Bielefelder Tageblatt (BW) / Neue Westfälische ,
21.05.2005 :
Ein Mann mit Gewissen / George Houser (89) verweigerte 1940 in den USA den Kriegsdienst
Von Conrad Schormann
Bielefeld. Im September 1940 hörte George Houser in New York im Radio, dass sich am 10. Oktober alle Männer zwischen 21 und 36 für den Wehrdienst registrieren lassen müssen. Der 23-jährige Theologiestudent spürte, er werde nun eine Entscheidung treffen müssen. "Ich wusste, was zu tun ist." George Houser ist einer von etwa 6.000 amerikanischen Kriegsdienstverweigerern, die wegen ihrer Überzeugung im Gefängnis saßen.
Der 89-Jährige reist derzeit durch Deutschland. Am Freitag erzählte der Mitarbeiter des Versöhnungsbundes bei der Reformierten Kirchengemeinde aus seinem Leben, insbesondere von der Zeit, als er den Kriegsdienst verweigerte. "60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs empfinden wir das als angemessenen Beitrag", sagt Dr. Thomas Nauerth vom Versöhnungsbund, der die Vortragsreise organisiert.
Houser und 19 Kommilitonen entschieden, sich dem "selective service act" zu verweigern. "Militärdienst war mit unserem christlichen Gewissen nicht zu vereinbaren." Die Gruppe der 20 Verweigerer verfasste eine Resolution - und geriet unter Druck: Die Universität verlangte, die Studenten sollten nach Hause gehen. "Das haben wir nicht getan", sagt Houser. Der Rektor schickte ein Telegramm an die Eltern: Ihre Söhne hätten eine tragische Entscheidung getroffen. "Können Sie sie umstimmen?" Ein Vater, ein bekannter Anwalt laut Houser, rief seinen Sohn an und drohte, sich umzubringen. Die Presse schnappte die Story auf. "Alle Zeitungen haben groß berichtet." Und zusätzlich Druck gemacht.
"Acht von uns haben durchgehalten", sagt Houser. Diese acht, darunter Houser (den seine Eltern unterstützten), gaben am Tag der Registrierung ihre Erklärung ab. Sechs Wochen später standen sie vor Gericht. Der Richter billigte ihnen zu, sie seien "feine junge Männer" - und schickte sie für ein Jahr und einen Tag hinter Gitter. "Das war eine interessante Erfahrung", sagt Houser ohne Gram.
1951 war Houser das erste Mal in Deutschland. Er hat das zerstörte Köln gesehen, und er war in Hamburg. 54 Jahre später respektieren die Deutschen, denen er begegnet, seine Entscheidung. Aber sie fragen, was gewesen wäre, hätten alle Amerikaner entschieden wie George Houser. Und sie fragen, ob es nicht seine Pflicht gewesen wäre, den Faschismus zu bekämpfen.
"Gewaltfreier Widerstand ist möglich", sagt Houser. Niemals würde er auf andere schießen, auch nicht auf Nazis, und niemals Städte bombardieren. "Friede soll auf Erden sein, und er soll bei mir beginnen", zitiert er - und verschweigt nicht, dass diese Einstellung ihm einen anhaltenden inneren Konflikt beschert. Natürlich hat ihn angewidert, was die Nazis in Deutschland taten. Wäre George Houser 1940 in Deutschland gewesen, "ich hätte entsprechend meinen Überzeugungen gelebt".
21./22.05.2005
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