Mindener Tageblatt ,
28.03.2020 :
Innehalten
Mindener Glocken läuten heute um 11.10 Uhr zur Erinnerung an das Leid des Krieges
Minden (mt/lkp). In diesem Jahr jähren sich zum 75. Mal die Bombardierung und die Befreiung Mindens durch das Kriegsende. Der schwerste und folgenreichste Angriff auf Minden erfolgte am 28. März 1945. Unter anderem wurden dabei der Dom, das Rathaus und größere Teile der Innenstadt schwer zerstört. Eine Woche später erreichten alliierte Soldaten Minden. Für viele Mindenerinnen und Mindener ist die Erinnerung an diese Ereignisse schmerzhaft und lebendig.
Bürgermeister Michael Jäcke (SPD) ruft alle Bürger auf, unter Berücksichtigung des Versammlungsverbots der Corona-Schutzverordnung im Namen der Stadt Minden gemeinsam mit dem Evangelischen Kirchenkreis Minden, der katholischen Dompropstei-Pfarrgemeinde Minden und dem Mindener Geschichtsverein auf, im Gedenken an die vielen Opfer dieses Tages und des Kriegsgeschehens inne zu halten. Um 11.10 Uhr - dem Zeitpunkt der Angriffe - läuten dazu die Glocken der Mindener Kirchen als Zeichen der Erinnerung an das Leid des Krieges und die Verantwortung für den Erhalt von Frieden, Demokratie und den Schutz der Menschenrechte.
"Die Fehler der Vergangenheit und der Hass, der zur Zerstörung von Teilen unserer schönen Stadt und dem Tod so vieler Menschen geführt hat, dürfen sich nicht wiederholen", so Bürgermeister Michael Jäcke. In Zeiten zunehmender Verfeindung, Ausgrenzung und wachsenden Populismus innerhalb Deutschlands, Europas und weit darüber hinaus, sei der entschlossene und starke Einsatz für unsere Grundwerte sowie Mitmenschlichkeit und Respekt umso wichtiger. Viele setzten sich für ein friedliches Erinnern und Zusammenleben ein. Der Austausch mit Menschen anderer Herkunft, Sprachen und Traditionen, die internationalen Kontakte und Partnerschaften seien Zeichen für eine starke Gemeinschaft, die Minden mitgestalte.
Der 8. Mai 1945 markiere in der Geschichte einen besonderen Tag - er setze einen Schlusspunkt hinter den verheerenden Zweiten Weltkrieg. Krieg und Zerstörungen fanden damit in der Bundesrepublik ein Ende. Aber 75 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges seien nicht gleichbedeutend mit 75 Jahre Frieden in Europa und weltweit. "Wir alle sollten den heutigen Tag als Mahnung verstehen, dass wir in Deutschland in Frieden leben können. Das ist keine Selbstverständlichkeit", hebt Bürgermeister Michael Jäcke hervor.
Bildunterschrift: In Trümmern: Der Dom war schon am 6. Dezember 1944 getroffen worden, am 28. März 1945 wurde er zerstört.
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Mindener Tageblatt, 28./29.03.2020:
In Schutt und Asche
Heute vor 75 Jahren erlebte die Stadt das folgenschwerste Bombardement des Zweiten Weltkriegs / Rathaus, Dom und Scharn wurden zerstört / 186 Menschen verloren ihr Leben
Jürgen Langenkämper
Minden. In der Geschichte der Luftangriffe auf Minden war es bei Weitem nicht der größte - weder nach der Zahl der alliierten Bomber noch nach der Tonnage abgeworfener Bomben. Doch der 28. März 1945 brannte sich tiefer ein in das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung als andere Daten und veränderte das Gesicht der historischen Stadt stärker als irgendein anderes Ereignis in so kurzer Zeit. Binnen weniger Minuten fielen der Dom und das Rathaus, die Bebauung des Scharns und in der Hohnstraße in Schutt und Asche. Auf Jahre und Jahrzehnte waren die Narben zu sehen. 186 Menschen, mehr als bei jedem anderen Bombenangriff auf Minden, kamen ums Leben.
Dabei war es nur ein kleines Geschwader der US Air Force gewesen, das an jenem "schwarzen Mittwoch" um 11.10 Uhr, aus südöstlicher Richtung kommend, auf die Stadt zusteuerte und seine Bombenklappen öffnete. 30 Tonnen - eine vergleichsweise geringe Bombenlast, die bei Angriffen auf das Wasserstraßenkreuz bei Weitem übertroffen worden war - ging in einer schmalen Schneise auf das Stadtgebiet nieder. "Die Ziele erster Priorität von 891 Bombern und 345 eskortierenden Jägern liegen in den Räumen Berlin (1.038 Tonnen Bomben) und Hannover (1.259 Tonnen Bomben auf das Tanklager in Linden, das Hanomag-Gelände sowie den Ortsteil Hainholz)", hat der Petershäger Hermann Kleinebenne bei den Recherchen für sein Buch "Die Weserlinie - Kriegsende 1945" in britischen Archiven herausgefunden.
