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Neue Westfälische , 24.03.2020 :

Ihre Meinung / Bildung hilft

Zu "Reichsbürger sind nicht harmlos" (20.03.20)

Die "Entwaffnung" der Organisationen hilft nicht weiter! Das rechtsradikale Denken bleibt! Die Organisationsnamen lassen sich beliebig wechseln. Gegen das rechtsradikale Denken hilft meiner Meinung nach nur das demokratische Bildungserleben schon in der Schule! Das hat mir mein sozialdemokratischer Ortsverein Isselhorst in den vergangenen Jahrzehnten beigebracht.

Reinhard Kniepkamp
33102 Paderborn

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Neue Westfälische, 20.03.2020:

Kommentar / Bundesinnenminister verbietet Reichsbürger-Gruppe

Reichsbürger sind nicht harmlos

Markus Decker

Die Sicherheitsbehörden haben am Donnerstag zugeschlagen. Zum wiederholten Male in letzter Zeit demonstrierten sie ihre neue Entschlossenheit im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Nachdem zuletzt unter anderem die Gruppe "Combat 18" wegen Rechtsterrorismus-Verdachts zerschlagen und der "Flügel" der AfD zum Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz erklärte wurde, hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) jetzt erstmals eine Reichsbürger-Gruppe verboten. Das ist ein gutes Zeichen.

Es ist gut, weil Seehofer klar macht, dass der Rechtsstaat in Zeiten der Corona-Krise unverändert arbeitet und wehrhaft ist. Dies ist ein Beleg für Normalität in nicht normalen Zeiten.

Soll niemand draußen im Lande glauben, wegen des Virus seien alle Regeln außer Kraft gesetzt. Der Schritt ist ferner gut, weil der Schlag gegen die Reichsbürger-Szene zeigt, dass die Reichsbürger eben nicht mehr als harmlose und lediglich ein bisschen wunderliche Brüder der "richtigen" Rechtsextremisten wahr, sondern endlich ernst genommen werden. Deshalb sollte auch Schluss damit sein, sie im Verfassungsschutzbericht getrennt zu behandeln. Aktuelle Ermittlungen beweisen, dass es sich längst um eine einzige Szene handelt. Und die gehört konsequent entwaffnet.

markus.decker@ihr-kommentar.de

Aus aller Welt

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Neue Westfälische, 20.03.2020:

Schlag gegen Reichsbürger

Bundesinnenminister Seehofer (CSU) hat erstmals eine Reichsbürger-Vereinigung verboten / Die Polizei rückte zu Razzien aus, gleich zwei liefen in Ostwestfalen-Lippe

Florian Pfitzner, Ulf Hanke und Lukas Brekenkamp

Bünde / Preußisch Oldendorf. Das Einfamilienhaus im Bünder Stadtteil Holsen wirkt beschaulich. In dem gepflegten Garten steht ein Klettergerüst für Kinder, erste Blumen blühen hinter der noch kahlen Hecke. Es ist ruhig in dem kleinen Ort. Doch der Schein trügt. Aus dem Haus kommen Polizisten mit Sturmmasken, inspizieren das Grundstück. Eines von bundesweit vielen Objekten, das früh am Donnerstagmorgen kontrolliert wird. Der Grund: Razzien gegen "Reichsbürger" - zwei Einsätze laufen in OWL.

Insgesamt fahren an diesem Morgen 400 Einsatzkräfte in zehn Bundesländern bei Mitgliedern der inzwischen verbotenen Vereinigung "Geeinte deutsche Völker und Stämme" sowie der Teilorganisation "Osnabrücker Landmark" vor. In NRW sind 150 Polizisten zu Objekten in Holsen, Preußisch Oldendorf und Gummersbach ausgerückt.

Landesweit zählt der Verfassungsschutz rund 3.200 Reichsbürger, davon 264 in der Region Ostwestfalen-Lippe. Dreiviertel von ihnen sind laut Innenministerium 40- bis 60-jährige Männer. Der Kreis Herford gilt mit ungefähr 105 Mitgliedern als eine der Hochburgen der Verschwörungstheoretiker. In Holsen lebt ein führendes Mitglied.

Im Garten des Einfamilienhauses steht ein Mast, kahl ohne Fahne. Kurz zuvor soll an der Stange noch eine blaue "einschlägige" Flagge geweht haben. So erzählen es Nachbarn. Sie ließe Rückschlüsse auf die Gesinnung des Mannes zu. Die Polizei habe die Fahne am Morgen eingeholt.

