Neue Westfälische ,
02.05.2005 :
Erinnerungen an die "mutigen Frauen und Männer in ganz schlimmen Zeiten" / NRW-Minister Axel Horstmann kam zur 75-Jahr-Feier der Bonenburger Sozialdemokraten
Bonenburg (sie). An jene mutigen Frauen und Männer erinnerte NRW-Verkehrsminister Dr. Axel Horstmann (SPD), die "auch in ganz schlimmen Zeiten für die deutsche Arbeitnehmerschaft nicht Steigbügelhalter für den braunen Ansturm waren, vielmehr sogar Nachteile mannigfacher Art bis hin zur Verhaftung in Kauf nahmen, um Widerstand zu leisten". Der Minister bezog dabei bei seinem Besuch anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands auch Bonenburger ein, die sich wehrten, als im Zuge der Weltwirtschaftskrise Arbeitnehmerrechte total ausgehöhlt werden sollten.
Stolz könnten die Bonenburger darauf sein, dass sich in der damals hohexplosiven Situation mutige Männer des Zieglerdorfes um Franz Behnisch, Reinhard Ernst und Eberhard Wagemann geschart hätten, um einen SPD-Ortsverein zu gründen. Das ist nun 75 Jahre her; der Minister kam als oberster Gratulant zur Feier dieses Ereignisses auf den Vorplatz der Gemeindehalle.
Und er wies darauf hin, wie gefährlich die Gründer des SPD-Ortsvereins lebten, da sie von Anfang an unter öffentlicher oder geheimer staatlicher Beobachtung gestanden hätten und vielerlei Schikanen ausgesetzt gewesen seien, bis hin zu nächtlichen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. "Hoch anerkennenswert und von menschlicher Größe zeugend" sei die Tatsache zu bewerten, dass die so verfolgten Sozialdemokraten nach dem Krieg ehemaligen Mitläufern und Sympathisanten der Nazis die Hand gereicht und ihnen sogar bei der Entnazifizierung geholfen hätten. Stolz könnten die Bonenburger Sozialdemokraten auf ihren Neubeginn nach dem Krieg sein, da sie in Bonenburg eine wesentliche politische Rolle gespielt hätten.
Der Minister sparte aber auch nicht die Zeit aus, da es bei der Bonenburger SPD zum Stillstand gekommen sei, der aber, nicht zuletzt durch die Initiative von Josef Rose, unterstützt durch den ehemaligen MdB Dieter Heistermann, beendet werden konnte: "Niederlagen sind keine Schande, liegen bleiben ist eine Schande", kommentierte Horstmann das resolute Vorgehen der Bonenburger Sozialdemokraten. Mit dem Verhalten der Bonenburger SPD schlug der Minister einen Bogen zu den aktuellen Gesprächen um die Vorschläge und Forderungen des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, nach dessen Vorstoß sozialdemokratische Poltikik wieder die Debatte belebe.
Dieter Figge, der Bonenburger Bezirksausschussvorsitzende (CDU), gratulierte namens aller Bonenburger Vereine. Er ging auf die schwierige Situation der Bonenburger vor fast acht Jahrzehnten ein, als die Arbeiter des Tonwerks - die wegen schlechter Bezahlung zumeist auch noch einen Nebenjob bei Bauern ausübten, um ihre (zumeist kinderreichen) Familien halbwegs ernähren zu können, auch noch durch NS-ausgerichtete Vorgesetzte geknechtet worden seien - sich durch die Bildung eines SPD-Ortsvereins zu stärkerem Widerstand zusammen geschlossen hätten. Ein längerer Streik der Belegschaft des Tondachsteinwerks Bonenburg sei in offiziellen Journalen wohlgezielt den SPD-Mitglieder "als Aufruhr gegen Saats- und Betriebsgewalt angehaftet worden", nicht aber dem NSDAP-ausgerichteten Geschäftsführer. Über diesen Abschnitt der Bonenburger Geschichte hätten sich auch schon die ehemalige Ministerin Käthe Brusis und der Ex-Minister Hans Koschnik vor Ort informiert und dafür den damaligen Bonenburger Sozialdemokraten nachträglich hohe Anerkennung für ihr standhaftes Vorgehen ausgesprochen.
Auf diese Zeit der Dreizehn-Stunden-Arbeitstage bei niedrigstem Lohn und keinerlei sozialer Errungenschaft ging auch SPD-Kreisgeschäftsführer Herbert Cramme ein. Es habe damals, aus der Not der Familienväter heraus, eine Menge Mut gehört, sich zur SPD zu bekennen, "da eine Mitgliedschaft in dieser Partei nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig war." Die Männer der ersten Stunde hätten das Risiko auf sich genommen, um für sich und ihre Familien und weitere Nachkommen halbwegs erträgliche Lebensbedingungen zu schaffen. Und sie hätten auch standhaft darauf verwiesen, dass ihnen Freiheit und eventuell auch das Leben genommen werden könne - aber nicht die Ehre.
Auf das Thema "Grundrechte" ging auch die stellvertretende Landrätin Dorit Flore ein, die befürchtete, dass Änderungen dem mündigen Bürger Beschränkungen aufbürden könnten. Als Gratulant, nicht als Wahkämpfer, trat der SPD-Landtagskandidat im hiesigen Wahlkreis, Jürgen Unruhe, auf, der ebenfalls fast ehrfurchtsvoll an die Männer der ersten Stunde des SPD-Ortsvereins dachte.
Ellenlang war die Liste derjenigen, die auch aus vielen anderen Orten gekommen waren, um zu gratulieren. Das reichte vom AWO-Kreisvorsitzenden und ehemaligen MdB Dieter Heistermann über die Vertreter vieler SPD-Ortsvereine, den stellvertretenden Bürgermeister Hans Ludwig Bodemann, den Bonenburger Schützenobersten Günter Brüss bis hin zum Bonenburger Ortsheimatpfleger Anton Rose. Und auch an den langen Kuchentischen, bei den verschiedenen Unterhaltungs- und Spielmöglichkeiten sowie am Grill und an den Theken sah man nicht nur SPD-Mitglieder bei der Arbeit und beim Feiern - es war eine große dörfliche Familienfeier, zu der Werner Wagemann, der amtierende Ortsvereinsvorsitzende, die einleitenden Worte sprach. Auf einer Schautafel war in Wort und Bild die Geschichte der Bonenburger SPD dargestellt.
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