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Mindener Tageblatt , 02.05.2005 :

1. Mai in Bückeburg: Polizei trägt Schüler von der Straße / Mehr als 400 Schüler und Gegendemonstranten gegen NPD-Kundgebung angereist / Rekordteilnahme beim Kulturfest

Minden/Bückeburg (wer/thm). Kaum mehr als 50 Neonazis, weit über 400 Schüler und Gegendemonstranten sowie 500 Polizisten haben sich am Sonntag in Bückeburg eine - weitgehend friedliche - Hitzeschlacht um Straßen und Kundgebungsplätze geliefert.

Die Polizei hat 39 Platzverweise gegen Antifa-Aktive ausgesprochen und eine Sitzblockade von Schülern geräumt - zu ernsten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei ist es darüber hinaus aber nicht gekommen. Gleichzeitig haben rund tausend Bückeburger das multikulturelle Fest "Alle unter einem Dach" gefeiert - so viele wie noch nie. Mit massiver Präsenz hat die Polizei den genehmigten Aufmarschweg der "Jungen Nationaldemokraten" gegen den Protest der Gegendemonstranten abgeschirmt. Am Bahnhof standen sich NPD und Antifa um 12 Uhr fast eine Stunde gegenüber, ehe die Rechtsradikalen über die Bahnhofstraße losmarschierten.

Als mehr als 100 Schüler in Höhe der Sparkasse den Zugang zum Marktplatz versperrten, hat die Polizei die Straße nach dreimaliger Aufforderung geräumt, die Schüler wurden weggetragen. Von den angemeldeten 100 Neonazis kamen nur knapp über 50, gerade genug, um die Genehmigung für einen Lautsprecherwagen zu erhalten. Verständlich war die Kundgebung auf dem Marktplatz aber schon aus akustischen Gründen nicht. Gegen 15.30 Uhr war der Spuk vorbei.

Rekordteilnahme verzeichnete dagegen das Kulturfest in der Grundschule "Im Petzer Feld". Damit sollte ein Zeichen gegen die braune Gesinnung gesetzt werden.

"Wir dürfen die Straße nicht den Neonazis überlassen." Diesen Satz von Niedersachsens ehemaligem Innenminister Heiner Bartling hätten gestern sicherlich alle Redner unterschrieben. Bartling war einer der Redner bei der überparteilichen Kundgebung für Demokratie und interkulturelle Verständigung an der Stadtkirche. Bartling forderte dazu auf, nicht nur in den Schulen rechtsradikalen Entwicklungen entgegenzutreten. "Das fängt schon damit an, dass wir an der Theke so manchen Sprüchen widersprechen!"

Als die für den 1. Mai geplante NPD-Kundgebung in Bückeburg bekannt geworden war, hatten die SPD und die Antifa zu einer Gegendemonstration aufgerufen: "Für eine solidarische Gesellschaft statt rassistische Ausgrenzung" war das Motto. Diese Kundgebung hatte bereits um 10 Uhr begonnen und war gegen 12 Uhr abgeschlossen. Kurz darauf - die gut 400 Köpfe zählende Menge löste sich gerade auf - zogen Polizisten mehrere Jugendliche recht rabiat aus der Masse, um deren Personalien festzustellen. Viele junge Leute machten sich nun auf den Weg zum Bahnhof, wo der Marsch der Rechten beginnen sollte. Die Polizei stellte sich zwischen beide Gruppen und musste mehrere Antifa-Aktive zurückdrängen.

Rechtsradikale in der Unterzahl

Die Rechtsradikalen selbst waren mit 50 Teilnehmern deutlich in der Unterzahl. Als die NPD-Demonstranten die Sparkasse in der Bahnhofstraße erreicht hatten, wurden sie dort bereits von den Gegendemonstranten erwartet. Die hatten sich - "Nazis raus"-Parolen skandierend - kurzerhand auf die Kreuzung zum Sablé-Platz gesetzt. Als sie dort nach dreimaliger Aufforderung, die Kreuzung zu räumen, immer noch saßen, griff die Polizei durch. 15 Minuten und einige Blessuren später - einige Gegendemonstranten und ein Polizist wurden bei dem Gerangel leicht verletzt - war die Kreuzung frei.

Das Aktionsbündnis freut sich in einer ersten Stellungnahme über die große Resonanz auf den Protestaufruf. Auf Unverständnis stößt das "brutale Durchgreifen" der Polizei beim Auflösen der Sitzblockade. Damit habe man nicht gerechnet, zumal bis zuletzt ein Zulauf zur Blockade zugelassen worden sei.

Die Polizei bewertet das eigene Konzept hingegen als Erfolg: Das "konsequente Eingreifen" habe Straftaten und Ordnungswidrigkeiten verhindert, so Kriminaloberkommissarin Gabriela Mielke (Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg). Nach Ansicht der Polizei ist das Einsatzkonzept "aufgegangen".


mt@mt-online.de

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