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Neue Westfälische , 09.05.2005 :

Betroffenheit und Beifallsstürme / "War Requiem" im A2-Forum aufgeführt

Von Michael Corßen

Rheda-Wiedenbrück. "Ich bin der Feind, den Du erschlugst, mein Freund!" - am Wochenende wurde in Europa des Kriegsendes vor 60 Jahren gedacht. Vielerorts geschah dies bei Aufführungen des "War Requiems" von Benjamin Britten, das man sonst leider nur selten zu hören bekommt.

Dieses 1961 zur Einweihung der neuen Kathedrale von Coventry entstandene Jahrhundertwerk bietet Gelegenheit, mehrere Hundert Mitwirkende und ein großes Publikum zu echter Anteilnahme an der Reflexion der Kriegsereignisse zu führen.

Ganz im Sinne Brittens, der für die Uraufführung Mitwirkende aus Nationen, die sich zuvor auf Schlachtfeldern gegenübergestanden hatten, zusammenstellte, haben sich in unserer Region der Städtische Musikverein und die Choralsingschule aus Gütersloh sowie die Marienkantorei Lemgo im Geist der Versöhnung mit dem Warschauer Kammerchor und Solisten aus Polen (Barbara Dobrzanska, Sopran), Irland (Paul McNamara, Tenor) und Deutschland (Markus Krause) zu einem fast 400-köpfigen Ensemble zusammengetan.

Ihnen gelang eine rundweg überzeugende Darstellung der komplexen Partitur, in der Britten traditionelle lateinische Liturgie mit den expressionistischen Antikriegs-Gedichten Wilfried Owens kombiniert hat. Chor, Solosopran und großes Orchester stehen dabei für das "eigentliche" Requiem, Tenor, Bariton und ein Kammerorchester für die Vertonungen der Gedichte und ein Jugendchor mit Orgelbegleitung für den Ausdruck des Überzeitlichen.

Eine derartige Raumklang-Anordnung lässt sich nur in großen Hallen realisieren. Die Akustik des profanen A2-Forums in Rheda-Wiedenbrück, dem Ort der ersten Aufführung (eine zweite gab es einen Tag später in der Lipperlandhalle, Lemgo) erwies sich als für den Zusammenhalt eines solch großen Ensembles günstig, weil überraschend wenig hallig. Mindestens bis in die Mitte der Halle war der Text recht gut zu verstehen.

Bloemeke geht besonnen vor

Karl-Heinz Bloemeke, der die Gesamtleitung hatte, setzt bei seiner Interpretation weniger auf dramatische Zuspitzung als es die Partitur vielleicht erlaubte. Er geht besonnen vor und erreicht große bewegende Momente gerade dann, wenn er den riesigen Chor zum Pianissimo anhält. Diesen, wie auch den von Sigmund Bothman geleiteten Jugendchor kann man ob souveräner Bewältigung der schwierigen Aufgabe - es müssen in dem Stück bisweilen clusterhaft aufgefächerte Stimmenführungen gehalten werden, was enorme Sicherheit und Disziplin erfordert - nur beglückwünschen! Gleiches gilt für die kongenial agierende Nordwestdeutsche Philharmonie.

Unter den Vokalsolisten muss der Bariton Markus Krause hervorgehoben werden, der den beklemmenden Texten der Owenschen Gedichte Leben einhauchte. Er verfügt über eine große Ausdruckspalette und erreichte mit seiner Stimme, adäquat begleitet vom Kammerorchester aus Mitgliedern der NWD Philharmonie unter Rainer Johannes Homburg, direkt die Seelen der Zuhörer.

Paul McNamara, stimmlich ohne Fehl und Tadel, fehlte manchmal die innere Ruhe, Inspiration Raum zu geben, während Barbara Dobrzanska ihre Patie mit enormer Eindringlichkeit sang und sich mit ihrem Sopran mühelos durchsetzte. "Let us sleep now" - die Zeile am Ende des letzten Owen-Gedichts, Ausdruck friedvoller Resignation, ließ das Publikum in minutenlanger Betroffenheit verharren, bis es sich zu Beifallstürmen erhob.

In Ostwestfalen-Lippe war das Requiem schon einmal in einer anderen Einrichtung im März im Paderborner Dom aufgeführt worden.


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