Neue Westfälische - Zeitung für das Lübbecker Land ,
09.04.2020 :
"Hanebüchener Unsinn"
Zwei Stemweder organisierten einen Online-Kongress zum Corona-Virus / Dieses Virus soll es nach Darstellung von so genannten Experten aber gar nicht geben / Ein bekannter Mediziner widerspricht solchen Behauptungen
Michael Grundmeier
Stemwede. "Panikmache", "Unsinn": Für den aus Stemwede angebotenen "Coronaviruskongress" hat Wolfgang Adam kein gutes Wort übrig. Hier werde Wissenschaft auf den Kopf gestellt, sagt der Rahdener Kinderarzt. "Das Auto hat nicht vier, sondern sechs Räder."
Für ihre Veranstaltung werben die Anbieter mit einem dramatischen Video. Eine Weltkugel verwandelt sich in einen Virus, dazu die Zeile: "Seit Monaten hält Covid-19 die Welt in Atem. Die WHO stuft die Gefahr als "sehr hoch" ein." Die Anbieter: "Wir begleiten dich durch die Krise." Statt "Gerüchten, Fake News und Halbwissen" könnten sich die Nutzer ein "eigenes Bild" machen. "Echte Experten" würden dabei helfen - "was kannst du tun, um dich und die Deinen zu schützen?"
Veranstalter sind für Stellungnahmen nicht erreichbar
Über 40 "Sprecher" sind mit einem Video-Interview vertreten. Dazu kommen "Live-Events", etwa eine "Energieübertragung mit Rudy Alexander Daniel". Laut Info-Text wollen die Veranstalter, ein Paar aus Stemwede, den Menschen die Angst nehmen. "Hast du Angst? Fühlst du dich beklommen? Dieser Kongress ist für dich! Wir sind für dich da in der Krise! Möchtest du hinter die Angst schauen und in der Ruhe bleiben? Erfahren was du tun kannst, um dich und deine Familie zu schützen?" Wer das Kurspaket buchte, soll "bessere Wege" kennenlernen, "aus der Krise neue Möglichkeiten für dein Leben zu nutzen, die Veränderungen anzunehmen und daraus in deiner wahren Größe zu erwachen".
Die nach eigener Aussage "medienkritischen" Veranstalter waren trotz wiederholter Anfrage nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Unter den "Sprechern" finden sich auch einige, die in verschwörungstheoretischen Zusammenhängen auftauchen. Mal geht es um den Anschlag auf das World Trade Center, mal um die Krankheit Aids. Als Schuldiger gilt der "tiefe Staat", der hinter den Kulissen die Entscheidungen trifft und Politik und Medien kontrolliert. Eine Rhetorik, die sich auch auf der Kongress-Plattform wiederfindet. Neben zahlreichen, eher harmlosen Videos ("Heilpflanzen", "Die Kraft von Saturn") stehen gefährliche ("Es gibt keinen Virus", "Erwache aus der Matrix").
Journalist Oliver Janich hat früher für "renommierte Zeitungen und Magazine" gearbeitet, ist dann aber laut der Ankündigung auf der Plattform-Webseite auf "Ungereimtheiten" gestoßen. "Er begann, kritische Artikel zu schreiben, wurde jedoch ausgebremst". Danach verbreitete er seine "Wahrheiten" per Blog und YouTube-Kanal. In der aktuellen Krise vermutet Janich einen "Plan, um die Weltregierung und damit Kontrolle durchzusetzen" und sieht Zusammenhänge zwischen Corona und 5 G.
Corona soll einen "Kontroll-Staat" ermöglichen
Jan Walter wird von den Veranstaltern als "Truther und Blogger" beschrieben. Der frühere Lehrer sei einer der besten investigativen Journalisten. Zudem habe er einen "legalen Weg" gefunden, "ohne Steuern zahlen zu müssen im und mit dem System zurecht zu kommen". Auch Walter meint, den Verursacher der Corona-Krise zu kennen. Der "tiefe Staat" habe ein "Problem erschaffen, für das es schon die geplante Lösung gibt: Die Erschaffung der Neuen Welt-Ordnung. Ein Kontroll-Staat." Es gebe aber eine "Gegenbewegung". Sprecher Hans Tolzin hat eine Wette laufen: "Ich zahle dir 100.000 Euro, wenn du beweist, dass es den Corona-Virus gibt", lautet sein Angebot. Laut Tolzin soll das Geld derjenige bekommen, der ihm "wissenschaftlich nachweist", dass es das Virus gibt. Eine "Ansteckungsgefahr bei Seuchen" habe bisher ebenfalls niemand nachweisen können. Noch fundamentaler geht "Brückenbauer" Harald Roos die Corona-Krise an: Er sieht die Menschen in der Matrix gefangen. "Er hilft Menschen, sich aus der Matrix zu befreien und fordert uns auf, alles zu hinterfragen, was wir gelernt haben", steht hinter seinem Namen zu lesen.
Mediziner Wolfgang Adam aus Rahden kann über die beim "Coronaviruskongress" vertretenen Aussagen nur den Kopf schütteln. Von "hanebüchenen Unsinn" spricht der bekannte Kinderarzt und von "Panikmache". "Hier werden alle wissenschaftlichen Erkenntnisse auf den Kopf gestellt", erklärt Adam und bezieht sich vor allem auf die Aussage, es gebe keinen Corona-Virus. "Damit macht man sich über die vielen 1.000 Toten in Italien und anderswo lustig, das ist einfach nur falsch", sagt der Facharzt. Die italienischen Ärzte würden bei der Aufnahme ins Krankenhaus immer auch einen Abstrich auf Covid-19 machen, sprich: Nur auf andere Erkrankungen lässt sich der Anstieg der Zahlen nicht zurückführen. "Ohne diese Virus-Entzündung wären diese Menschen nicht zum jetzigen Zeitpunkt gestorben", ist Adam überzeugt.
"Damit macht man sich über viele 1.000 Tote lustig"
Wenig übrig hat der Arzt auch für die These, dass es überhaupt keine Viren geben soll. "Uns sind viele Virus-Entzündungen schon seit vielen Jahrzehnten bekannt. Hepatitis oder Masern oder varizellen Viren machen uns bekannte Erkrankungen, die wir auch labortechnisch bestimmen können." Als Schutzmaßnahmen empfiehlt Mediziner Adam einen Abstand von zwei Metern, häufiges Händewaschen, insbesondere wenn man von draußen kommt, Atemschutzmasken oder allgemeine Nasen-Mundmasken sowie Bewegung, Sport und Muskeltraining, gesunde und vitaminreiche Ernährung und eine positive Grundeinstellung. Die Maßnahmen der Bundesregierung bewertet er als geeignet. Man hätte aus seiner Sicht aber früher mit der Versorgung von Schutzmaterial und Bewegungseinschränkungen beginnen müssen.
Der Kreis Minden-Lübbecke möchte den Auftritt des "Coronaviruskongresses" nicht bewerten. "Das ist nicht unsere Aufgabe", sagt Sabine Ohnesorge von der Pressestelle. Prinzipiell sei es immer gut, sich auf Fakten zu verlassen. Ohnesorge empfiehlt, seriöse Quellen zu nutzen.
Bildunterschrift: Mundschutz und Einmal-Handschuhe gehören besonders in Sachen Corona-Virus zur Hygieneausstattung von medizinischem Personal.
Bildunterschrift: "Wir begleiten Sie durch die Krise", so wurde für den Internetauftritt des Online-Kongresses geworben.
Bildunterschrift: Der Mediziner Wolfgang Adam redet Klartext.
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