Blick nach Rechts ,
08.04.2020 :
Haftentlassung für "politische Gefangene" gefordert
Angesichts der Corona-Krise werden in der rechtsextremen Szene und unter Holocaust-Leugnern Forderungen laut, der Staat müsse inhaftierte Gleichgesinnte wie Ursula Haverbeck-Wetzel und Horst Mahler frei lassen.
Anlass dafür sind das Alter oder Erkrankungen der "politischen Gefangenen", zugleich aber auch der Umstand, dass Bund und Länder nun unter bestimmten Voraussetzungen und Auflagen Inhaftierte vorerst aus der Haft entlassen oder neue Häftlinge bis auf weiteres nicht mehr ihre Strafen antreten müssen. Einerseits wollen die Vollzugsbehörden so verhindern, dass neue Inhaftierte das Virus in die Gefängnisse einschleppen könnten, andererseits will man Platz für eine möglicherweise notwendig werdende Corona-Quarantäne schaffen. Es geht dabei um Häftlinge, die keine schweren Straftaten begangen haben, oder Menschen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten sollen, wenn etwa Geldbußen nicht bezahlt werden können.
"Bürgerrechtlerin" Haverbeck-Wetzel
Angesichts der Medienberichte über diese Schritte machen sich derzeit gerade Rechtsextremisten und Holocaust-Leugner stark dafür, dass etwa Horst Mahler, Ursula Haverbeck-Wetzel, Sylvia Stolz und Alfred Schaefer aus der Haft entlassen werden sollen. Das Gros jener "politischen Gefangenen" und "Dissidenten" muss oft längere Haftstrafen verbüßen. Die Personen haben zuweilen fortwährend und über Jahre oder gar Jahrzehnte den Holocaust bestritten oder geleugnet. In manchen Fällen wurden mutmaßliche Straftaten selbst noch aus den Haftanstalten heraus weiter begangen.
Schon Mitte März hatte Markus Walter aus Kerpen bei Köln, der im Bundesvorstand der Neonazi-Partei "Die Rechte" (DR) aktiv ist, den offenen Brief "eines langjährigen Freundes der … Dissidentin Ursula Haverbeck" an das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen sowie an den Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld-Brackwede geschrieben. Walter erinnerte dabei an das hohe Alter der "Bürgerrechtlerin" und mahnte an, dass eine Entlassung aus der JVA Bielefeld im November sowieso anstehe. Die 91-Jährige gehöre zu den besonderen Risiko-Personen wegen des Corona-Virus.
"Häusliche Isolation" für "lebensältere Gefangene"
DR-Kader Walter drohte gleichwohl mit Konsequenzen, sollte sein Anliegen keinen Zuspruch finden. Er werde rechtliche Schritte einleiten "gegen die Empfänger ( ... ), wenn sich Ursula Haverbeck ( ... ) mit dem Covid-19-Virus infizieren sollte. Dies könnten beispielsweise Ermittlungen wegen Körperverletzung durch Unterlassen ( ... ) bzw. vorsätzliche Körperverletzung ( ... ) sein". Sollte die 91-Jährige "versterben, handelt es sich sogar ggf. um ein Tötungsdelikt, sprich ein Kapitalverbrechen".
Ende März kündigte DR-Bundesgeschäftsführer Michael Brück in einem Partei-Video an, dass "weitere Maßnahmen" liefen um Haverbeck-Wetzels und Mahlers Freiheit zu bewirken. In demselben Video nannte DR-Bundeschef Sascha Krolzig Ursula Haverbeck-Wetzel und Horst Mahler, der mit 84 Jahren zahlreiche Vorerkrankungen aufzuweisen habe, "lebensältere Gefangene". Beide müssten "unverzüglich" wegen der Corona-Pandemie aus der Haft entlassen werden, damit sie in "häusliche Isolation" wechseln könnten. Krolzig und Brück kündigten weitere Schritte und Aktionen an, um derlei zu bewirken. (mik)
Bildunterschrift: Neonazis verlangen die Freilassung von inhaftierten Holocaust-Leugnern (Flyer).
