besser gesichert werden können. Aber gefährlich sind Atommülltransporte immer.
WebWecker: Aus ihrer Sicht sind die Transporte ja unnötig. Warum werden sie dann trotzdem durchgeführt?
Anja Gärtner: Das ist eine gute Frage. Ich denke es geht darum, dass in Rossendorf das Bild vermittelt werden soll, dass da hinterher wieder eine grüne Wiese ist, wenn der ganze Atommüll erst einmal wegtransportiert worden ist. Ein Haken an dieser Geschichte ist, dass in Rossendorf die einzige Möglichkeit existiert, die Transportbehälter wieder zu reparieren. Das heißt, wenn in Ahaus einer dieser Behälter kaputt geht, müsste er in defektem Zustand wieder nach Rossendorf zur Reparatur gebracht werden. Außerdem gibt es nach wie vor kein Endlager für diesen Müll, von daher gibt es auch keine Perspektive. Der Müll wird einfach hin- und hergefahren, ohne dass Politik oder Atomwirtschaft ein wirkliches Konzept haben.
WebWecker: Ein weiterer Unterschied zwischen diesem Atommülltransport und anderen ist ja auch, dass es nicht nur einen Transport geben wird. Was ist denn in diesem Zusammenhang die Strategie der Atomkraftgegner für die nächsten Wochen?
Anja Gärtner: Also das sind über neunhundert Brennstäbe, die in achtzehn Castoren transportiert werden sollen. Es gibt für den Transport nur sechs LKWs mit entsprechenden Stoßdämpfern. Das heißt, es muss drei Mal gefahren werden. Drei Mal in beladenem und zweimal in leerem Zustand zurück. Und die Strategie der Atomgegner ist, alle Transporte zu behindern. Also wenn der erste Transport aus Dresden rausfährt, wollen wir dort schon blockieren und den Ablauf stören. Und sobald die Behälter in Ahaus angekommen sind, werden wir versuchen den Rücktransport zu verunmöglichen oder zu erschweren. Das Konzept nennt sich X + 4, also wir haben fünf Mal die Möglichkeit den Transport in den nächsten drei Wochen, was das Zeitfenster für die Transporte ist, zu stören.
WebWecker: Es gibt ja zwei Routen, eine Südroute über Kamen und eine Nordroute über Bad Oeynhausen. Wie wahrscheinlich ist es denn, dass die Transporte oder einer davon über Bad Oeynhausen laufen?
Anja Gärtner: Die Strategie der Polizei ist, bis ganz zum Schluss beide Strecken offen zu halten. Unsere Informationen sagen, dass im Moment für die Nordroute geplant wird. Erfahrungen aus dem Wendland zeigen aber auch, dass da ganz kurzfristig umdisponiert werden kann.
WebWecker: Jetzt ist ja durch die Landtagswahlen hier in NRW für diesen Castor-Transport eine ganz neue Situation entstanden. Seit Sonntag sind hier erklärte Atomfreunde an der Macht und wollen sie jetzt auch im Bund. Verbessert das die Situation für die Atomgegner, die ja das Problem hatten, dass ehemalige Verbündete plötzlich in der Regierung saßen und diesen "Ausstieg" mit der Atomindustrie vereinbart haben?
Anja Gärtner: Ich denke schon, dass es viele gegeben hat, die den Ausstieg für voll genommen haben, die glauben, dass Rot-Grün tatsächlich den Ausstieg durchgesetzt hätte. Es war aber die ganzen Jahre über auch sehr deutlich, dass die CDU sofort wieder zurückrudern würde und dass die SPD nicht dreißig Jahre lang regieren würde. Von daher konnten wir als Atomgegner den Ausstieg nie wirklich ernst nehmen. Zumal ja auch die Urananreicherungsanlage in Gronau ausgebaut wird, das ist unter Rot-Grün beschlossen worden. Aber wir hoffen natürlich, dass sich jetzt der außerparlamentarische Widerstand gestärkt fühlt, dadurch dass die Fronten jetzt wieder klar sind.
Die Anti-Castor-Demonstration in Bad Oeynhausen startet am 30. Mai um 16 Uhr am Nordbahnhof in Bad Oeynhausen, ab 14 Uhr steht dort ein Infopunkt zur Verfügung. Am 28. Mai findet von 10 bis 16 Uhr ein Training für gewaltfreie Aktionen statt, Anmeldungen unter:
antiatomforumowl@web.de.
Aktuelle Informationen zu den Transporten gibt es unter:
http://www.nixfaehrtmehr.de
webwecker@aulbi.de
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