www.hiergeblieben.de

Bünder Tageblatt / Neue Westfälische , 10.05.2005 :

Ein "perfekter Dieb" erzählt / Schriftsteller Friedrich Steinmeier berichtet in der Realschule Nord vom Kriegsende

Von Tobias Heyer

Bünde. "Im Sommer 45, da habe ich beim Bauern geholfen und die sonstige Zeit mit Stehlen verbracht." Der "perfekte Dieb", Schriftsteller Friedrich Steinmeier, faszinierte gestern Schüler der Stufe 10 der Realschule Bünde-Nord, als er vom Kriegsende in Bünde erzählte.

"Eigentlich will ich gar nicht mehr drüber reden und musste schon ein bisschen überredet werden", ließ sich Steinmeier dann doch darauf ein, von seinen Erlebnissen des Kriegsendes zu berichten. "Was läge näher, als jemanden zu befragen, der hier in Bünde gelebt hat und lebt", freute sich Schulleiter Klaus Schröder, dass Steinmeier die richtige Mischung aus Augenzeugenberichten und erhobenem Zeigefinger fand.

"In Bünde war es nicht so schlimm", berichtete Steinmeier nur von einigen Bomben, die wohl eher versehentlich auf der Rückreise über Hunnebrock abgeworfen wurden. Und auch der einzige Panzerschuss, der in Bünde fiel, lud ein bisschen zum Schmunzeln ein. "Da gab es einen Panzer aus Sperrholz, an dem das Anvisieren mit der Panzerfaust geübt wurde", erzählte Steinmeier Ein amerikanischer Panzerkommandant muss hier nicht ganz genau hingesehen haben, als er das Sperrholzmodell in Fetzen fliegen ließ.

Schnell merkten die beachtenswert konzentrierten Schülerinnen und Schüler, dass hier ein Mensch berichtete, der inmitten Bündes lebte. "Erst musste ich Schützengräben an der niederländischen Grenze ausheben, dann zum Volkssturm." Zurück in der Heimat half Friedrich Steinmeier dann dabei, eine Panzersperre in Ahle zu errichten. Dabei fand er eine Wehrmachtspistole: "Die habe ich lange in meiner Hosentasche herumgetragen, bevor meine Mutter sie entdeckt hat und ich das `Schießeisen` in einen Brunnen geworfen habe."

Der Zufall beförderte die Waffe mit dem Brunneneimer wieder ans Tageslicht, "und die Waffe habe ich noch heute, als rostige Erinnerungsstück". Die Jugendlichen befragten Steinmeier nach Hungersnot und dem Kenntnisstand, der damals über die Vernichtung der Juden herrschte. "Wir haben nach dem Krieg lange gedacht, dass das Feindpropaganda sei, weil wir es uns einfach nicht vorstellen konnten", so Steinmeier, der von einem sonnigen, warmen und schönen Sommer 1945 erzählte - "wenn nicht die schrecklich vielen weinenden Mütter und Frauen gewesen wären."


lok-red.buende@neue-westfaelische.de

zurück