Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische ,
14.05.2005 :
Begegnung fremder Kulturen / Anne-Frank-Schüler trafen palästinensische Jugendliche in Jordanien
Gütersloh (NW). Die Anne-Frank-Schule pflegt seit Jahren eine intensive Partnerschaft mit der evangelisch-lutherischen School of Hope in Ramallah in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten. Weil Gruppenreisen in diese Gebiete in den letzten Jahren nicht möglich waren, ist die Gesamtschule dazu übergegangen, sich mit palästinensischen Partnerschülern im Nachbarland Jordanien zu treffen.
Ende April nahmen zehn Gütersloher Schüler an der 14-tägigen interkulturellen Begegnungsfahrt teil, zusammen mit zehn Schülern der School of Hope. Im Mittelpunkt des gemeinsamen Programms stand ein mehrtägiges Seminar mit dem Titel "Dialog statt Kampf der Kulturen", das in der Theodor-Schneller-Schule in Amman stattfand.
In spielerischen Aktivitäten lernten sich deutsche und palästinensische Schüler als Jugendliche mit ähnlichen Interessen, Wünschen und Träumen kennen. Mit Hilfe eines erfahrenen Theaterpädagogen wurden jedoch bald auch brisantere Fragen zur kulturellen und nationalen Identität, zur Rolle der Frau und der Familie in den beiden Gesellschaften angesprochen. Durch ein vertieftes gegenseitiges Verständnis wurde schließlich eine Gruppenatmosphäre geschaffen, in der auch Vorurteile und Zerrbilder der jeweils anderen Kultur diskutiert werden konnten.
Möglich geworden war diese intensive Form interkultureller Auseinandersetzung erst durch die Förderung des Projektes durch die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" im Rahmen des Wettbewerbs "Frieden für Europa - Europa für den Frieden".
Bei einem Besuch in dem palästinensischen Flüchtlingslager Marqa bei Amman erfuhren insbesondere die deutschen Schüler etwas von der bedrückenden Lebensrealität der Palästinenser. Seit nunmehr Jahrzehnten ist hier ein Provisorium in Beton gegossen. In dem überbevölkerten Lager versuchen die Bewohner mit Hilfe des Flüchtlingshilfswerkes der UNO so etwas wie Normalität mit Schulen und medizinischer Versorgung aufrecht zu erhalten.
Natürlich standen auch weniger schwere Themen in dem Programm der vierzehntägigen Fahrt. Ein Muss bei einer Reise nach Jordanien sind das Tote Meer und ein Besuch der weltberühmten, ganz in die Wände von Felsschluchten geschlagenen Nabatäerstadt Petra.
Auf ausgedehnten Bergwanderungen in dem Naturreservat Dana nahe dem Toten Meer erfuhren die Schüler etwas über Ökologie und Naturschutz in einem Land, in dem ansonsten das Bewusstsein für Natur wenig ausgeprägt erscheint.
In der grandiosen Landschaft des Wadi Rum verbrachte die Gruppe zwei Tage in einem Beduinenlager. Ausgedehnte Ausflüge in die Wüste, teilweise auf dem Rücken von Kamelen, und die Abende am Lagerfeuer vermittelten einen Eindruck vom Leben in der Wüste, insbesondere über die Abhängigkeit von lebenspendendem Wasser.
Ganz der Entspannung gewidmet war der Abschluss der Reise in Aqaba am Roten Meer mit seinen Korallenriffen.
Über viele Jahre hinweg hat die Anne-Frank-Schule mit diesem Austauschprojekt ein für Studienfahrten außergewöhnliches interkulturelles Projekt aufgebaut, das den teilnehmenden Schülern bleibende Eindrücke vermittelt. Das vertiefte Verständnis für Menschen anderer Herkunft, Kultur, Religion jenseits medialer Zerrbilder steht dabei im Mittelpunkt, ohne dabei jedoch Unterschiede zu verwischen oder multikulturelle Romantik zu pflegen.
Das Fazit von Lehrer Gunar Weykam: "Auf der Fahrt nach Jordanien wurde eine tragfähige Basis geschaffen für anregende Prozesse und Diskussionen beim Gegenbesuch der palästinensischen Gruppe im Juni in Gütersloh und anderen Orten Deutschlands."
14./15.05.2005
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