_______________________________________________
Blick nach Rechts, 11.11.2019:
Braune Restetruppe für Haverbeck-Wetzel
Von Jennifer Marken
In Bielefeld demonstrierten 230 Neonazis und Holocaust-Leugner. An die 15.000 Menschen stellten sich ihnen entgegen.
Es war ein schon eher peinlicher Auftritt: Eine braune Restetruppe von 230 Neonazis versammelten sich in Bielefeld, um ausgerechnet am 9. November, dem Tag der organisierten Juden-Pogroms 1938, für die Freilassung der in Bielefeld einsitzenden Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel aufzumarschieren. Mehr waren es nicht, trotz der massiven szeneinternen Mobilisierung. Der selbst inszenierte, sprachlich von der RAF-Szene abgekupferte Kampfbegriff der betagten "politischen Gefangenen", die "vom System" in Haft gehalten werde, wurde noch nicht einmal in der eigenen Szene ernst genommen.
Ihnen entgegen stellten sich in Bielefeld noch mehr Bürger als im Vorjahr: 2018 waren es 6000, diesmal waren es 15.000 Menschen an mehr als einem Dutzend Orten. Selbst die Reden der nahezu vollständig abgeschirmten Demo-Route gingen im wütenden Protest unter. Die Stadt war überfüllt mit teils großformatigen Protestplakaten, Transparenten und bunten Luftballons.
"Deutschland schämt sich für euch"
Die Stufen am Bahnhofsvorplatz waren nachts mit Schriftzügen wie "Nazis verpisst Euch", "Vielfalt" und "Toleranz" beschriftet worden. "Bielefeld nazifrei" hing großformatig an einem Haus; "Kein Döner für Nazis", "Deutschland schämt sich für euch", "Nazis rein - in den Knast", dem kirchlichen Spruch "Das wahre Kreuz hat eine(n) Haken" sowie "Marzipan statt Nazikram" schmückten die Stadt. Teilnehmer eines eigenen Fahrradkorsos hatten das Schilder "Nazis haben ein Rad ab" am Lenker befestigt.
Optisch am auffallendsten war ein überdimensionaler Spruchband, der auf der vorgesehenen Demo-Route zwischen zwei Häusern befestigt war: "Lang lebe Israel".
Vor der Bielefelder Synagoge versammelten sich 500 Menschen. Mediales Aufsehen erregten ein Polizeieinsatz, bei dem ausgerechnet Plakate der Satire-Partei "Die Partei" demonstrativ konfisziert wurden. Die sachliche Feststellung "Nazis töten" stand dort sowie "Bielefeld: Du hast Rechte!". Ein "Combat 18"-T-Shirt, ein T-Shirt mit "Unsere Faust für unser Land" sowie das auf Robin S. Hals eintätowierte Nazi-Symbol (Dirlewanger Tattoo) waren hingegen kein Anlass für ein polizeiliches Einschreiten. Der hafterfahrene, bei nahezu jeder "Die Rechte"-Demo anwesende Briefpartner von Beate Zschäpe war auch in Bielefeld am Front-Transparent mit dabei.
"Alles für Volk, Rasse und Nation"
Der Neonazi-Aufmarsch wurde von der Polizei durchgesetzt und nur einmal durch eine kleine Blockade kurz verzögert. Aufsehen erregte einzig eine Szene, bei der versucht wurde, das Front-Transparent zu entwenden. Die Neonazis brüllten Parolen wie "Hier marschiert der nationale Widerstand", "Freiheit für alle Nationalisten", "Hoch die nationale Solidarität" sowie "Alles für Volk, Rasse und Nation".
Das Personal der sich größtenteils aus der Szene der verbiesterten Holocaust-Leugner zusammen. Einige hatten schon im Vorjahr in Bielefeld gesprochen. Angekündigt waren Sven Skoda, Thomas "Steiner" Wulff, der Verschwörungstheoretiker Christian Bärthel, der Holocaust-Leugner Arnold Höfs (83), der britische Neonazi Richard Edmonds (76) sowie die NPD-Funktionärin Edda Schmid (70). Der größte Teil der Reden konnte wegen der Gegenproteste und der Abschirmung noch nicht einmal filmisch dokumentiert werden, mit Ausnahme eines Videos des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus.
