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Lippe aktuell / Jahr & Tag / Themen von und für Menschen ab 50 / Sonderausgabe , 04.05.2005 :

Umgang mit der Vergangenheit / Erinnerungen

Renate Tegtmeyer

Das Kriegsende vor 60 Jahren weckt Erinnerungen bei denen, die damals Kinder oder Jugendliche waren. Sie sind nicht in erster Linie objektiv, sondern das, was damals wahrgenommen, gefühlt oder erlitten wurde. Gut zu sehen ist das an der Sammlung von Erinnerungen an das Kriegsende in dieser Ausgabe von Jahr & Tag.

Die Erinnerungen sind etwas sehr persönliches und können die Daten der Geschichtsschreibung nur ergänzen. Aleida Assmann, Professorin in Konstanz, die sich mit Erinnerungen beschäftigt, hält sie für den Einzelnen wie für die Gesellschaft für sehr wichtig. "Erinnerung ist das Rückgrat unserer Identitätsbildung", so formuliert sie die Wirkung von Erinnerung für den Einzelnen. Für die Gesellschaft hat das ebenfalls Folgen: "Das, was mit Schweigen übergangen wurde, die Tabuthemen, drängen danach, angesprochen zu werden."

Aleida Assmann unterscheidet Erinnerungen in zwei Kategorien. Einmal legen sich Menschen aus den schönen Erinnerungen einen Idealzustand zurecht, in den sie gern zurück reisen und beglückt zurück kommen. Da kann es sein, dass eine Großmutter im Angesicht eines lauten Kinderhaufens sagt: "Meine Kinder haben sich nie gestritten." Dass das nicht der Realität entspricht, werden spätestens die eigenen Kinder bestätigen.

Die zweite Seite der Erinnerung ist das wirkliche "Behalten". Das, was jemand behält, kommt in der Regel ganz plötzlich wieder hoch und bringt erstaunliche Details ins Bewusstsein. Zum Beispiel fallen einem bei einem Klassentreffen längst vergessen geglaubte Namen ein. Diese verborgenen Winkel des Gedächtnisses brauchen in der Regel einen Anlass oder ein Schlüsselwort, um an die Oberfläche zu kommen. Dieses Behalten unterscheidet sich von der ersten Kategorie auch dadurch, das es nicht schönt oder idealisiert und auch schmerzhaftes an die Oberfläche bringt.

Viele Menschen, die den Zweiten Weltkrieg und sein Ende erlebt haben, werden mit beiden Formen der Erinnerung konfrontiert. Da gibt es den wunderbaren Sommer auf dem Land mitten im Krieg, und da gibt es den Verlust von Menschen, Heimat, Sicherheit. Jede dieser Erinnerungen ist einzigartig, ob schön oder schmerzhaft. Sie sollten ausgehalten und zugelassen werden, damit das "Rückgrat" des eigenen Lebens gestärkt wird. Und sie sollten weiter erzählt werden, damit die Generation der Enkel diese Zeit verstehen kann.


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