Lippe aktuell ,
30.04.2005 :
Lippe aktuell-Serie / 60 Jahre Kriegsende - Augustdorfer erinnern sich / Eine Serie in sechs Teilen / Teil 6 / 60 Jahre Kriegsende - Heinz Wistinghausen erinnert sich: "Unser Haus hatte keine großen Schäden"
Augustdorf (bo). In der vorigen Woche hat der Augustdorfer Heinz Wistinghausen von seinen Erlebnissen Anfang April 1945 berichtet und von seinen ersten Begegnungen mit US-Soldaten erzählt. Lesen Sie nun die Fortsetzung.
Als Gegenleistung für die Eier der Familie Wistinghausen kamen die Soldaten nach einiger Zeit wieder und brachten der Familie Schokolade und auch Zigaretten und Tee. "Sie fragten nach weiteren Eiern, die wir ihnen gern gaben, denn was sie uns zum Tausch mitgebracht hatten, hatte es in Deutschland lange Jahre und für uns Kinder noch nie gegeben. Vier oder fünf Tage später, nachdem die kämpfenden Truppen der Amerikaner - die in Augustdorf auf erheblichen Widerstand gestoßen waren - durch Augustdorf in die Dörenschlucht vorgekämpft hatten, hielten wir es vor Ungeduld nicht mehr aus", blickt Wistinghausen 60 Jahre zurück. Sie verließen den Hof der Großeltern, um in ihrem eigenen Haus nach dem Rechten zu sehen. Mehrere Häuser, an denen sie vorbeikamen, waren nur noch rauchende Ruinen. An der Ecke der heutigen Waldstraße/Mergelweg befanden sich noch sieben Soldaten der Waffen-SS in ihren Stellungslöchern - alle waren tot: "Sie wurden erst nach Tagen beerdigt." Zu Hause angekommen, bot sich Heinz Wistinghausen und seiner Familie ein unerwartetes Bild: "Unser Haus hatte keine großen Schäden." Es war noch von einer Nachschubeinheit der US-Truppen besetzt. Vier Offiziere waren beim Eintreffen der Familie anwesend - sie hatten eine Kommandantur dort eingerichtet und nutzten den Hof als Tankstelle für nachrückende Einheiten: "Sie waren uns gegenüber aber nicht feindlich, sondern vielmehr zurückhaltend freundlich."
Heinz Wistinghausens Mutter Emma fragte die US-Soldaten, wann sie wieder in ihr Haus einziehen könnten. Einer der Offiziere stellte sich als Deutsch-Amerikaner vor, dessen Vater in Stuttgart lebte und er hoffte, dass er noch am Leben sei. "Der Soldat sagte sinngemäß, dass wir in zwei Tagen wieder einige Räume für uns benutzen könnten." So ging Familie Wistinghausen wieder zurück zu den Großeltern. Zwei Tage später gingen Heinz Wistinghausen, zusammen mit seiner Mutter und seinem Großvater, zu ihrem Haus zurück, wieder mussten sie an den toten Soldaten vorbei: "Wir nagelten mit mitgebrachten und herumliegenden Brettern die kaputten Fenster zu und zogen einen Tag später schon wieder ein." Alleine waren sie jedoch nicht: Noch immer nutzten die US-Truppen das Haus als Basis, aber schon nach wenigen Tagen "stellte sich so etwas wie Vertrautheit zwischen uns und den Amerikanern raus". Sie erzählten, dass sie im Teutoburger Wald und in Augustdorf auf starken Widerstand gestoßen seien und deshalb Unterstützung aus der Luft angefordert hätten. Diese kamen glücklicherweise nicht mehr zum Einsatz. Die Flugzeuge waren schon in der Luft, als man sie über Osnabrück zurückrief. "Was wäre wohl aus Augustdorf geworden, hätten die amerikanischen Truppen tatsächlich Unterstützung aus der Luft bekommen und Bomben über der Sennegemeinde abgeworfen?", fragt sich Heinz Wistinghausen 60 Jahre später nachdenklich.
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