Neue Westfälische - Paderborner Kreiszeitung ,
08.04.2020 :
"Ein Jude hat seine Religion im Herzen"
Die Jüdische Kultusgemeinde in Paderborn geht gelassen damit um, dass die Synagoge wegen Corona geschlossen ist
Birger Berbüsse
Paderborn. Dass die Synagoge wegen der Corona-Beschränkungen geschlossen ist, macht für die Jüdische Kultusgemeinde in Paderborn gar keinen so großen Unterschied. Denn die mit nur 56 Mitgliedern kleinste Gemeinde in OWL feiert ohnehin nur an den hohen jüdischen Feiertagen gemeinsam Gottesdienst, wie der Vorsitzende Alexander Kogan im Gespräch mitnw.de erläutert. Und das auch schon seit längerem ohne Rabbiner. Überhaupt seien Synagogen ein Konstrukt der Diaspora.
"Ein Jude hat seine Religion im Herzen", sagt Alexander Kogan. Auch ohne Synagoge und Gottesdienst bleibe der Glaube genauso erhalten - das sei der Unterschied zu den christlichen Kirchen. So sei auch das kommende Pessach-Fest eher ein Familienfest und werde zu Hause begangen.
Bemerkbar macht sich das Kontaktverbot allerdings im weiteren Gemeindeleben. Denn in der Synagoge finden regelmäßig kulturelle Veranstaltungen und Vorträge statt, es kommen häufig Besucher, darunter auch viele Schulklassen. Das falle jetzt natürlich alles weg, so Kogan. Kontakt halten die Gemeindemitglieder online und per Telefon - letzteres nutzten vor allem die vielen älteren Menschen, die online nicht vertreten seien. "Sie wissen: Wenn sie etwas brauchen, dann können sie anrufen", sagt der Vorsitzende. Das sei auch schon vor Corona so gewesen.
Aber natürlich sei die momentane Isolation vor allem für die älteren und allein lebenden Gemeindemitglieder eine Last, weiß er. "Ich hoffe, dass sich das bald wieder ändern wird", sagt Kogan mit Blick auf die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen.
Bildunterschrift: Alexander Kogan ist Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Paderborn.
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Westfälisches Volksblatt / Westfalen-Blatt, 25.11.2009:
Jüdisches Leben soll gedeihen
Neue Synagoge wurde genau vor 50 Jahren an der Pipinstraße geweiht
Von Rüdiger Kache und Wolfram Brucks (Foto)
Paderborn (WV). "Mit uns hat die Jüdische Gemeinde in Paderborn zwar nicht ihren Anfang genommen, aber wir setzen diese Tradition fort - und das nehmen wir sehr ernst", sagt Tanja Rubens. Sie ist die Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde, die am Sonntag den 50. Jahrestag der Synagogenweihe feiert.
"Wir wollen mit dieser Feierstunde zeigen, dass wir uns unserer historischen Verantwortung bewusst sind. Jüdisches Leben soll in Paderborn weiter gedeihen." Das Gemeindehaus an der Pipinstraße mit der Synagoge ist für Tanja Rubens eine Perle, ein Gebäude mit eigenständigem Charakter. "Nicht ganz ohne Probleme in der Substanz, aber eben viel gemütlicher, als moderne Häuser", verweist sie auch auf anstehende Verbesserungen. "Für unsere vielen älteren Gemeindemitglieder wäre ein Aufzug wichtig, der aber auch aus Sicherheitsaspekten nicht leicht zu integrieren ist."
Das Thema Sicherheit ist auch nach 50 Jahren noch ständig präsent in der jüdischen Kultusgemeinde. »Wir haben mit diesem Gebäude zum Glück auch ein Haus, das uns vor Anfeindungen durch Antisemitismus schützt, ein Hort, in den wir uns zurückziehen können. Antisemitismus ist eine schlimme Krankheit, gegen die nur eines hilft: gesunder Menschenverstand.« Tanja Rubens macht deutlich, dass es in ihrer Heimatstadt Paderborn keine ausgeprägte antisemitische Szene gibt, aber dennoch eine latente Wachsamkeit erforderlich sei. Die Polizei halte deshalb ständig ein Auge auf die Synagoge.
"Wir sind eine offene Einrichtung, die sich auch als Teil der Gesellschaft versteht, und wir fühlen uns hier wohl auf der Suche nach unserer jüdischen Identität", spricht die Vorsitzende für ihre ganze Gemeinde. "Deshalb freuen wir uns auf unsere bescheidene Jubiläumsfeier." Schulklassen bietet die Gemeinde Führungen an. Den Kontakt können Interessenten unter "jg-paderborn@t-online.de" herstellen.
Ganz besonders freut sich die Vorsitzende darüber, dass sie einige Nachfahren ehemaliger Paderborner Gemeindemitglieder ausfindig machen konnte, die in ganz Deutschland verstreut leben. "Sie sind unsere besonderen Gäste."
Daten und Fakten
Das Programm des Festaktes zur 50. Wiederkehr der Synagogenweihe am 29. November:
12 Uhr: Festakt in der Synagoge mit Gebet, Ansprachen und Musikbegleitung. Anschließend Empfang im Gemeindesaal mit Imbiss und Klezmer-Musik. Zu den Ehrengästen gehören neben den Gemeindemitgliedern die Repräsentanten aller Konfessionen in Paderborn (darunter auch zwei Vertreter der islamischen Gemeinden), Bürgermeister Heinz Paus, Landrat Manfred Müller und der Vorsitzende des Jüdischen Landesverbandes.
Die Festveranstaltung ist aus Platzgründen nur einem geladenen Personenkreis zugänglich. Die Jüdische Kultusgemeinde möchte Anfang 2010 jedoch auch der Paderborner Bevölkerung bei einem Tag der offenen Tür und mit mehreren Einzelveranstaltungen Gelegenheit zu einem Blick in die Synagoge und ins Gemeindeleben geben.
Vorsitzende
Die Vorsteher der Jüdischen Kultusgemeinde nach 1945:
Louis Sternberg (1946 - 1958),
Karl Theo Herzheim (1958 - 1961),
Fritz Goldstein (1962 - 1985),
Erwin Angreß (1986 - 2000),
Alexander Kogan (2001 - 2003),
Schalom Basler (2004 - 2007),
Shmuel Rubens (2007 - 2008),
Tanja Rubens (seit 01.10.2008).
Bildunterschrift: Die neue Paderborner Synagoge - hier ein seltenes Farbfoto von den Bauarbeiten - wurde 1959 geweiht.
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www.jg-paderborn.de
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