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Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt , 04.04.2020 :

Als auf der Sparrenburg die weiße Fahne wehte

Vor 75 Jahren erlebten die Bielefelder das Ende des Zweite Weltkriegs

Joachim Wibbing

Bielefeld. Genau am Samstag vor 75 Jahren, am 4. April 1945 - es handelte sich um den Mittwoch nach Ostern - ging um 17.30 Uhr der Zweite Weltkrieg in Bielefeld zu Ende. Zu diesem Zeitpunkt kam mit großer Geschwindigkeit die "aufgesessene Infanterie der 84th US-Infanteriedivision" auf "leichten" Panzerfahrzeugen über den Jahnplatz angefahren. Kurz danach paradierten amerikanische Soldaten vor dem Rathaus.

Das "Finale"

Am 16. März 1945 war Generalmajor Karl Becher in Bielefeld eingetroffen. Ihm war das Kommando zur Verteidigung übertragen worden. Knapp 3.500 Mann standen in Bereitschaft. Es gab praktisch keine Artillerie und panzerbrechende Waffen - also ein "aussichtsloses" Unterfangen. Der NS-Kreisleiter Gustav Reineking (1900 - 1945), der offiziell als "Verteidigungs-Kommissar" amtierte, setzte sich Ende März in Richtung Rinteln ab. Am Abend des 4. April 1945 wehte schließlich vom Rathaus die weiße Fahne.

Wer sie aufgezogen hatte, ist nicht geklärt. Der Leiter des Johannisstiftes, Karl Pawlowski (1898–1964), und der NS-Oberbürgermeister Fritz Budde (1895–1956) sollen Übergabe-Gespräche geführt haben.

Angst im Bunker

Gisela Hoffmann, geboren 1928, erinnert sich genau an die damaligen Geschehnisse. Am Sonntag, 1. April, hatte sie noch mit Freuden einen Osterspaziergang in der Senne unternommen. Ihre Eltern waren deshalb "sehr besorgt" gewesen. Am 4. April gab es "Panzeralarm". Sie wohnte seinerzeit an der Gerichtsstraße. Zum eigenen Schutz ging die gesamte Familie in einen Luftschutzbunker unterhalb der Sparrenburg. "Die Blockwarte ließen niemanden aus dem Bunker, in dem es zur Unterteilung kleine zellenartige Räume mit Doppelstockbetten gab.

Am späten Nachmittag durften wir nach Hause gehen" - so die Zeitzeugin. Sie war 17 Jahre alt und hatte "entsetzliche Angst". Ihr ganzes "Weltbild" war zusammengebrochen. In ihrer Verzweiflung wusste sie nicht mehr, was richtig war. "Noch im Jahr zuvor hatte der BDM, der Bund Deutscher Mädel, in der Jugendherberge ein dreitägiges Seminar abgehalten, in dem sehr streng vor den amerikanischen Soldaten - besonders den farbigen - gewarnt wurde. Doch genau die Warnerinnen waren die ersten, die sich dann mit den alliierten Soldaten einließen - beispielsweise an dem Spielplatz am Niederwall / Am Bach", so Gisela Hoffmann. "Wir hatten als Familie große Angst vor den Beschlagnahmungen von Wohnraum. In der Richard-Wagner-Straße und in der Beethovenstraße wurde viel mit Beschlag belegt."

Allerdings gab es auch "überraschende" Besuche. "Als ein amerikanischer Jeep vor unserem Haus hielt, durchfuhr uns ein großer Schrecken. Ein Offizier stieg aus. Der Vater öffnete die Tür mit klopfendem Herzen. "Hallo Herr Brockmann, kennen Sie mich nicht mehr?", ließ sich der junge Mann vernehmen. Es war Hans Meierfeld, Sohn einer jüdischen Familie, die früher in der ersten Etage gewohnt hatte und dem noch rechtzeitig die Flucht in die Vereinigten Staaten gelungen war."

Die weiße Fahne

Gisela Hoffmann hatte am 5. April 1945 auch die gehisste weiße Fahne - ein altes Bettlaken - auf der Sparrenburg entdeckt. Doch wer sie hochgezogen haben könnte, dazu hat die Augenzeugin nur Vermutungen: "Auf der Sparrenburg war eine Nachrichteneinheit der Wehrmacht stationiert. Vielleicht waren die es." Doch dazu weiß Helga Standop Näheres zu berichten: "Der evangelische Pastor Karl Pawlowski hat am 4. April seinen Fahrer beauftragt, die weiße Fahne auf der Sparrenburg zu hissen. Der Geistliche selbst fuhr mit dem Fahrrad zur gleichen Zeit "Schmiere" am Fuß der Burg. Leider ist mir der Name des Fahrers entfallen."

Bildunterschrift: Im Vordergrund Karl Pawlowski. Sein Fahrer ist der dritter von rechts im Hintergrund. Er soll die Weiße Fahne auf der Sparrenburg aufgezogen haben.

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Am 4. April 1945 kapitulierte Bielefeld vor der aus Gütersloh anrückenden 3. US-Panzerdivision, der Leiter des Johannesstifts, Pastor Karl Pawlowski (1898 bis 1964) - erreichte eine kampflose Übergabe der Stadt.

Am 4. April 1945 rückte die 3. US-Panzerdivision in Bielefeld ein und konnte die Stadt (nahezu kampflos) einnehmen - der vom NS-Regime entfachte Zweite Weltkrieg, die NS-Herrschaft war für Bielefeld beendet.

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04./05.04.2020

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