Aus diesem Verband löste sich ein Geschwader von zehn B-17-Bombern heraus, kreiste zunächst über dem Raum Detmold und nahm dann Kurs auf die Porta Westfalica. "Der Anflug auf Minden von Süden, der die Beobachtungen der deutschen Flugwachen gegen die Sonne erschweren sollte, war erfahrungsgemäß ein sicheres Zeichen dafür, dass ein Angriff auf Minden bevorstand", schrieb der frühere Leiter des Kommunalarchivs Minden, Dr. Hans Nordsiek, in seinem Standardwerk "Die verdunkelte Stadt - Minden 1944/45". Die Stadt sei an diesem Tag als "Gelegenheitsziel" eingestuft gewesen, so Hermann Kleinebenne.
Volltreffer auf Luftschutzbunker kostet mehr als 100 Menschen das Leben
Wann genau die Flugzeuge ihre Bomben abwarfen, darüber gingen und gehen die Erinnerungen auseinander: 11.10 Uhr, wie es derzeit heißt (s. unten), 11.25 Uhr oder 11.45 Uhr. Auf jeden Fall ging alles sehr schnell. Augen- und Ohrenzeugen, die in Keller und Bunker geflüchtet waren, sprachen schon kurz danach von einer einzigen großen Explosion. Offenkundig hatte ein "Blockbuster", eine Luftmine, mit seiner gewaltigen Detonationswelle den Stadtkern erschüttert und Dächer abgedeckt, damit Brandbomben besser in die Häuser gelangen konnten. Spreng- und Brandbomben gingen in dichter Folge über Minden nieder. Getroffen wurden das Rathaus, der Dom und das Stadthaus am Großen Domhof, in dem die örtliche Luftschutzleitung untergebracht war. Am Großen Domhof brannten die Kreisleitung, die frühere Deutsche Bank, die Domschänke, der Rest des Postamtes, die Dresdner Bank, die katholische Schule und das Haus Frerichs, am Kleinen Domhof die Kommandantur, die Stadtsparkasse, das Café Peters, das Zollamt und das Wirtshaus Wittekind. Die Hohn- und die Scharnstraße standen nahezu komplett in Flammen. Am Markt waren das Kaufhaus Becker, das Geschäft Keerl und Radio Brandt beschädigt. In der Oberstadt waren Häuser in der Kampstraße, darunter das Amtsgericht, und in der Greisenbruchstraße zerstört. Am Königswall wurden das Arbeitsamt und ein Luftschutzkeller der Spedition Topf getroffen.
Der Luftschutzkeller, der wie so viele andere nur eine trügerische Sicherheit bot, wurde auf Grund eines Volltreffers für mehr als 100 Menschen zur Todesfalle. Mehr als die Hälfte jener 186 Toten jenes Tages kam dort, auf dem Gelände des heutigen Gerichtszentrums, ums Leben. Zahllose Leichen aus dem Keller hätten am Königswall aufgereiht gelegen, erinnert sich der damals zwölfjährige Robert Kauffeld, der aus Barkhausen in die Stadt gelaufen war, wo er zur Mittelschule ging. Noch nach siebeneinhalb Jahrzehnten hat er die Bilder im Kopf: "Die Toten waren alle zugedeckt."
Unter den Opfern waren, wie bei früheren Bombardements auf die Stadt, auch mindestens zehn ausländische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, wie Hans Nordsiek recherchierte und 1995 schrieb. Lange waren sie bei offiziellen Anlässen und Berichten Kriegsende nicht mitgezählt oder auch nur erwähnt worden. Noch bis in die 1990er-Jahre hinein wurde an 171 Todesopfer erinnert - von 471 Ziviltoten und 792 Gefallenen, bezogen auf das Stadtgebiet vor der Gebietsreform 1973.
Dass ein weiterer, dann wohl viel größerer Luftangriff, der bereits für den 6. April 1945 geplant gewesen sein soll, um die Stadt für vorrückende Truppen sturmreif zu schießen, ausblieb, war dem vorzeitigen Einzug kanadischer Truppen zu verdanken. Dennoch kamen in den allerletzten Kriegstagen noch weitere 29 Zivilisten bei Kämpfen ums Leben.
Der Autor ist erreichbar unter Telefon (0571) 882168 oder Juergen.Langenkämper@MT.de.
Bildunterschrift: Schneise der Verwüstung: Aus der Blickrichtung des Fotografen flog das Geschwader von zehn amerikanischen Bombern über die Innenstadt hinweg. Die Bomben trafen dabei auch den Dom, das Rathaus (am rechten Bildrand) und die Bebauung an der Höhenschwelle.
Bildunterschrift: Bomben am Markt: Das Rathaus brannte, aber die Feuerwehr war zu einer paramilitärischen Übung außerhalb der Stadt.
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Mindener Tageblatt, 28./29.03.2020:
Lokales / Letzter Bombenangriff vor 75 Jahren
Am 28. März 1945 versanken weite Teile der Mindener Innenstadt im Schutt und Asche. Größere Bomben und mehr Tonnen Sprengstoff waren dabei auf das Stadtgebiet, vor allem rund um die Kanalüberführung und den Bahnhof niedergegangen.
Seite 3
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Am 28. März 1945 war Minden das Ziel eines Luftangriffs, 186 Menschen starben, beschädigt oder zerstört wurden viele Wohnhäuser, öffentliche Gebäude, am 3. April 1945 erreichen kanadische Truppen die Stadt.
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www.kommunalarchiv-minden.de
www.mindener-geschichtsverein.de
28./29.03.2020
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