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Mindener Tageblatt , 17.05.2005 :

Zeitzeugen sollen Erinnerungen niederschreiben / Kriegsende 1945 in Minden: Kommunalarchiv ruft zu groß angelegter Sammlung auf

Minden (lkp). "Wir haben jetzt vielleicht noch mal die letzte Chance, dass sich Zeitzeugen erinnern", sagt Dr. Monika Schulte. Deshalb ruft die Leiterin des Kommunalarchivs die Mindener Bevölkerung auf, ihre Erinnerungen an das Kriegsende vor 60 Jahren zu Papier zu bringen.

Schon nach dem Vortrag ihres Vorgängers Dr. Hans Nordsiek im großen Rathaussaal hatte die Historikerin diese Überlegung vor den Zuhörern geäußert (MT vom 7. Mai). Und schon hat eine Mindenerin ihre Erinnerungen an den Einmarsch der Alliierten in Hahlen in kurzer und knapper Form niedergeschrieben und im Kommunalarchiv vorbeigebracht.

"Zeitzeugen sollen berichten, wie es ihnen im Krieg ergangen ist, wie sie speziell das Kriegsende erlebt haben", erläutert Monika Schulte ihr Ansinnen. "Das Kriegsende ist jetzt im Bewusstsein der Menschen. Es ist sehr viel an Erinnerung wieder hochgekommen", meint die Historikerin selbst ein wenig verwundert über das Ausmaß, dass die öffentliche und private Erinnerung, gerade in den Medien, verstärkt durch eine Vielzahl historischer Aufnahmen im Fernsehen, genommen hat. Doch bei aller Bilderflut ist vor Ort längst noch nicht alles bekannt.

Die Erforschung vieler Bereiche bleibt wohl künftigen Historikergenerationen überlassen. Auch um deren Forschungsgegenstand auf eine breitere Basis von Zeitzeugenaussagen stellen zu können, startet die Archivleiterin ihren Aufruf. "Wir wollen das Material für die Zukunft sichern."

An eine kurzfristige Auswertung ist nicht gedacht. "Ich kann auch gern Diskretion zusichern", sagt Monika Schulte, um Hemmschwellen im Umgang mit der Niederschrift selbst schwer mitzuteilender Erfahrungen abzubauen. "Personen können nötigenfalls auch festlegen, wie lange jemand ihre Aufzeichnungen einsehen können darf." Auch versiegelte Umschläge will sie annehmen und deponieren.

Aber niemand sollte anonym schreiben, damit später klar zu erkennen ist, ob ein Mann oder eine Frau geschrieben hat. "Erforderlich sind Name, Geburtsdatum, Alter sowie damalige und heutige Anschrift." Aber es ist gleich, ob jemand seine Aufzeichnungen handschriftlich, auf der Schreibmaschine oder per Computer macht. "Wenn eine Rückfrage unsererseits nicht erwünscht wird, sollte auch dies vermerkt werden", so die Archivleiterin.

Zugleich ist das Archiv an alten Tagebüchern aus der Zeit, auch von Eltern und Verwandten, Feldpostbriefen oder -karten interessiert, ebenso an Fotos und Aufzeichnungen, die in zeitlichem Abstand in den 50er- und 60er-Jahren oder später gemacht wurden. Wo Angehörige sich nicht von den möglicherweise letzten persönlichen Hinterlassenschaften ihrer Familienmitglieder trennen mögen, kann das Archiv Repros anfertigen und die Originale zurückgeben.

Auch Mindener, die damals Kinder und Jugendliche waren und zum Teil nur über verschwommene Erinnerungen verfügen, sollten sich nicht scheuen, Erfahrungen aufzuzeichnen, die möglicherweise ihr ganzes weiteres Leben geprägt haben.

Wie sahen die ersten Kontakte mit alliierten Soldaten aus? Wie gestaltete sich der Alltag zum Kriegsende hin und in der unmittelbaren Nachkriegszeit? Für diese und viele anderen Fragen künftiger Historikergenerationen könnten die Mindener Zeitzeugenberichte einen Fundus bilden.

Einsendungen und Anfragen nimmt das Kommunalarchiv, Tonhallenstraße 7, 32423 Minden, Telefon (0571) 87220-0, Fax (0571) 97220-11, entgegen. E-mail: kommunalarchiv@minden.de


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