Dass der Mann den so genannten Reichsbürgern anhänge, ist im Ort kein Geheimnis. Er habe sich schon vor längerem offen dazu bekannt, sei aber "nie wirklich auffällig" gewesen, sagt ein Anwohner. Ein anderer beschreibt ihn als "ganz netten Typen".

Während der Razzien werden Schusswaffen, Baseballschläger, Propaganda-Material und Drogen sichergestellt - was bei den Hausdurchsuchungen in OWL beschlagnahmt wurde, will der Verfassungsschutz auf Anfrage nicht sagen.

Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden verstößt der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung, läuft nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider und richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung.

Der Kampf gegen rechten Extremismus werde "auch in Krisenzeiten unerbittlich fortgesetzt", versichert Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). In Düsseldorf sagt NRW-Innenminister Herbert Reul: "Gerade jetzt, in Zeiten der Corona-Krise, müssen wir gegen Leute vorgehen, die solche Verschwörungstheorien verbreiten und die den Staat unterhöhlen wollen." Der CDU-Politiker lobt das "konsequente Vorgehen gegen diese braune Soße".

Die "Vereinigung deutscher Völker und Stämme" leugnet die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Institutionen. Ideologisch gehört sie damit zu den Reichsbürgern sowie zu den so genannten Selbstverwaltern. Insgesamt zählt sie nach bisherigen Erkenntnissen 21 Mitglieder, drei von ihnen leben in NRW. Zu ihrem bundesweiten Umfeld sollen über 100 Menschen gehören.

Preußisch Oldendorf, ein paar Kilometer weiter nördlich von Holsen. Absperrbänder wurden weiträumig um ein Grundstück gezogen. Hühner scharren im Vorgarten, ein Hahn kräht. Auch hier ist die Polizei mit mehreren Einsatzfahrzeugen vorgefahren.

Im Visier der Sicherheitsbehörden steht ein Mann, der erst vor wenigen Wochen auffällig geworden ist. Per Einschreiben soll er einen verstörenden Brief an Kitas in der Region geschickt haben. Es lag eine mehrseitige Broschüre bei, die mit gezielten Falschinformationen Stimmung gegen das Impfen machen wollte.

In dem Ort nahe der niedersächsischen Grenze ist der Mann bekannt. Eine Anwohnerin beschreibt ihn als "nicht sonderlich angenehm". In dem Garten hinter dem Flatterband soll ebenfalls eine Reichsbürger-Fahne gehangen haben.

In der NRW-Opposition hält man das Verbot für längst überfällig. Die Innenexpertin der Grünen, Verena Schäffer, sagt, die "Reichsbürger-Bewegung" sei teils schwer bewaffnet, "sie lehnt unsere Verfassung ab und ist im Kern rechtsextrem und rassistisch". Von ihr gehe große Gefahr aus.

Warnung vor rechter Gewalt

Erst vor wenigen Wochen wurde ein Verbot gegen die rechtsterroristische "Gruppe S." verhängt. Ihre Mitglieder werden größtenteils den "Reichsbürgern" zugerechnet. Grünen-Innenexpertin Schäffer geht von weiteren Gruppierungen aus, die zu schweren Straftaten bereit seien. Sie sieht die Landesregierung in der Pflicht, dass "die Entwaffnung der Reichsbürger vordringlich weitergeführt wird".

Bildunterschrift: In Ostwestfalen-Lippe rückte die Polizei zu zwei groß angelegten Razzien bei so genannten Reichsbürgern aus.

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Am 19. März 2020 fanden nach Verbot der "Reichsbürger"-Gruppe "Geeinte deutsche Völker und Stämme" wie auch "Osnabrücker Landmark", Durchsuchungen in Preußisch Oldendorf-Harlinghausen, in Bünde statt.

Am 27. Februar 2020 bezifferte das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen die "Zahl der Reichsbürger und Selbstverwalter" im Kreis Herford mit 105, 34 in der Stadt Herford, Drucksache 17/8725.

Am 2. Dezember 2019 bezifferte die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen (17/8039), die Anzahl von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" im Kreis Minden-Lübbecke mit 81 - hiervon 20 in Porta Westfalica.

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www.landtag.nrw.de/Dokumentenservice/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-8725.pdf

www.landtag.nrw.de/Dokumentenservice/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-8039.pdf

www.minden-luebbecke.de/Service/Integration/NRWeltoffen

www.gegenrechts.info

www.mobile-beratung-owl.de


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