Der "Reichsbürger" Christian Bärthel sagte, die Juden hätten den Holocaust als Mythos selbst geschaffen. Die Polizei schritt nicht ein.
"Haltet immer euer Blut rein!"
In einer weiteren Rede wurde verschwörungstheoretisch fabuliert, das "Deutsche Volk" lasse sich "nicht länger von Lügenpresse, Lügenrundfunk und den verlogenen evangelischen und katholischen Kirchen irre führen". Mit fester Stimme brüllte der Redner: "Deutsches Volk steh auf und geh in die Freiheit. Deutsch und frei woll‘n wir sein."
Thomas Wulff, der erneut in SA-ähnlichen Klamotten auftrat, spielte triumphierend auf sein vor einem Jahr in Bielefeld getragenes T-Shirt "Auschwitz: Ich hätte da mal eine Frage" an und fragte, ob die "Zahl der sieben Millionen ermordeten Juden" nicht eine "kommunistische Propaganda-Zahl" sei. Er bemühte sich um das abgewirtschaftete "Identitären"-Narrativ vom "großen Austausch" und brüllte abschließend: "Haltet immer euer Blut rein!"
Gegen das vom Verwaltungsgericht Minden gekippte Verbot der Haverbeck-Demo hatte die Bielefelder Polizei keinen weiteren Widerspruch eingelegt. NRW-Innenminister Reul und sogar der Verfassungsschutz meldeten sich mit Kritik zu Wort. Die Gießener Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth zeigt sich gegenüber bnr.de "zutiefst irritiert" über die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Anlass für die Kundgebung sei der Geburtstag von Haverbeck-Wetzel, die ausschließlich verurteilt worden sei, weil sie immer wieder die Shoa geleugnet habe. Der inszenierte "öffentliche Wirbel" der Neonazis diene dazu, zu testen, "wie weit man seine antisemitischen Äußerungen öffentlich zuspitzen kann, ohne staatlicher Repression ausgesetzt zu sein".
Bildunterschrift: Bunter zivilgesellschaftlicher Protest gegen die Neonazis.
_______________________________________________
Am 23. Dezember 2019 zitiert die Webseite "Freiheit für Ursula Haverbeck" - dass die JVA "eine vorzeitige Entlassung befürwortet hat" - aus dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 5. Dezember 2019.
Am 5. Dezember 2019 entschied die Strafvollstreckungskammer des Landgerichtes Bielefeld - die Shoah-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel, nicht im Januar 2020 vorzeitig (auf 2/3) auf Bewährung freizulassen.
Am 9. November 2019 beteiligten sich 232 Neonazis in Bielefeld - an der von "Die Rechte" durchgeführten Demonstration "Freiheit für Ursula Haverbeck!" - "zum 91. Geburtstag", der inhaftierten Shoah-Leugnerin.
Am 10. Oktober 2019 berichtete das "Westfalen-Blatt", auf Antrag der Staatsanwaltschaft Detmold sei die Gesamtfreiheitsstrafe für die Shoa-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel, um acht Monate reduziert worden.
Am 24. September 2019 bestätigte das Oberlandesgericht in Hamm eine Entscheidung des Landgerichtes Bielefeld, die Haftstrafe der Shoah-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel, nicht zur Bewährung auszusetzen.
Am 7. Mai 2018 wurde die rechtskräftig verurteilte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel in Vlotho verhaftet und in die JVA Bielefeld-Brackwede gebracht, da sie die Haftstrafe zum 2. Mai 2018 nicht antrat.
Am 6. Mai 2018 erwirkte die Staatsanwaltschaft Verden einen Haftbefehl, gegen Ursula Haverbeck-Wetzel, da sie, nach Rechtskraft eines Urteils - der Aufforderung zum Haftantritt am 2. Mai 2018 nicht gefolgt war.
_______________________________________________
www.gegenrechts.info
www.mobile-beratung-owl.de
|